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Bremst Andrea Nahles die Lokführer aus? Jedenfalls will die Arbeitsministerin mit einem Gesetz den Berufsgewerkschaften das Geschäft erschweren.

© picture alliance / dpa

Konflikt bei der Bahn: Die Tarifeinheit soll die GDL stoppen

Spätestens zum Arbeitgebertag am 4. November will Angela Merkel einen Gesetzentwurf über die Tarifeinheit präsentieren. Die Kanzlerin steht seit Jahren im Wort.

Angela Merkel enttäuschte ihre Zuhörer nicht. Sie sei „persönlich überzeugt, dass eine Regelung zur sogenannten Tarifeinheit notwendig ist“, sagte die Bundeskanzlerin auf dem Arbeitgebertag in Berlin. Applaus. „In den nächsten zwei Monaten“ werde die Regierung einen Weg aufzeigen. Das war im November 2010. Seitdem ist allerhand passiert, eine gesetzliche Festschreibung der Tarifeinheit aber gibt es noch immer nicht. Am 4. November steht der nächste Arbeitgebertag an und wieder wird Merkel sprechen. Vermutlich auch zur Tarifeinheit. Die CDU-Kanzlerin hat der SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles aufgetragen, bis dahin einen Gesetzentwurf vorzulegen. Nahles kündigte am Freitag im RBB an, sie werde das schaffen und einen Vorschlag vorlegen, der auch verfassungskonform sei. „Im Konfliktfall – wie zum Beispiel aktuell bei der Bahn – machen wir als Staat einen Lösungsvorschlag und werden dabei das Mehrheitsprinzip stärken.“

Im Konflikt bei der Bahn und überhaupt beim Thema Tarifeinheit geht es um das Nebeneinander mehrerer Gewerkschaften in einem Betrieb. Die Lokführergewerkschaft GDL will nicht mehr nur die Lokführer bei der Bahn vertreten, sondern auch andere Berufsgruppen wie etwa die Zugbegleiter, die aber mehrheitlich bei der Eisenbahngewerkschaft EVG organisiert sind. Wenn nun zwei oder noch mehr Gewerkschaften in einem Betrieb dieselben Beschäftigtengruppen vertreten, dann soll künftig der Tarifvertrag der Gewerkschaft den Vorrang haben, die die meisten Mitglieder hat. Die GDL befürchtet, bei der geplanten gesetzlichen Festschreibung des Mehrheitsprinzips unter die Räder zu kommen. Deshalb kämpfen auch die Ärztegewerkschaft Marburger Bund und der Beamtenbund, zu dem die GDL gehört, gegen das geplante Gesetz und haben bereits Verfassungsklage angekündigt.

Das Streikgeld kommt vom Beamtenbund

Ob die Verknüpfung des Themas Tarifeinheit mit den üblichen materiellen Forderungen der GDL (mehr Geld, kürzere Arbeitszeit) strategisch Sinn macht, ist umstritten. Jedenfalls erschwert sie die Kompromisssuche, die in der Regel parallel zu Arbeitskämpfen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit läuft. Bei der Bahn ist eine zähe Auseinandersetzung über Wochen wahrscheinlich. GDL-Chef Claus Weselsky muss dabei auf einige Randbedingungen achten: Wie lange machen seine Leute mit? Wie entwickelt sich die Stimmung in der Öffentlichkeit? Und was macht der Dachverband, im Falle der GDL also der Deutsche Beamtenbund („dbb“)? Schließlich ist der „dbb“ entscheidend dafür, ob sich die GDL einen langen Arbeitskampf leisten kann. Denn je Streikmanntag, so der Fachterminus, bekommt die GDL vom Dachverband bis zu 50 Euro. Die GDL zahlt ihren streikenden Mitgliedern angeblich 50 Euro pro Streiktag, um deren Lohnausfall zumindest teilweise auszugleichen. Beim Streik am vergangenen Mittwoch beteiligten sich rund 2200 Lokführer, sodass 110 000 Euro an Streikgeld gezahlt werden müssen. Womöglich kommen die komplett aus der Unterstützungskasse des dbb, sodass die GDL gar nicht belastet würde.

Der geschäftsführende Vorstand der dbb-Tarifkommission entscheidet über die Streikunterstützung. Hier liegt denn auch ein Schlüssel zur Beendigung des Konflikts, wenn der nämlich zu lange dauert, zu teuer wird und die Kasse und womöglich das Image des Beamtenbundes belastet, dann könnte dbb-Chef Klaus Dauderstädt Weselsky bremsen. Auch wegen der Kosten scheut die GDL einen unbefristeten Streik. Wahrscheinlicher ist die Nadelstichtaktik: Nachdem sich die Gewerkschaft mit dem Wochenende noch auf einer eher niedrigen Eskalationsstufe befindet, wäre als Nächstes der Berufsverkehr dran, also ein ganztätiger Streik an einem Werktag. Es sei denn, auf Basis des neuen Angebots der Bahn bekommt Weselsky die Kurve. Danach sieht es aber nicht aus. Und so spielt das Theater bei der Bahn den Befürwortern eines Gesetzes über die Tarifeinheit in die Karten.

Die Grünen sprechen vom Angriff aufs Streikrecht

Dazu gehört der Vize-Fraktionschef der Union, Michael Fuchs. Er wirft der GDL einen „eklatanten Missbrauch“ des Streikrechts vor, da es in der Auseinandersetzung „ausschließlich um einen Machtkampf zwischen zwei Gewerkschaften geht“. Die Arbeitsministerin müsse jetzt zügig ihren Entwurf für ein Gesetz zur Tarifeinheit vorlegen. „Das ist im Moment wichtiger als alles andere, was Frau Nahles sonst noch vorhat“, sagte Fuchs dem Tagesspiegel. Und das wird schwer genug, wie eine Diskussion im Bundestag am Donnerstag gezeigt hat. Die Grünen hatten einen Antrag unter dem Titel „Solidarität im Rahmen der Tarifpluralität ermöglichen – Tarifeinheit nicht gesetzlich regeln“ eingebracht. Die Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke warf der Regierung vor, mit ihren Gesetzesvorhaben sogar den Konflikt bei der Bahn anzuheizen. Denn wenn die Politik „zwischen erwünschten und nicht erwünschten Gewerkschaften“ unterscheide, dann müssten sich die Arbeitgeber „nicht ernsthaft auf Tarifverhandlungen einlassen. Das befeuert zwangsläufig die Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften, denn es geht um ihre Existenz“, äußerte Müller-Gemmeke Verständnis für die GDL. Für die Grünen „bleibt die gesetzliche Tarifeinheit ein Angriff auf das Streikrecht“.

Das will die Koalition unbedingt vermeiden, um mit dem Gesetz vor dem Verfassungsgericht bestehen zu können. Karl Schiewerling von der Union kam die schwierige Aufgabe zu, im Bundestag das Vorhaben zu verteidigen. Danach versucht die Regierung, die grundgesetzliche Koalitionsfreiheit in Einklang zu bringen „mit dem guten Brauch des Betriebsfriedens“, der eben durch die GDL und andere Spartengewerkschaften gefährdet sei. Schiewerling plädierte für ein Gesetz, „in dem einzelne Schritte treppenförmig geregelt sind“. Was das bedeutet, wird Angela Merkel bestimmt am 4. November erläutern.

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