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Wirtschaft: Konflikt um Stabilitätspakt entschärft

Eichel: Drei-Prozent-Kriterium wird nicht angetastet / Estlands Finanzminister plädiert für strikte Regeln

Von Antje Sirleschtov

Berlin/Brüssel - Im Streit der europäischen Finanzminister um eine Reform des Stabilitätspaktes zeichnet sich laut dem amtierenden Ratspräsidenten Jean- Claude Juncker eine gemeinsame Position ab. „Wir machen Fortschritte. Die verschiedenen Positionen nähern sich an“, sagte Juncker am Dienstag nach einem Treffen der Minister in Brüssel. Er hoffe auf eine Einigung bis zum Frühjahrsgipfel Ende März.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) sprach von einem „Klima der Kooperation“. Eichel betonte, es gehe bei der Reform „nicht um eine Schwächung, sondern um eine ökonomisch vernünftige Anwendung“ des Stabilitätspaktes. Bundespräsident Horst Köhler forderte bei seinem ersten Besuch der EU- Institutionen dazu auf, bei der Reform des Stabilitätspaktes am Grundsatz der Haushaltsdisziplin festzuhalten. Köhler sagte am Dienstag, „ich kann nur raten, dass man Verschuldung nicht auf die leichte Schulter nimmt, weil das eine Last wäre für künftige Generationen.“ Zu Einzelheiten der Reformvorschläge wolle er sich aber nicht äußern, sagte Köhler.

Der Pakt verlangt, dass die Neuverschuldung drei Prozent des Bruttoinlandproduktes nicht überschreitet. Berlin und Paris haben sich schon dreimal hintereinander nicht daran gehalten. Eichel zufolge ist klar, dass das Drei-Prozent-Kriterium nicht angetastet werde. Auch Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der als strenger Verfechter des Paktes gilt, sprach von „guten Fortschritten“.

Dagegen sagte Estlands Finanzminister Taavi Veskimägi dem Tagesspiegel, er sei „enttäuscht, dass es bei den Schlüsselfragen, wie etwa der Stärkung der Rechte der Kommission, keine gemeinsame Position gegeben hat. Ich bezweifle, dass wir so weiter kommen“, sagte er. Seine Position liege mit den Reformvorschlägen von Gerhard Schröder „100 Prozent auseinander“. Veskimägi möchte zwar auch eine Reform. Jedoch sei er strikt dagegen, dass Ausgaben etwa für Bildung und Forschung oder Strukturreformen bei der Beurteilung des Defizits berücksichtigt werden, sagte Veskimägi. „Der Pakt gibt jetzt schon genügend Spielraum, um Strukturreformen anzugehen.“ Einzige für ihn akzeptable Ausnahme seien Ausgaben für Reformen der Rentensysteme. Veskimägi möchte die Stabilitätsregeln „klarer“ machen. „Die Kommission muss mehr Rechte haben, um Defizitstrafverfahren gegen die Mitgliedstaaten einzuleiten“, sagte Veskimägi.

Einig scheinen sich die Ressortchefs darin zu sein, dass keine ganzen Ausgabenblöcke aus dem Defizit eines Landes herausgerechnet werden. Trotzdem geht es jetzt noch darum, festzulegen, welche Ausnahmekriterien bei der Entscheidung zur Eröffnung eines Defizitverfahrens berücksichtigt werden sollen. Berlin will die Ausgaben für Strukturreformen, Forschung und Bildung sowie die Nettozahlungen an die EU und die Lasten der deutschen Einigung berücksichtigt wissen.

Einig sind sich die Minister, in wirtschaftlich guten Zeiten zu sparen, um für schlechtere Perioden besser gerüstet zu sein. Offen ist noch die Definition für gute Zeiten und ob es eine Messlatte für die Höhe der Einsparungen geben soll.

In Deutschland hat der Streit um den Maastricht-Pakt nichts an Schärfe eingebüßt. Baden-Württembergs Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) wandte sich entschieden gegen eine Reform des Paktes. „Damit werden die wenigen verbindlichen Regelungen demontiert, die eine weitere ausufernde Staatsverschuldung erschweren“, sagte er dem Tagesspiegel. Auf einen verwässerten und aussagelosen Stabilitätspakt könne man eigentlich gleich ganz verzichten.

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