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Wirtschaft: Kontokontrolle oder Abgeltungssteuer

In der Regierung gibt es Streit über die Besteuerung von Kapitalerträgen / Im vergangenen Jahr gab es 62 000 Kontoabfragen

Berlin - Unter den Berliner Regierungsparteien ist eine Kontroverse ausgebrochen, mit welchen Mitteln Kapitalerträge und Spekulationsgewinne effizient und wirksam besteuert werden können. Der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Otto Bernhardt, sagte dem Handelsblatt, er halte das geltende Kontoabrufverfahren für das falsche Instrument. „Ich plädiere für eine Abgeltungsteuer, die anonym auf Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne erhoben werden sollte“, fügte er hinzu. Dann könnte man sich die Kontrollen sparen. Schützenhilfe erhielt er von der FDP. Dagegen sprachen sich SPD und Grüne für die Beibehaltung der bisherigen Regelung aus. „Eine grundsätzliche Abkehr von unserem heutigen Verfahren halte ich nicht für ratsam“, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD, Jörg-Otto Spiller. Eine Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge wäre steuersystematisch und ordnungspolitisch zudem „höchst problematisch“. Auch sei das heutige Verfahren zur Besteuerung von Kapitalerträgen „einfach und fair“.

Nach dem Koalitionsvertrag wollen CDU und SPD die Besteuerung von Kapitalerträgen und privaten Veräußerungsgewinnen neu regeln. Eine Grundsatzentscheidung müsste bis zur Sommerpause fallen. Bei einer Abgeltungsregelung würden solche Erträge einmalig mit einem pauschalen Satz besteuert, bislang ist der persönliche Steuersatz ausschlaggebend. Seit April 2005 können Finanz- und Sozialämter ohne begründeten Anfangsverdacht über Kontoabfragen Folgendes in Erfahrung bringen: Name, Geburtsdatum, Kontenanzahl und Verfügungsberechtigte. Kontostände und -bewegungen bleiben dagegen tabu. Bundesweit besteht ein Zugriff auf rund 500 Millionen Konten. Laut der Finanzaufsicht BaFin wurden 2005 rund 62 000 Anfragen nach Paragraf 24 c des Kreditwesengesetzes bearbeitet; 2004 waren es 39 000 gewesen.

Etwa 45 000 Anfragen hatten Staatsanwaltschaften und Polizei an die BaFin gerichtet, 15 000 stammten von Steuerfahndung und Zoll. Mittlerweile ist das System automatisiert, die Zahl der Abfragen dürfte daher deutlich zunehmen. Während die Finanzaufsicht BaFin von 62 000 Anfragen spricht, kommen allein die regionalen Volksbanken auf Millionen. Die Diskrepanz erklärt sich dadurch, dass die Anfrage eines Finanzamts, die die BaFin zählt, Anschlussanfragen bei den 2300 Kreditinstituten in Deutschland auslöst. Es gibt einen großen Multiplikatoreffekt.

Unionsexperte Bernhardt befürchtet zudem, dass die Kontenabfragen eine Kapitalflucht auslösen können. In der CDU/CSU gebe es aber noch keine abgestimmte Meinung. Der Vize-Fraktionschef der FDP, Carl-Ludwig Thiele, unterstützt die Linie Bernhardts: „Wir fordern seit Jahren die Einführung einer Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge, um Schwarzgeld zurückzuholen und die Kapitalflucht aus Deutschland aufzuhalten“, sagte Thiele dem Handelsblatt. In der Kreditwirtschaft laufen Bernhardt und Thiele offene Türen ein. Dagegen verweist die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel, auf die „deutlich aufwändigeren Kontrollmitteilungsverfahren in den USA, Frankreich, Niederlanden, Spanien oder Großbritannien“. Zudem habe der Bundesfinanzhof bestätigt, „dass mit der Kontenabfrage das Kontrolldefizit beispielsweise bei Spekulationsgewinnen beseitigt ist“. Wenn man kriminellen Geschäften auf die Spur kommen oder Angaben von Leistungsempfängern verifizieren wolle, müsse man prüfen. „Da ändert auch eine Abgeltungsteuer nichts“, sagte Scheel.

Die Voraussetzung für das aktuelle Kontoabrufverfahren hatte die rot-grüne Koalition Ende 2003 unter dem Eindruck der Terroranschläge von 2001 geschaffen. Anfangs diente dieses Instrument der Strafverfolgung, seit 2005 auch dem Kampf gegen Steuerhinterziehung und Missbrauch von Sozialleistungen. Das Gesetz war im Bundestag einstimmig verabschiedet worden.fmd/HB

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