zum Hauptinhalt
Banker mit einer Schwäche für Schönes: Seit 2006 gehört Jörg Woltmann die Berliner Traditionsfirma KPM.

© Doris Spiekermann-Klaas

KPM-Eigentümer Woltmann: "Ich habe nichts gegen Ikea"

"Im Senat denkt man: Der Woltmann hat’s gekauft – und gut ist es." Jörg Woltmann ist Inhaber der Königlichen Porzellan-Manufaktur. Mit dem Tagesspiegel spricht er über Luxus in Krisenzeiten.

Herr Woltmann, ein Geständnis vorweg: Ich benutze Ikea-Geschirr. Ist das stillos?

Das ist überhaupt nicht stillos. Man muss nur unterscheiden: Trinkt man aus einer Tasse – oder trinkt man aus einer KPM- Tasse. Der Kaffee, den Sie gerade aus einer handgefertigten KPM-Tasse trinken, schmeckt besser. Die Tasse fühlt sich auch anders an. Man spürt, dass sie sorgfältiger hergestellt wurde und durch viele Hände gegangen ist. Man muss es erleben.

Und das nötige Kleingeld haben …

Das ist gar nicht so viel. Für die zwei Tassen aus dem Service „Urbino“, aus denen wir gerade trinken, zahlen Sie zusammen circa 160 Euro.

Und wenn ich sechs bis acht Personen bewirten will?

Dann sind Sie mit 5000 bis 6000 Euro dabei – und wirklich komplett und umfassend vom Feinsten ausgestattet.

Dafür kann ich bei Ikea eine ganze Küche ausstatten.

Ich habe überhaupt nichts gegen Ikea. Aber diese KPM-Tasse ist nicht nur ein Trinkgefäß, sie vermittelt ein Lebensgefühl, man trinkt daraus Kultur und Historie. KPM-Geschirr behält man ein Leben lang. Wir garantieren zum Beispiel, dass alle KPM-Teile nachbestellt werden können – seit Gründung der Manufaktur im Jahr 1763. Erst kürzlich kam ein Kunde, dem 15 Teile eines Services fehlten, welches wir 1906 ausgeliefert hatten. Wir haben ihm die Teile problemlos nachgefertigt. Bei KPM ist es wie bei den Autos. Sie kommen auch mit einem einfachen Wagen von A nach B. Aber mit einem Rolls- Royce ist es etwas anderes. Da ist der Weg das Ziel.

Es heißt, Luxus verkauft sich immer, selbst in der Krise. Ist das bei KPM auch so?

Im Inland haben wir die Krise kaum gespürt, auf einigen Exportmärkten etwas stärker, vor allem in Russland, Amerika und in einigen arabischen Ländern. Aber die Märkte erholen sich. Wir stellen fest, dass sich die Leute wieder auf bleibende Werte besinnen.

Wie erklären Sie sich diese Wertschätzung des Handgemachten, des Authentischen?

Dahinter steckt eine neue, grundsätzliche Wertschätzung für Menschen, die mit der Hand etwas Besonderes und Einzigartiges herstellen. Da gibt es eine Renaissance. In Deutschland gibt es großartige Handwerkskunst. Sie wird nur leider zu wenig gefördert, weil dahinter nicht sehr viele Arbeitsplätze stehen.

Die Deutschen sind zugleich Schnäppchenjäger, die beim Discounter kaufen und genau auf den Preis achten. Kann sich KPM diesem Trend entziehen?

Wir registrieren natürlich, dass es Angebote auf dem Markt gibt, die mit kleinen Preisen locken – vor allem aus China. Sonderangebote und Outlets gibt es auch bei direkten Wettbewerbern. Unsere Geschäftspolitik ist eine andere. Die Welt ist groß und wir sind im Verhältnis klein. Da werden wir schon genug Käufer für unser einzigartiges Porzellan finden. Trotzdem ist es schwer, wegen des aufwendigen Herstellungsprozesses schwarze Zahlen zu schreiben – nicht nur für uns – auch für unsere Mitbewerber. Über unsere Preis- und Geschäftspolitik würde ich aber eher nachdenken müssen, wenn wir 200 Millionen Euro oder mehr Umsatz machen müssten.

Zwingt Sie Ihr exklusiver Qualitätsstandard zur Bescheidenheit? Können Sie mit KPM überhaupt wachsen?

Mein Anspruch ist: Die KPM soll als beste Manufaktur der Welt anerkannt werden, die auch wirtschaftlich erfolgreich ist. Das bedeutet, wir müssen in der höchsten Qualität liefern. Ich will kein riesiger Porzellanproduzent werden. Würde die ganze Welt KPM haben wollen, könnten wir das gar nicht leisten. Unsere Produkte werden ja nicht von Maschinen, sondern von hochqualifizierten Künstlern hergestellt. So wird eine Porzellan-Malerin dreieinhalb Jahre ausgebildet und braucht dann noch einmal rund zehn Jahre, um höchstes Niveau zu erlangen. Schon deswegen sind wir limitiert. Wir können und wollen den Umsatz nicht vervielfachen.

Seit 2006 sind Sie alleiniger Eigentümer von KPM. Wie hat sich der Umsatz seitdem entwickelt?

Er ist leicht gestiegen – von damals etwa acht Millionen Euro auf heute knapp unter zehn Millionen Euro. 2012 wollen wir noch einmal um rund zwanzig Prozent zulegen. Rückwirkend muss ich sagen, es ist wie beim Hausbau: Es dauert länger und es wird teurer. Da ich Alleininhaber bin, muss ich glücklicherweise niemandem etwas abliefern und kann meine Philosophie, Qualität und Strategie ohne Kompromisse durchführen. Unser Ziel ist es, im kommenden Jahr – dem 250. Jubiläum der KPM – schwarze Zahlen zu schreiben.

Wie viel haben Sie dafür investiert?

Einen zweistelligen Millionenbetrag. Dabei ging es aber nicht nur um den operativen Verlustausgleich, sondern auch um erhebliche Investitionen in das KPM- Quartier, neue Galerien und das Marketing. Auch der Erhalt der rund 180 Arbeitsplätze war mit hohem finanziellen Aufwand verbunden. Ein Unternehmen wie die KPM mit einer 250-jährigen Geschichte hat auch museale Aufgaben zu übernehmen, die mit dem Geschäft gar nichts zu tun haben. Wir lagern und verwalten zum Beispiel 150 000 Herstellungsformen und ein umfangreiches Archiv. Diese Pflege kostet auch viel Geld.

Sie haben KPM samt allen Schulden gekauft. Sie hätten das Unternehmen auch günstiger aus der Insolvenzmasse übernehmen können. Warum nicht?

Ich habe es sicher damals spontan aus Patriotismus getan. Ich sagte mir, einer musste es ja machen und leicht kann jeder. Warum sollte ich auf dem Golfplatz rumlaufen? Und welcher Unternehmer bekommt schon die Chance, ein Kulturgut zu retten? Andere sammeln Kunst. Die KPM ist auch eine Art Kunstwerk, aber mit lebenden Menschen. Ich sage immer scherzhaft: Im Himmel habe ich einmal viel zu erzählen.

Beim Kauf haben Sie auch gesagt: Ich mache kein gutes Geschäft. Für einen Banker ein erstaunlicher Satz.

Man muss nicht immer ein gutes Geschäft machen. Sonst würden viele, auch soziale Projekte in diesem Leben nicht passieren. Ich gebe ja nur von dem etwas zurück, was ich bekommen habe.

Deshalb übernimmt man gleich einen Haufen Schulden, den andere gemacht haben?

KPM ist ja keine Konservenfabrik, die man mal eben aus der Insolvenzmasse kauft. Diese Manufaktur hat eine einmalige Historie – sieben Könige und Kaiser waren Eigentümer – da soll und darf es keinen Bruch geben. Langfristig gesehen sind es gut angelegte Marketingkosten, die mir die Investition wert war.

KPM-Gründer Friedrich der Große sagte, er sei sein bester Kunde gewesen. Wer sind heute Ihre besten Kunden?

Es sind kulturinteressierte Menschen. Auch Kunden, die sich jeden Monat nur ein Teil von KPM kaufen, eine Tasse, einen Teller, eine Vase oder eine Figur. Oder Liebhaber, die sich ihre Jacht, ihr Flugzeug oder ihren Bugatti mit KPM-Intarsien ausstatten lassen. Es sind übrigens häufig Männer, die zum ersten Mal die Faszination von Porzellan entdecken.

Meissen ist international bekannter als KPM. Spüren Sie das?

Bei der KPM ging es um den Erhalt eines Kulturgutes. Leider wurde es vor der Privatisierung etwas vernachlässigt. Es dauert, bis sich bei den Kunden herumgesprochen hat, welche Entwicklung die KPM in den letzten Jahren genommen hat. In der Fachwelt sind wir genauso bekannt und gelten als die führende Manufaktur für designorientiertes Porzellan. Schließlich stehen unsere Porzellane im Museum of Modern Art. Und wir tun viel mit unseren internationalen Partnern, um die KPM bekannter zu machen.

Ihnen gehört das älteste Unternehmen Berlins. Tut Berlin genug für seine wenigen wirtschaftlichen Perlen – wie KPM?

Ich habe den Eindruck, dass die KPM nicht nur in der Berliner Bevölkerung, sondern in ganz Deutschland und bei den Touristen eine größere Aufmerksamkeit und Wertschätzung genießt als im Berliner Senat. Dort denkt man wohl: Der Woltmann hat’s gekauft – und gut ist es. Ich hatte mir mehr Unterstützung erhofft.

In welcher Form?

Auf keinen Fall in Form von Zuschüssen oder Spenden. Wenn der Berliner Senat viel KPM verschenkt, freue ich mich schon. Aber die KPM wird nächstes Jahr 250 Jahre alt und das offizielle Berlin wird dieses tolle Ereignis wohl nicht besonders feiern. Es war eine große Ausstellung der führenden Museen vorbereitet worden, die leider nicht zustande kommt, weil Mittel der Lotto-Gesellschaft nicht bereitgestellt wurden. Bei dieser Ausstellung wären einzigartige Kultur- und Kunstschätze aus der ganzen Welt zu sehen gewesen. In Sachsen bringt man seinen Kulturgütern mehr Wertschätzung entgegen. In Berlin setzt man eben andere Prioritäten. So werden wir einiges selbst auf die Beine stellen – klein aber fein.

1979 haben Sie eine eigene Bank gegründet, seit sechs Jahren sind Sie zugleich Porzellanproduzent. Gibt es Gemeinsamkeiten?

Man muss nach höchsten Standards arbeiten, dann hat man keine Schwierigkeiten. Aber Banking ist etwas ganz anderes. Das macht vielleicht die Spannung meines Lebens aus. Ich bin Bankier mit Leib und Seele. Wenn man als Eigentümer mit seinem gesamten Vermögen haftet, dann diszipliniert das. Deshalb lege ich mein Geld auch nicht in Papiere an, die ich nicht verstehe und verkaufe sie deshalb auch nicht an meine Kunden. Ich setze auf langfristige Sicherheit. Morgens in der Manufaktur – nachmittags in der Bank.

Mit der Sie das Geld verdienen, das Sie in die Manufaktur stecken?

Nein, so schlimm ist es nicht. Das Geld verschwindet ja nicht in ein schwarzes Loch, sondern in ein einzigartiges Unternehmen. Meine Devise lautet: Am Ende ist die Ente fett.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

DER INHABER

Jörg Woltmann (65) ist seit 2006 Eigentümer der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM). Der gebürtige Berliner bewahrte die damals schwer angeschlagene Manufaktur vor der Insolvenz. Woltmann ist zugleich Banker: 1979 gründete er die Allgemeine Beamtenkasse Kreditbank. Dort ist er bis heute Vorstandsvorsitzender und Alleinaktionär. Woltmann ist verheiratet und hat eine Tochter, die als Designerin ebenfalls bei KPM arbeitet.

DIE MANUFAKTUR

KPM wurde 1763 von Friedrich dem Großen gegründet. Heute zählt das Unternehmen mit rund 180 Beschäftigten und einem Umsatz von rund zehn Millionen Euro zu den wenigen Herstellern in der Welt, die mit so langer Tradition hochwertiges Porzellan produzieren. Zwischen 1919 und 2006 befand sich KPM in Staatsbesitz. Im Jahr 2000 verkaufte der Berliner Senat das Unternehmen an die Investitionsbank Berlin, 2004 scheiterte ein erster Privatisierungsversuch.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false