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Wirtschaft: Koalition schiebt Börsengang der Bahn hinaus

Grüne sehen keine Chance vor 2008 / SPD will die Kontrolle über das Schienennetz behalten

Berlin (hop/brö). Die Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen die Deutsche Bahn vorerst nicht an die Börse bringen. Es sei unklar, ob man derzeit überhaupt darüber entscheiden könne, sagten SPDVerkehrsexperten am Mittwoch dem Tagesspiegel. In einem Grundsatzpapier, das dieser Zeitung vorliegt, heißt es, „ein von der DB AG erzeugter Zeitdruck darf kein Grund für eine frühe Grundsatzentscheidung zum Börsengang sein“. Die Grünen erklärten, die Sanierung des Staatskonzerns dauere „noch mindestens vier bis fünf Jahre“.

Die Bundesregierung will bis Ende des Jahres darüber entscheiden, wann erste Teile der Deutschen Bahn an private Investoren verkauft werden sollen. Noch gehört die Bahn zu 100 Prozent dem Bund. Geplant ist ein Anteil von 20 Prozent, der in private Hände wechseln soll – vorzugsweise an einen institutionellen Anleger. Bahnchef Hartmut Mehdorn hatte jüngst betont, der Konzern werde im kommenden Jahr schwarze Zahlen schreiben und sei 2005 reif für den Gang an den Kapitalmarkt. Im Koalitionsvertrag hatte Rot-Grün festgelegt, dass im Laufe dieser Wahlperiode der Börsengang beschlossen werden soll.

Doch Verkehrspolitiker warnen vor zu großer Eile. „Es kann nicht heißen: Weil die Legislaturperiode 2006 zu Ende ist, muss der Börsengang 2005 erfolgen“, sagte die Bahn-Berichterstatterin der SPD-Fraktion, Karin Rehbock-Zureich, dem Tagesspiegel. Und Reinhard Weis, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, betonte: „Wir wissen nicht, ob man jetzt überhaupt über einen Börsengang entscheiden kann.“

Sorgen bereitet den Verkehrspolitikern vor allem das Bestreben der Bahn, die Privatisierung mitsamt des Schienennetzes vorzunehmen. Bisher sei der Börsengang vor allem aus finanzpolitischer Sicht betrachtet worden, kritisierte Rehbock-Zureich. „Bund und Verkehrspolitiker wollen jetzt die Verkehrspolitik in den Mittelpunkt der Diskussion stellen.“ Da das Schienennetz Teil der Privatisierung sei, müsse sichergestellt werden, dass die Politik weiter darauf Einfluss nehmen könne, sagte Weis. Auch nach dem Börsengang müsse der Staat mittelbar Eigentümer des Netzes bleiben. Und vor dem Gang aufs Parkett müssten Netzstandard und die Netzgröße festgelegt werden. Nur so sei sichergestellt, dass das Ziel der Bahnreform, mehr Verkehr auf die Schiene zu holen, tatsächlich erreicht werde.

Zudem verlangen die Regierungsfraktionen, dass der Konzern vor einem Börsengang profitabel ist. „Für einen Börsengang muss eine belastbare Rentabilität erreicht werden, die sich nicht nur auf Bundeszuschüsse stützt“, sagte Weis. Albert Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, verlangte „wenigstens zwei bis drei Jahre in Folge nachhaltig schwarze Zahlen. Vor 2008 ist die Privatisierung auf jeden Fall ein Wolkenkuckucksheim.“ Auch danach sei nur der Teilverkauf der Sparten Personen- oder Güterverkehr denkbar. „Der Staat muss Eigentümer des Netzes bleiben“, forderte Schmidt.

Zum Streit um die Investitionsmittel des Bundes für die Schiene sagte die SPD-Politikerin Rehbock-Zureich, im kommenden Jahr würden der Bahn voraussichtlich mehr als vier Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Bislang war für den Haushalt 2004 von 3,98 Milliarden Euro die Rede nach 4,2 Milliarden Euro in diesem Jahr. „Die Vier vor dem Komma bleibt, das kriegen wir hin“, kündigte Rehbock-Zureich an. Das gelte auch für die Mittelfristplanung. Zur Klage der Bahn, bis 2007 bekomme sie sechs Milliarden Euro weniger vom Bund, sagte sie: „Die Finanzplanung muss sich an der Realitiät orientieren.“ Die Planung der Bahn sei nie vom Bund autorisiert worden. Beim bereits bestehenden Netz sei noch nicht klar, wie lange der Bund die Erneuerung fördern müsse. Klar sei allerdings, dass die Bahn beim Neubau auf öffentliche Mittel kaum verzichten kann. Rehbock-Zureich: „Neuinvestitionen wird ein Eisenbahnunternehmen nie selber erwirtschaften können.“

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