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Dax

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Konjunktur: Angst vor schwarzen Tagen

Die Börsianer erwarten einen Konjunkturabschwung. Der Dax hält sich nur knapp über 6000 Punkten und steht damit so tief wie seit Oktober 2006 nicht mehr.

Berlin - Aus Furcht vor weiteren Bankenpleiten in den USA und einer wirtschaftlichen Stagnation in Deutschland flüchten die Anleger aus dem Aktienmarkt. Der wichtigste Aktienindex Dax fiel am Dienstag auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2006. Zeitweise brach er um 3,1 Prozent auf 6006 Punkte ein. Kurz vor Börsenschluss notierte er bei 6026 Punkten (minus 2,8 Prozent). Der Euro profitierte dagegen von der schlechten Lage in den USA. Der Kurs der Gemeinschaftswährung stieg am Dienstagmorgen auf ein Rekordhoch von 1,6038 Dollar.

Auslöser der Turbulenzen ist die Krise auf dem amerikanischen Immobilienmarkt. Die US-Regierung hatte am Montag ein Rettungspaket für die angeschlagenen Baufinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac aufgelegt. Börsianern zufolge fürchten aber viele Investoren, dass die Hilfen nicht ausreichen, um der Finanzkrise Herr zu werden. „Es geht um unvorstellbare Summen“, sagte ein Händler mit Blick auf das Volumen der Schuldverschreibungen der beiden Institute. Dieses entspricht mit fünf Billionen Dollar mehr als einem Drittel des US-Bruttoinlandsprodukts.

Nun grassiert in den USA die Angst vor einer Kettenreaktion, die auch andere Banken treffen könnte. Besonders groß ist die Nervosität, weil einige US-Banken am morgigen Donnerstag ihre Geschäftszahlen für das zweite Quartal vorlegen. Anleger fürchten neue Milliardenabschreibungen. „Die Kreditkrise hat uns wieder voll eingeholt“, sagte ein Händler.

Auch in Deutschland wächst die Furcht vor einer Krise. Börsenexperten beurteilen die Aussichten für die deutsche Wirtschaft so schlecht wie noch nie. Der Konjunkturindex des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) brach im Juli überraschend um 11,5 auf minus 63,9 Punkte ein. Das ist der niedrigste Wert seit Umfragebeginn 1991, wie das ZEW am Dienstag in Mannheim mitteilte. Er ergibt sich aus den Einschätzungen von rund 300 Finanzexperten zur künftigen Konjunkturentwicklung. Fast 70 Prozent erwarten eine Verschlechterung der Lage. Nur 5,5 rechnen mit einer Besserung. Ähnlich schlecht waren die Erwartungen nur im Dezember 1992 (minus 62,6 Punkte).

Es ist ein ganzer Cocktail schlechter Nachrichten, der auf der deutschen Wirtschaft lastet: „Der hohe Ölpreis, der starke Euro, die Krise in den USA, die Leitzinserhöhung der EZB und eine schwache inländische Konsumnachfrage dürften die deutschen Unternehmen in den kommenden sechs Monaten belasten“, teilte das ZEW zu seiner monatlichen Umfrage mit. Das schwierige Umfeld zeige sich unter anderem in den rückläufigen Auftragseingängen der Unternehmen. Die Industrie hatte zuletzt sechs Monate in Folge weniger Aufträge erhalten und die Produktion drei Monate hintereinander gedrosselt. Die Exporteure mussten im Mai das größte Umsatzminus seit drei Jahren hinnehmen.

Nun kommt die Furcht vor der wiedererweckten Finanzkrise hinzu. „Die aktuellen Vorfälle bei den US-Hypothekenfinanzierern zeigen, dass die Finanzkrise noch lange nicht ausgestanden ist“, sagte ZEW-Präsident Wolfgang Franz, der auch Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung ist.

Dass es für die deutsche Wirtschaft so schlimm kommt wie für die USA, glaubt indes kaum jemand. „Es wird zu einer Abschwächung der Konjunktur kommen, aber nicht zu einer Rezession“, sagte Franz. Zwar sei die Wirtschaft im Frühjahr wohl um etwa 0,5 Prozent geschrumpft. Nach einer Stagnation im Sommer dürfte das Wachstum im vierten Quartal aber wieder anziehen. Eine Rezession – mindestens zwei Quartale in Folge mit schrumpfender Wirtschaft – hatte es zuletzt 2004 gegeben.

Bankenökonomen warnten trotz des Einbruchs des ZEW-Index vor Schwarzmalerei. „Das Barometer liefert nur einen Hinweis darauf, dass es schlechter wird“, sagte Heinrich Bayer von der Postbank. „Es sagt aber nicht, wie schlecht es werden wird.“ Im Gegensatz zu den Erwartungen für die nächsten Monate werde die aktuelle Lage von den Finanzprofis noch immer besser beurteilt als im langjährigen Durchschnitt.

Für die US-Konjunktur sieht es dagegen schon jetzt düster aus. Nach Einschätzung von US-Notenbankchef Ben Bernanke hat sich die Lage erneut eingetrübt. „Die Möglichkeit weiter steigender Energiepreise, die Verschärfung der Bedingungen bei der Kreditvergabe durch die Banken und der immer tiefere Abschwung am Immobilienmarkt sind allesamt Abwärtsrisiken für den Wirtschaftsausblick“, sagte Bernanke am Dienstag vor einem US-Kongressausschuss. Der Preisverfall am Häusermarkt, von dem die inzwischen globale Finanzkrise vergangenen Sommer ihren Anfang genommen hatte, könne noch über den Jahreswechsel hinaus anhalten, warnte Bernanke.

Trotz Rezessionsbedenken hob die Notenbank in ihrem halbjährlichen Bericht an das Parlament in Washington ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum auf ein bis 1,6 Prozent an. Zuletzt war sie von einem Wachstum von lediglich 0,3 bis 1,2 Prozent ausgegangen. Für 2009 erwartet die Federal Reserve nach wie vor einen Zuwachs bis zu 2,8 Prozent.

Stefan Kaiser

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