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Wirtschaft: Konjunktur: DIW erwartet nur noch ein Prozent Wachstum

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet für Deutschland in diesem Jahr nur noch mit einem Wachstum von einem Prozent und stellt sich damit an die Spitze der Konjunkturskeptiker. Der weltweite Konjunkturrückschlag und der Preisauftrieb führten zu einer "kumulativen Kettenreaktion", sagte Leiter der DIW-Konjunkturabteilung Gustav Horn am Dienstag.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet für Deutschland in diesem Jahr nur noch mit einem Wachstum von einem Prozent und stellt sich damit an die Spitze der Konjunkturskeptiker. Der weltweite Konjunkturrückschlag und der Preisauftrieb führten zu einer "kumulativen Kettenreaktion", sagte Leiter der DIW-Konjunkturabteilung Gustav Horn am Dienstag. Als Gegenstrategie empfehlen die Berliner ein Vier-Punkte-Programm.

Erst im nächsten Jahr dürfte die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung des DIW mit 2,3 Prozent wieder stärker wachsen, erreicht damit nach Angaben von DIW-Präsident Klaus Zimmermann aber immer noch nicht ein Niveau von drei Prozent, das als Mindestgröße für mehr Beschäftigung betrachtet wird. Während Arbeitsminister Walter Riester und IG Metall-Vize Jürgen Peters sich nach wie vor zuversichtlich zeigen, dass die Regierung ihr Ziel von 3,5 Millionen Arbeitslosen im kommenden Jahr erreichen könnte, sagte Zimmerman: Angesichts der anhaltenden Wachstumsschwäche werde das nicht gelingen. Vielmehr werde die Zahl der Arbeitslosen im Schnitt in diesem und im nächsten Jahr 3,8 Millionen betragen. "Dies ist aber nur auf den ersten Blick ein Misserfolg", sagte Zimmermann. Vielmehr zeigten die Steuerreform und die im Rahmen des Bündnis für Arbeit erwirkte Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften, dass die Bundesregierung ihre makroökonomischen Aufgaben erledigt habe.

Der Bundesfinanzminister reagierte gelassen. Er werden den fast wöchentlich wechselnden Prognosen "nicht hinterher fahren", sagte Hans Eichel am Rande des Ecofin-Treffens in Brüssel. Abgerechnet werde am Jahresende. Bislang geht die Regierung von einer wirtschaftlichen Erholung in der zweiten Jahreshälfte aus und hält an ihrer Prognose eines Wachstums von zwei Prozent im laufenden Jahrfest.

Die Vier-Punkte-Strategie des DIW sieht erstens eine drastische Lockerung der Geldpolitik vor. Vor allem die Europäische Zentralbank (EZB) ist nach Auffassung der Berliner Ökonomen mit Schuld an der gegenwärtigen konjunkturellen Talfahrt. Die Währungshüter hätten mit ihrer straffen Geldpolitik den Abschwung im Euro-Raum und in Deutschland erst beschleunigt. Darum sollte die EZB ihre Leitzinsen von derzeit 4,5 Prozent auf 2,5 Prozent zurücknehmen, zumal die Inflation schon statistisch bedingt in den nächsten Monaten sinken werde. Für 2002 rechnen die Berliner Volkswirte mit einer Preissteigerungsrate von nur noch 1,9 Prozent - nach 2,7 Prozent in diesem Jahr. Zweitens empfehlen die Ökonomen eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik, wobei Lohnerhöhungen von drei Prozent als konjunkturverträglich angesehen werden. Und den Tarifpartnern werden - drittens - längerfristigere Abschlüsse nahegelegt, die die Lohnpolitik für die EZB kalkulierbarer machen sollen. Viertens schließlich soll die Finanzpolitik konjunkurbedingte Defizite hinnehmen.

Politischen Forderungen nach einem Konjunkturprogramm zur Ankurbelung der Wirtschaft erteilten die Volkswirte hingegen eine klare Absage. Aus den Konjunkturprogrammen der 70er Jahre habe man seine Lehren ziehen können. Außer Aktionismus hätten die nichts bewirkt, erklärte DIW-Finanzfachmann Dieter Vesper. Entscheidend bleibe in der Finanzpolitik vielmehr die langfristige Orientierung.

Warnung vor strengem Sparkurs

Vor dem Hintergrund der ausgeprägten Konjunkturschwäche in diesem Jahr sollte der Bundesfinanzminister vorübergehend höhere Etatdefizite hinnehmen. Zusätzliche Konsolidierungsbemühungen seien derzeit kontraproduktiv. Vor allem in Kernbereichen, etwa bei Infrastrukturmaßnahmen, dürfe nicht noch mehr gespart werden. Vesper geht davon aus, dass die Steuereinnahmen in diesem Jahr um 4,5 Milliden Mark hinter dem vom Arbeitskreis Steuerschätzung im Juni erwarteten Ergebnis zurückblieben. Die Defiziquote wird nach Berechnungen des DIW dieses Jahr 2,1 Prozent erreichen und das von der Bundesregierung ursprünglich selbst gesetzte Ziel von 1,5 Prozent deutlich übertreffen. Zurzeit geht die Bundesregierung noch von 1,7 Prozent aus. Das hatte bereits erhebliche Kritik der EU-Kommission hervorgerufen, die mit Blick auf die Stabilität der Gemeinschaftswährung und die Einhaltung der Maastricht-Kriterien auch auf den steten Abbau der Defizitquote im Euro-Raum drängt.

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) warnten die Regierung am Dienstag davor, jetzt an der falschen Stelle zu sparen. Der Anteil der investiven Ausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes habe sich seit 1991 bereits von 16 Prozent auf elf Prozent reduziert, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Ludolf von Wartenberg. BDLI-Hauptgeschäftsführer Eberhard Birke zeigte sich über die Engpässe im Verteidigungshaushalt besorgt.

mo

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