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Konjunktur: Deutsche Wirtschaft wächst wieder

Der rasante Absturz der deutschen Wirtschaft ist zunächst gestoppt. Im Frühjahr hat sich die Wirtschaft überraschend schnell erholt und ist erstmals seit Anfang 2008 wieder gewachsen. Vor allem der Konsum der Verbraucher und die Ausgaben des Staates hätten die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal angetrieben, teilt das Statistische Bundesamt mit.

Zahlreiche Länder der Eurozone konnten sich im zweiten Quartal aus der Rezession befreien: In Deutschland und Frankreich ist die Wirtschaftsleistung jeweils um 0,3 Prozent gewachsen, das  Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Slowakei legte sogar um 2,2 Prozent zu. In vielen anderen Euro-Staaten fielen die Rückgänge deutlich geringer aus als zu Jahresauftakt.

Vor allem dank der verbesserten Wirtschaftsleistung der beiden größten Volkswirtschaften der Euro-Zone, Deutschland und Frankreich, konnte der Konjunktureinbruch nahezu gestoppt werden. Im zweiten Quartal schrumpfte das BIP der Euro-Zone im Vergleich zum Vorquartal nur noch um 0,1 Prozent, nach minus 2,5 Prozent im Vierteljahr zuvor. Verglichen mit dem Vorjahresquartal ging das BIP freilich noch um 4,6 Prozent zurück.

Die Zahlen der EU-Chefstatistiker übertrafen die Erwartungen der EU-Kommission. "Die Lage ist viel besser als wir es angenommen hatten", sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Im Frühjahr war die EU-Kommission noch von einem Minus von 0,7 Prozent für das zweite Quartal in der Euro-Zone und der EU-27 ausgegangen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) rechnet trotzdem nur mit einer langsamen Erholung in der gesamten Euro-Zone. Die Konjunktur werde im zweiten Halbjahr 2009 schwach bleiben – unter anderem, da die Lage auf dem Arbeitsmarkt sich weiter verschlechtern dürfte, heißt es in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Monatsbericht für August. Erst für 2010 sei nach einer Phase der Stabilisierung mit einer Erholung zu rechnen. Damit  bestätigte die Notenbank frühere Angaben von EZB-Chef Jean-Claude Trichet.

Von der EZB befragte Volkswirte haben ihre Konjunkturerwartungen für das laufende Jahr weiter gesenkt. Sie erwarten, dass die Wirtschaftsleistung in der Eurozone im Gesamtjahr 2009 um 4,5 Prozent sinkt. Im April hatten sie lediglich einen Rückgang von 3,4, Prozent erwartet. Für die Untersuchung befragt die EZB alle drei Monate Fachleute von europäischen Banken sowie Institutionen der Europäischen Union.

Die deutsche Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal, verglichen mit dem ersten, überraschend um 0,3 Prozent. Dies teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag in einer ersten Schätzung mit. "Das ist das erste Wachstum nach einem Jahr stetigen Schrumpfens", sagte ein Statistiker. Konsum, Bauinvestitionen und Außenhandel schoben die Konjunktur wieder an. Analysten hatten mit einem erneuten Minus von 0,3 Prozent gerechnet.

Zu Jahresbeginn war die Wirtschaftsleistung mit revidiert 3,5 (bisher: 3,8) Prozent so stark eingebrochen wie noch nie. Ein Wachstum hatte es zuletzt im ersten Quartal 2008 gegeben.

"Nach dem beispiellosen Sturzflug der Wirtschaft ist die Rezession nun beendet", kommentierte der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, die Daten. "Das Wachstum im Frühjahr wird keine Eintagsfliege bleiben." Im dritten Quartal werde die Wirtschaft Fahrt aufnehmen und könnte bis zu einem Prozent wachsen.

Grund dafür sei die Erholung der Weltwirtschaft. Die Auftragseingänge der Industrie hätten bereits stark zugelegt und der Export werde wieder zum Wachstumsmotor. "Der Unsicherheitsschock nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman ist abgeklungen", sagte Krämer. Die Unternehmen weltweit holten jetzt Investitionen nach. Ähnlich äußerte sich Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise. "Die weltweite Angst, dass nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman das Finanzsystem kollabieren könnte, ist vorüber", sagte er.

Der Einschätzung von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zufolge ist die Erholung der deutschen Wirtschaft auf die Konjunkturprogramme der Bundesregierung zurückzuführen. Sie zeigten Wirkung, so dass nun eine nachhaltige konjunkturelle Erholung möglich sei. Die Zahlen seien ermutigend: "Sie belegen, dass der stärkste Einbruch der Wirtschaftsleistung hinter uns liegen dürfte." Gleichzeitig warnte er allerdings vor verfrühter Euphorie, es sei noch ein weiter Weg bis unsere Wirtschaft das Vorjahresniveau erreicht habe.

Auch Experten warnen: "Das Risiko bleibt ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit", sagte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Christian Dreger. "Sollte im Herbst Kurzarbeit verstärkt in Entlassungen umgewandelt werden, dämpft das die Löhne und den Konsum." Sorgen bereitet manchen Ökonomen auch, dass die Banken Kredite seit Wochen sehr restriktiv vergeben. Den Unternehmen fällt es deshalb schwerer, zu investieren.

Die Konjunkturdaten beflügelten den deutschen Aktienmarkt am Donnerstag zunächst: Der Dax stieg vormittags um nahezu zwei Prozent. "Die Rezession in Deutschland ist vorbei, das hebt die Stimmung", sagte ein Börsianer. Am Nachmittag bremsten allerdings neue Konjunkturdaten aus den USA den Höhenflug des Index, der die Hälfte seiner Kursgewinne wieder verlor. "Der US-Konsum kann nicht überzeugen. Das Aufschwungsszenario ist zwar nicht in Gefahr, aber es wird nicht so leicht und schnell gehen wie gedacht", sagte ein Analyst.

Wie stark die Wirtschaft auch in Deutschland immer noch unter den Folgen der weltweiten Finanzkrise leidet, zeigt ein längerfristiger Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt – die Summe aller in Deutschland hergestellten Waren und erbrachten Dienstleistungen – des zweiten Quartals 2009 liegt immer noch 7,1 Prozent unter der des Vorjahreszeitraums. "Einen stärkeren Rückgang gab es noch nie in der Nachkriegszeit", sagte ein Statistiker. Kalenderbereinigt waren es minus 5,9 Prozent, weil drei Arbeitstage weniger zur Verfügung standen.

Allein seit Verschärfung der Krise Anfang 2008 ist das Bruttoinlandsprodukt um 6,5 Prozent zurückgegangen. "Die Wirtschaftsleistung befindet sich gerade erst wieder auf dem Niveau von 2005", sagte ein Volkswirt des Statistischen Bundesamtes. Der Schmerz der Unternehmen lasse nur langsam nach.

Die Bundesregierung und führende Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen bislang für das gesamte Jahr 2009 mit einem Minus von sechs Prozent. Das wäre der stärkste Einbruch seit Gründung der Bundesrepublik. Ursache dafür ist die globale Wirtschaftskrise, unter der Exportweltmeister Deutschland besonders leidet.

Quelle: ZEIT ONLINE, Reuters, dpa, ds

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