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Wirtschaft: Kohle soll sauber werden

Kanzlerin Merkel setzt ersten Spatenstich für ein CO2-freies Kraftwerk in der Lausitz / Umweltschützer sind skeptisch

Berlin/Washington - Es klingt wie ein Wunschtraum: eine Energieversorgung, die gleichzeitig günstig, umweltschonend und unabhängig von Importen ist. Einen kleinen Schritt in diese Richtung will der Stromkonzern Vattenfall am heutigen Montag gehen: Am Lausitzer Industriestandort Schwarze Pumpe beginnt der Bau des ersten CO2-freien Kohlekraftwerks in Deutschland. Den Spatenstich wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gemeinsam mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) setzen.

Für die deutsche Stromwirtschaft ist die Technik ein Novum. Denn eigentlich sind Kohlekraftwerke besonders klimaschädlich: Sie stoßen hohe Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) aus. Nun jedoch soll das CO2 eingelagert werden, so dass es nicht mehr in die Atmosphäre gelangt. Damit ließe sich Kohle erstmals klimaneutral verstromen, das wichtige Umweltargument wäre entkräftet. Neben den erneuerbaren Energien ist Kohle der einzige Energieträger, über den Deutschland in größerem Umfang verfügt. Deshalb spielt sie in den Planungen der Bundesregierung für die künftige Energieversorgung auch eine zentrale Rolle. Braunkohle hat zudem den Vorteil, dass sie kostengünstig ohne Subventionen gefördert werden kann.

Vattenfall setzt bei seinem CO2-freien Kraftwerk auf das so genannte Oxyfuel-Verfahren. Dabei wird die von Natur aus feuchte Braunkohle zunächst getrocknet, außerdem findet die Verbrennung nicht in Luft, sondern in reinem Sauerstoff statt. Als Endprodukt erhält man – neben Energie – hoch konzentriertes, fast reines CO2. „Dieses Gas lässt sich unter Druck verflüssigen und dann einlagern“, erklärt Hans Joachim Krautz von der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) in Cottbus.

Wo das CO2 gelagert wird, ist noch offen. Vattenfall selbst favorisiert einen ehemaligen Gasspeicher bei Ketzin im Havelland. Allerdings ist nicht sicher, wie dicht die Lagerstätte tatsächlich ist. Derzeit laufen noch die Untersuchungen des Geoforschungszentrums Potsdam. Könnte aus dem Speicher CO2 entweichen, hätte das fatale Folgen: Das Gas ist schwerer als Luft und würde sich deshalb in Bodennähe sammeln – Menschen und Tiere müssten ersticken.

Umweltschützer sind deshalb skeptisch. „Das Oxyfuel-Verfahren führt in die Sackgasse“, sagt Gabriela von Goerne von Greenpeace. Die Entwicklung sei nicht weit fortgeschritten, außerdem koste die Technologie viel Geld. „Es wäre besser, die Mittel in erneuerbare Energien zu investieren“, sagt sie. Ähnlich äußert sich der Chef der deutschen Emissionshandelsstelle Hans-Jürgen Nantke: CO2-freie Kohlekraftwerke seien „Placebos“. Die Industrie habe das Thema vor allem aus Prestigegründen in die Welt gesetzt. Vattenfall hingegen will die Technologie weiter erforschen. Rund 40 Millionen Euro werden in die Pilotanlage investiert. Wenn das Minikraftwerk 2008 fertig ist, kann es 30 Megawatt (MW) Wärme erzeugen. Im Jahr 2015 will der Konzern dann eine erste großtechnische Demonstrationsanlage mit 300 MW errichten. Ein kommerziell nutzbares Kraftwerk mit 1000 Megawatt könnte es ab dem Jahr 2020 geben, heißt es bei Vattenfall.

In den USA ist man schon etwas weiter. 2003 hat Präsident George W. Bush den Auftrag vergeben, innerhalb von zehn Jahren ein emissionsfreies Kohlekraftwerk zu entwickeln. Eine Milliarde Dollar gibt die Regierung über diese zehn Jahre für das Projekt „FutureGen“, eine weitere Milliarde steuert die Industrie bei. Seither forscht man an den Universitäten der alten Kohle- und Stahlmetropole Pittsburgh und des Kohlestaats West-Virginia in Morgantown sowie in den streng geschützten Versuchsanlagen des National Energy Technology Laboratory (NETL) an verschiedenen Techniken: neben dem Oxyfuel-Verfahren auch an einer Methode, bei der Kohlegas und Wasserstoff verbrannt werden und am Ende Wasser sowie CO2 herauskommen. Im Unterschied geht es nicht nur um die Technik, sondern auch um eine ökonomische Auflage. Das Verfahren darf nicht mehr als zehn Prozent teurer sein als die herkömmliche Kohleverstromung. 2012 soll ein kommerziell einsetzbares Kraftwerk am Netz sein und eine Leistung von 275 Megawatt haben. Die Forscher sagen, sie seien im Zeitplan.

Das CO2, das entsteht, wird wie in der deutschen Planung unterirdisch gelagert; auch hier forschen die USA an mehreren Verfahren. Favorisiert werden bisherige Lagerstätten von Erdgas oder Erdöl, die über Millionen Jahre ihre „Dichtigkeit“ bewiesen haben. Entweder sind sie bereits weitgehend leer gefördert, so dass man die entstandenen Hohlräume mit CO2 füllen kann. Oder das CO2 wird sogar dazu genutzt, die Ausbeute eines Gas- oder Ölvorkommens zu erhöhen, indem es in die Lagerstätte gepresst wird. Pilotprojekte laufen bereits in einer Kooperation zwischen Ohio und Weyburn (Kanada) sowie in Texas und New Mexiko. Im Gegensatz zur unterirdischen CO2-Lagerung, die man schon im norwegischen Sleipner praktiziert, wird hier überwacht, ob das CO2 tatsächlich im Lager bleibt oder entweichen kann.

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