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Wirtschaft: Korruption: Erfolgreich selbstständig

Bonn, im Januar: Eine Männerfreundschaft platzt, die Staatsanwaltschaft übernimmt das Geschäft. Dieter Härthe, Geschäftsführer des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW), wird von seinem Verbandspräsidenten, dem Düsseldorfer Finanzunternehmer Mario Ohoven, fristlos gefeuert.

Bonn, im Januar: Eine Männerfreundschaft platzt, die Staatsanwaltschaft übernimmt das Geschäft. Dieter Härthe, Geschäftsführer des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW), wird von seinem Verbandspräsidenten, dem Düsseldorfer Finanzunternehmer Mario Ohoven, fristlos gefeuert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs und Bereicherung zu Lasten seines eigenen Verbandes. Aufgefallen war er unter anderem, als er eine Reparaturrechnung für sein Privat-Auto, einen Rolls-Royce, als Werkstättenbesuch seines Dienst-Jaguar einreichte. Und ermittelt wird wegen des Verdachts, dass Härthe am defizitären Vereinsorgan "Erfolgreich selbständig" gut verdient haben soll.

Berlin, im Februar: Die ehemaligen Spitzenkräfte der Bankgesellschaft wohnten in ziemlich teuren Dienstvillen, die sie für ziemlich viel Geld feudal umbauen ließen. Als das Finanzamt das als geldwerten Vorteil erkannte, legte die Bankgesellschaft beim Gehalt noch ein bisschen drauf. Nach dem Rücktritt der Bankgesellschaft-Manager sollten die Häuser verkauft werden - erste Interessenten: die ehemaligen Mieter.

Köln, im März: Die Sozialdemokraten der Domstadt müssen zugeben, jahrelang illegale Parteispenden entgegen genommen zu haben. Im Zusammenhang mit dem Neubau und der Privatisierung einer Müllverbrennungsanlage sollen auch Bestechungsgelder in Millionenhöhe geflossen sein.

München, Freitag abend: Wegen illegaler Zuwendungen in Millionenhöhe im Zusammenhang mit der Verwendung von Medikamenten wird gegen Krankenhaus-Ärzte in ganz Deutschland ermittelt. Rund 1000 Verfahren seien gegen Mediziner an mehreren 100 Kliniken im gesamten Bundesgebiet eingeleitet worden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München I.

Vier Einzelfälle. "Wir sind völlig entsetzt", stammelt der Kölner SPD-Parteichef Jochen Ott. Tief enttäuscht ist BVMW-Präsident Mario Ohoven von dem Geschäftsführer, den er geduzt und dem er vertraut hat. In der Bankgesellschaft heißt es inzwischen, dass man das Geschäft im Grunde gar nicht sanieren müsse - es reiche, wenn man die Filmrechte an der Geschichte bekomme. In München hatte man bislang noch keine Zeit, sich zu empören.

Wie korrupt ist unser Land? Immer so korrupt, wie jemand genauer hinguckt, sagt der Ex-Präsident des Bundeskriminalamtes, Hans-Ludwig Zachert. Je mehr ermittelt wird, desto mehr wird gefunden. Der Grad an Korruption und Betrügereien in einem Land bleibe ziemlich konstant - wenn Polizei und Justiz sich dem Thema intensiver widmen, werden nur mehr Fälle aufgedeckt. Oder wenn Neider, enttäuschte Angehörige, Wettbewerber sich beschweren. Das Manager-Magazin fragte 1994 zusammen mit dem Soziologen Erwin K. Scheuch bei Unternehmern und Managern, wie korrupt die Wirtschaft in Deutschland sei. 34 Prozent der befragten Manager sagten, dass sie Deutschland für korrupt halten. Rund die Hälfte aller Fälle wird nur wegen dummer Zufälle entdeckt. Wirtschaftsprüfer oder verbitterte Ehefrauen lüften weitere vierzig Prozent der entdeckten Korruptionsfälle.

Da, wo sich über Jahrzehnte hinweg Netzwerke entwickeln können, die sich gegenseitig Nutzen versprechen, schreibt der Kölner Soziologe Erwin K. Scheuch im Februarheft der "Kriminalistik", wachsen auch Korruption und Bestechlichkeit. Da, wo man sich kennt und wo man sich hilft. Da, wo öffentliche und private Wirtschaft aufeinander treffen. Da wo es viel Geld zu verteilen gibt - und die Gehaltsunterschiede groß sind. In Berlin zwischen Politik und Bank, in Bayern zwischen Steuerzahlern und Finanzamt, in Köln zwischen Herzjesu-Sozialisten und Entsorgungsspezialisten.

Auf dem Arbeitsmarkt gibt es Milliarden für Weiterbildung, Umschulung und ABM. Sonderbar ist, dass die größten Kunden der Weiterbildungsetats diejenigen sind, die die Arbeitsämter kontrollieren sollen: Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, beziehungsweise deren Weiterbildungswerke. Aber das hat bislang nur gestört, wenn sich ein Wettbewerber beklagte, dass er nicht zum Zuge kam. Der skurrile Fall der Weiterbildungsgesellschaft Equal, die auf das Betreiben eines verliebten Mitarbeiters im Arbeitsministerium Aufträge ohne Ausschreibung bekam, etwa. Equal und das Arbeitsministerium wurden zur Jahreswende ausgerechnet von dem Weiterbildungsträger angezeigt, der den Schweriner PDS-Arbeitsminister Holter fast das Amt gekostet hätte: wegen Bevorzugung, Vetternwirtschaft.

Was ist Korruption? Wenn ein Unternehmen seinen Managern repräsentative Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, ist das an sich nicht anstößig. Nicht, wenn die Dienstwohnung im Arbeitsvertrag als Gehaltsbestandteil erwähnt wird und nicht, wenn dieser Vorteil versteuert wird. Eine Dienstwohnung ist bei Spitzenbankern nichts Ungewöhnliches. Bei der Deutschen Bank wurden die Vorstände vor nicht einmal zehn Jahren noch gerügt, wenn sie bei Familienfeiern in einem Restaurant erwischt wurden. Man stelle angemessene Räumlichkeiten zur Verfügung, damit sich das Spitzenpersonal nicht in Speisegaststätten herumdrücken müsse. Korrupt ist, wenn man sich diese Vorteile erschleicht, sie sich hinten herum verschafft, sagt Scheuch. Und sich damit Anderen verpflichtet. Zu Geschäften, die man nicht gemacht hätte, wenn man nicht in der Schuld des Anderen stünde.

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