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Will kein "wertloses" Internet: Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP).

© dpa

Koalition und Internet: Vorfahrt für die Wirtschaft

Der Wirtschaftsrat der CDU wünscht sich wirtschaftsfreundliche Regelungen für das Internet und applaudiert bei einem Symposion Philipp Rösler. Beim Verbraucherschutz setzen beide eher auf Eigenverantwortung.

Das Bild vom Auto bemüht Dorothee Belz am Mittwoch gleich zweimal. Einmal beim morgendlichen Pressefrühstück, später dann noch einmal, bei ihrem Vortrag anlässlich des Bundessymposions „Wachtumstreiber Internet“ des Wirtschaftsrats der CDU. Ebenso wie dem Auto im Verlauf des 20. Jahrhunderts, so glaubt die Leiterin der Arbeitsgruppe Netz- und IT-Politik im Wirtschaftsrat, werde es dem Internet im Verlauf des 21. ergehen: Aus einer Phase der Regellosigkeit müsse auch das Netz irgendwann herausfinden. Nur so sei es möglich, Risiken zu minimieren und Chancen vor allem für Unternehmer herauszustreichen. „Wild-West im Netz kann auf die Dauer nicht funktionieren“, sagt Belz. Auch das zweimal.

Damit ist die Richtung dieses groß präsentierten Schritts des Rats in Richtung der gar nicht mal so neuen Onlinewelt vorgegeben. Eine wirtschaftsfreundliche Einhegung – so kann man beschreiben, was der Wirtschaftsrat sich für die Zukunft des Internets erträumt. Der Datenschutz der Verbraucher soll lediglich hohes, nicht höchstes Niveau haben – man setzt auf „praktikable Lösungen“ und „Eigenverantwortung“. Zugleich soll geistiges Eigentum, sollen die Interessen von Unternehmen rigide geschützt werden. „Wenn wir da nichts tun, werden wir am Ende ein wertloses Internet haben.“ Philipp Rösler (FDP), Bundeswirtschaftsminister und gemeinsam mit Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und EU-Komissarin Viviana Reding Stargast der Veranstaltung, erhält für seine Forderung nach einer „klugen Regulierung“ des Datenverkehrs und dem Schutz immaterieller Güter viel Applaus.

Dass die tatsächlich etwas wert sind und die auch an diesem Tag vielfach so apostrophierte „Boombranche“ Internetwirtschaft alle Beachtung verdient, dessen sind sich hier eh fast alle einig. Den Skeptischen hilft die Boston Consulting Group mit einer eigens zum Termin veröffentlichten Studie zum Thema auf die Sprünge: Demnach ist der Umsatz von Unternehmen mit einer hohen Internetnutzung in drei Jahren um zehn Prozent mehr gewachsen als der von solchen mit einer mittleren. Die Internetwirtschaft der G 20 soll bis 2016 auf 4,2 Billionen Dollar ansteigen, in Deutschland beträgt der Anteil der reinen Internetwirtschaft drei Prozent am Bruttoinlandsprodukt, Tendenz steigend. Die Anstöße, wie dieses Potenzial sowie die Potenziale der globalen Vernetzung auch abseits der IT-Branche noch besser genutzt werden können, sind an diesem Nachmittag zahlreich. IT-Berufe und technischen Studienfächer sollen noch attraktiver werden, die Regelungswut des deutschen Gesetzgebers soll schrumpfen.

Jene geistig-moralische Wende, wonach das Internet im netzwirtschaftlich vergleichsweise schwachen Deutschland endlich positiv, als Chance, und nicht mehr vornehmlich negativ, als Risiko, besetzt sein soll, geht dann aber fast ein bisschen unter. Das liegt auch daran, dass auf dem Podium des Eröffnungsplenums mit Friedrich und Reding zwei sitzen, denen man die Skepsis gegenüber dem Multimedium deutlich anmerkt – und die die Veranstaltung zu allem Überfluss für die Austragung einer kleinen Privatfehde nutzen. Dabei geht es darum, ob ein EU-weites Datenschutzrecht lediglich für Unternehmen (Friedrich) oder auch für die Interaktion von Bürger und Staat (Reding) gelten soll. Die vielen offenen Fragen dieses Streits dämpfen merklich die Aufbruchsstimmung. Was sie aufzeigen, ist indes durchaus interessant: dass die Domestizierung des Internets sich eventuell doch schwieriger gestalten könnte als die Einführung einer Straßenverkehrsordnung.

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