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© dpa

Klimaserie, Teil 4: Atomkraft genauso klimaschädlich wie Windkraft

Atomkraftwerke stoßen angeblich kein CO2 aus. Das Prinzip der Kernkraft scheint deshalb wie gemacht für den Klimaschutz. Doch so einfach ist es dann doch nicht.

Kernkraftwerke werden immer wieder als Klimaretter präsentiert, in Talkshows, auf Plakatwänden und in Parteiprogrammen. Im Gegensatz zu Kohle- und Biomassekraftwerken stoßen die Reaktoren kein klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) aus. Etwas anders sieht die Bilanz aus, wenn man alle denkbaren Umweltbelastungen hinzurechnet, die mit dem Betrieb der jeweiligen Kraftwerkstypen verbunden sind: vom Bau der Anlagen über Erkundung, Abbau und Transport der Brennstoffe bis zur Entsorgung der Kraftwerke nach einer typischen Lebenszeit. Die liegt etwa bei Windkraftanlagen bei rund 20 Jahren, bei Kohle- und Kernkraftwerken um die 40 Jahre, während die Arbeitsdauer von Wasserkraftturbinen in den Untersuchungen mit bis zu 60 Jahren angesetzt wird.

Natürlich variieren solche „Lebenszyklusanalysen“, je nachdem wie stark die einzelnen Faktoren gewichtet werden. Aber der Trend ist gleich. Eine Untersuchung der Uni Stuttgart zum Beispiel kommt zu dem Ergebnis, dass bei einer „Rundum-Betrachtung“ jede Kilowattstunde aus einem deutschen Steinkohlekraftwerk 790 Gramm CO2 freisetzt, bei Braunkohle sind es gar 970 Gramm. Die Kernkraft kommt dabei auf rund 15 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Das liegt im unteren Bereich der Streubreite, die andere Studien für Atomstrom ermittelt haben (10 bis 60 Gramm). Die Differenz lässt sich unter anderem mit verschiedenen Aufbereitungstechniken für Brennstäbe in anderen Ländern erklären. Solarmodule, die einen großen Aufwand in der Herstellung erfordern, kommen der Stuttgarter Analyse zufolge auf rund 150 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Und Wasser- sowie Windkraft kommen auf ähnliche Werte wie die Kernenergie.

Uran im ausreichenden Maß vorhanden

Um die Reaktoren am Laufen zu halten, werden derzeit weltweit rund 65.000 Tonnen Uran benötigt. Aus den Erzlagerstätten werden jedoch nur etwa 45.000 Tonnen geholt. „Zu Zeiten des Kalten Krieges wurde die Produktion massiv vorangetrieben, so dass heute etwa eine halbe Million Tonnen Natururan aus Lagerbeständen zur Verfügung steht“, sagt Ulrich Schwarz-Schampera, der für die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) die Entwicklung auf dem Uranmarkt verfolgt. „Welchen Anteil die einzelnen Staaten zur Energiegewinnung nutzen und was davon für eine militärische Nutzung vorgesehen ist, wird von den Regierungen nicht veröffentlicht.“

Aber auch ohne die Lagerbestände ist die Versorgung mit Kernbrennstoffen gesichert, sagt der Geologe. Die Reserven, also jene Rohstoffe, die mit weniger als 40 US-Dollar pro Kilogramm Uran gewinnbar sind, umfassen 1,7 Millionen Tonnen. Die Erze liegen vor allem in Australien, Kanada, Kasachstan, Brasilien und Südafrika. Lässt man einen Produktionspreis von bis zu 130 Dollar zu und bezieht auch jene Lagerstätten ein, die bisher noch nicht so detailliert erkundet wurden, kommen Ressourcen von mehr als 14 Millionen Tonnen Uran zusammen, zeigt die aktuelle BGR-Analyse.

Abbau in Deutschland unwahrscheinlich

Selbst mit einem Sicherheitsabschlag kommt man so auf eine Reichweite von gut 200 Jahren – bei unverändertem Verbrauch und ohne weitere Erkundungen im Gelände. „Geologisch gibt es keine Beschränkung für Uran“, sagt Schwarz- Schampera. „Wie bei allen Rohstoffen ist alles eine Frage des Preises.“ Und der steigt seit einigen Jahren wieder deutlich, nicht zuletzt durch die Ankündigung vieler Länder, Kernenergie nutzen zu wollen. Auf dem Spotmarkt legte der Uranpreis von 2003 bis 2007 um mehr als 1300 Prozent zu, brach im Zuge der Finanzkrise etwas ein und ist nun wieder im Steigen, sagt der BGR-Experte. „Weltweit verzeichnen wir einen echten Erkundungsboom“, sagt er. „Namibia wurde von den Bergbauunternehmen förmlich überrannt, die Regierung vergibt vorerst keine Explorationslizenzen mehr.“

Dass es in Deutschland noch einmal Uranabbau geben wird, bezweifelt Schwarz-Schampera. Die Sanierung der alten Gruben in Sachsen und Thüringen kostet rund 6,5 Milliarden Euro. Wenn irgendwann mit viel Aufwand neue Bergwerke eingerichtet werden sollen, sei das politisch sehr schwer zu vermitteln.

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