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Hotels trifft das Beherbergungsverbot hat. Sie haben schon vorher unter Corona gelitten.

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Update

Konjunkturprognose der Forschungsinstitute: Wirtschaft bricht stärker ein als erwartet

Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen mit einem Einbruch von 5,4 Prozent in diesem Jahr. Das liegt vor allem an einer Branche.

Von Carla Neuhaus

Die Corona-Krise trifft die deutsche Wirtschaft härter, als das die Ökonomen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute noch im Frühjahr angenommen haben. Statt einem Minus von 4,2 Prozent sagen sie in ihrem Herbstgutachten für dieses Jahr nun einen Rückgang um 5,4 Prozent voraus. Ihre Erklärung: Die Erholung zieht sich hin.

Das liegt vor allem an den Branchen, die besonders auf den sozialen Kontakt angewiesen sind: dem Tourismus und dem Veranstaltungssektor. So leiden Airlines, Reisebüros, Hotels, Messebetreiber, Theater und Konzertveranstalter weiterhin stark darunter, dass viele Menschen zu Hause bleiben – ob freiwillig oder nicht. Mit den jüngsten Beherbergungsverboten für Gäste aus Risikogebieten, spitzt sich die Lage weiter zu. „Dieser Teil der deutschen Wirtschaft wird noch längere Zeit unter der Corona-Pandemie leiden", sagt Stefan Kooths, Konjunkturchef am Institut für Weltwirtschaft. Das hat die Prognose zusammen mit dem Ifo-Institut, dem DIW, dem IWH und dem RWI erstellt.

Die Erholung zieht sich hin

Ihrer Analyse zufolge wird die Wirtschaft im kommenden Jahr zwar wieder um 4,7 Prozent wachsen. Doch das Vorkrisenniveau wird demnach erst Ende 2021 erreicht. Und Kooths warnt: „Mit dem Aufholen des Einbruchs sind die Krisenfolgen keineswegs ausgestanden.“ So dauert es mindestens bis Ende 2022, bis die Produktionskapazitäten wieder ausgelastet sind. Dazu kommt, dass sich viele Firmen derzeit mit Investitionen zurückhalten, weil ihnen das Geld fehlt oder die Aussichten zu unsicher sind.

Das hat auch Folgen für den Arbeitsmarkt. Die Ökonomen rechnen damit, dass trotz Kurzarbeit bis zur Jahresmitte bereits 820.000 Stellen weggefallen sind. Die Arbeitslosenquote dürfte damit in diesem und dem nächsten Jahr bei 5,9 Prozent liegen nach fünf Prozent in 2019.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) beurteilt die Lage ähnlich wie die Ökonomen: "Die Gemeinschaftsdiagnose liegt auf einer Linie mit der Einschätzung der Bundesregierung von Anfang September." Die Bundesregierung rechnet mit einem Wirtschaftseinbruch von 5,8 Prozent. Altmaier weist allerdings auch daraufhin, dass jede Prognose derzeit sehr unsicher ist: "Dies alles steht unter dem Vorbehalt, dass sich die Corona-Infektionszahlen nicht unkontrolliert ausbreiten und ein zweiter Lockdown verhindert wird."

Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben in ihrer Analyse unterstellt, dass es zwar zeitweise immer wieder regionale Einschränkungen gibt, ein erneuter Shutdown aber ausbleibt.

Eine Insolvenzwelle würde Jobs kosten

Ökonom Kooths sieht allerdings ein weiteres Risiko: "Es ist derzeit noch unklar, wie viele Unternehmen durch die Pandemie in ihrer Existenz bedroht sind", sagt er. Erst Anfang Oktober ist eine Übergangsregelung ausgelaufen: Firmen, die zahlungsunfähig sind, müssen jetzt wieder sofort Insolvenz anmelden. Verschont bleiben weiterhin nur diejenigen, die lediglich überschuldet sind.

Stefan Kooths ist Konjunkturchef am Institut für Weltwirtschaft in Kiel.
Stefan Kooths ist Konjunkturchef am Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

© IfW

Experten gehen deshalb von einem Anstieg der Insolvenzen aus - spätestens Anfang des kommenden Jahres. Die Bundesbank sagt für das erste Quartal 2021 zum Beispiel 6000 Firmenpleiten voraus: Das ist viel, aber immer noch weniger als während der Finanzkrise, als in einem Quartal 8000 Unternehmen in die Insolvenz gingen. Kooths sagt: "Sollte es zu einer neuen Insolvenzwelle kommen, würde sich das auch am Arbeitsmarkt bemerkbar machen."

War die Senkung der Mehrwertsteuer richtig?

Aus Sicht der Ökonomen muss es jetzt darum gehen, die Kosten der Krise gerecht zu verteilen. Deshalb sollten vor allem diejenigen entlastet werden, die besonders unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie leiden. Pauschale Maßnahmen lehnen die Ökonomen, die an der Prognose beteiligt waren, ab. Deshalb sehen die meisten von ihnen auch die Mehrwertsteuersenkung kritisch.

"Die Tatsache, dass der private Konsum nicht schneller wieder in Gang kommt, liegt nicht daran, dass die privaten Haushalte nicht genug Kaufkraft haben", sagt Kooths. So hätten Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld dazu beigetragen, dass die Einkommen einigermaßen stabil geblieben seien. Trotzdem haben die Verbraucher ihren Konsum zurückgefahren und mehr gespart. Die Ökonomen rechnen damit, dass die Deutschen in diesem und dem nächsten Jahr insgesamt 150 Milliarden Euro sparen statt ausgeben. Die Mehrwertsteuersenkung ist für viele also kaum ein Anreiz, mehr Geld auszugeben. Zudem sagt Kooths: "Die Mehrwertsteuersenkung kommt auch denjenigen zugute, die auf der Einkommensseite von der Krise überhaupt nicht betroffen sind."

Das DIW vertritt eine andere Meinung. "Angesichts der allgemeinen Verunsicherung helfen breite Impulse die Krise zu verkürzen", sagt Claus Michelsen, Konjunkturchef am DIW. Die Regierung habe zudem schnell handeln müssen, deshalb sei die Senkung der Mehrwertsteuer nicht ganz verkehrt gewesen.

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