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Wirtschaft: Kohlehandel

CDU und SPD streiten über Ausstieg oder Sockelbergbau. Wahrscheinlich ist 2018 endgültig Schluss

Berlin - Es geht mal wieder zu wie beim Mikado: Wer sich zu früh bewegt, hat verloren. Zum großen Kohlekonsens lädt Wirtschaftsminister Michael Glos an diesem Sonntagabend in sein Ministerium in Berlin-Mitte: Der Finanzminister ist zugegen und der Kanzleramtsminister, die Ministerpräsidenten des Saarlandes und aus NRW sowie die Chefs des Ruhrkohlekonzerns RAG und der IG BCE. Sie alle wollen das Ende der Kohle besiegeln. Vielleicht aber auch nicht. Mit Sicherheit wollen sie eine Vorlage für das Spitzentreffen der großen Koalitionäre am Montag hinbekommen, damit dann Angela Merkel und Kurt Beck zur historischen Tat schreiten können: Schluss mit der Steinkohle. Am Mittwoch dann will sich wieder die Sonntagsrunde treffen, um wiederum Grundlagen zu schaffen für die Umsetzung des Grundsatzbeschlusses.

So kompliziert ist das. Und so hatten sich das die meisten Beteiligten nicht vorgestellt. Werner Müller zum Beispiel. Der Vorstandschef der RAG arbeitet seit 2003 auf ein Ziel hin: Den Konzern aufspalten, die Kohle mitsamt Altlasten (schwarzer Bereich) in eine Stiftung überführen, die mit dem Geld finanziert wird, das der Börsengang der restlichen RAG (der sogenannte weiße Bereich mit Degussa und Steag) bringt. Ohne die Kohle, so Müllers Kalkül, könne sich der Konzern endlich richtig entfalten. Eigentlich sollte der Börsengang im Juni stattfinden, doch weil die Politik nicht in die Pötte kam, wird es wohl Herbst werden.

Der Sinn des Börsengangs wird von niemandem in Frage gestellt, auch von der IG Bergbau, Chemie und Energie nicht. Die Gewerkschaft hat schon lange akzeptiert, dass der Bergbau in Deutschland keine Perspektive hat, da die Kohle mit viel zu großem Aufwand aus der Tiefe geholt werden muss. Ihr geht es um die noch 33 000 Arbeitskräfte, also ein möglichst spätes Ausstiegsdatum ohne Kündigungen. Das wäre 2018. Ein langsames Zechensterben ohne große Schmerzen wäre bis dahin möglich.

Den Politikern geht es ums Geld und um Wähler. Die Subventionen von derzeit rund 2,5 Milliarden Euro sollen sukzessive reduziert werden und die sogenannten Ewigkeitslasten des Bergbaus sauber abgesichert sein. Bereits im November hatten sich alle Beteiligten darauf verständigt, „den subventionierten Steinkohlebergbau zum Ende des Jahres (2012, 2014, 2016, 2018) zu beenden“. Nur das Jahr musste also noch ausgeknobelt werden. Doch dann kam die SPD plötzlich mit dem Sockelbergbau um die Ecke: Selbst 2018 sollte nicht Schluss sein, sondern aus Gründen der Energiesicherheit wollte man eine Restförderung bis in die ferne Zukunft. Darum geht jetzt der Poker: Auf der einen Seite die Sockelforderung der SPD, auf der anderen Seite der möglichst frühe Ausstieg der CDU mit dem Nachteil einiger Tausend betriebsbedingter Kündigungen.

Eine Schlüsselrolle spielen die Nordrhein-Westfalen, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und die SPD-Landeschefin Hannelore Kraft. „Die Positionen liegen weit auseinander“, sagte Kraft dem Tagesspiegel am Sonntag. Die nordrhein-westfälische SPD wolle einen Sockelbergbau, die CDU einen Ausstieg im Jahr 2015 und deren Koalitionspartner FDP sogar schon 2010 das letzte Bergwerk stilllegen. Ihre Strategie beschreibt Kraft mit den Worten: „Wir wollen den Deckel offen halten.“ Eine Sockelförderung von bis zu zehn Millionen Tonnen Steinkohle im Jahr würde auch nach 2018 zwischen 700 Millionen und einer Milliarde Euro kosten. Andere Rechnungen, die sogar von bis 1,5 Milliarden Euro für einen Sockel ausgehen, erklärt Kraft damit, dass in der höheren Summe auch der Aufwand für Altlasten enthalten sei und der eben unabhängig von der Förderung auf Dauer mit 500 Millionen Euro pro Jahr zu veranschlagen sei. Ferner weist Kraft darauf hin, dass bei einem Sockel 26 500 Arbeitsplätze gerettet werden könnten.

Alles in allem sei die aktuelle Situation „nicht mehr haltbar“, die bevorstehenden Gespräche müssten „Sicherheit für die Bergbaubeschäftigten und den RAG-Börsengang bringen“. Dabei gehe es eben auch um 100 000 Arbeitnehmer bei der RAG insgesamt. Scharf kritisierte Kraft Rüttgers, der „den Börsengang der RAG zur Geisel genommen hat. Börsengang und Sockelbergbau schließen sich nicht aus und passen gut zu NRW.“

Rüttgers hatte mit dem Ende der Subventionen gedroht, wenn es keinen Ausstieg gebe, und für den Fall auch den RAG-Börsengang für unmöglich erklärt. Wenn das Land tatsächlich aus der Förderung aussteigt, „dann muss Rüttgers die Folgen tragen“, meinte Kraft. Denn der Börsengang der RAG sei erst dann „unmöglich, weil der weiße Bereich des Konzerns dann für den schwarzen eintreten muss“. Am Ende wird wohl das Ausstiegsdatum 2018 stehen. Damit hätte sich Rüttgers zeitlich nach oben bewegt und die SPD könnte mit dem Hinweis auf die Sozialverträglichkeit den Verzicht auf den Sockel begründen. Am Samstag deutete Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) die Kompromisslinie schon einmal an. Auf dem Neujahrsempfang der IG BCE sagte er: „2012 muss entschieden werden, was nach 2018 noch möglich ist.“

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