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Wirtschaft: Krankenkasse droht mit Verfassungsgericht

KKH will Gesundheitsreform unbedingt verhindern

Berlin - Der Widerstand der Krankenkassen gegen die Gesundheitsreform wächst. Die Kaufmännische Krankenkasse KKH will sie zur Not mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht verhindern. Damit wendet sich die KKH gegen den Plan der Regierung, die Kassen vor dem Start des Gesundheitsfonds zum Schuldenabbau und zur gegenseitigen Finanzhilfe zu verpflichten. „Es wäre der Gipfel der Unverfrorenheit, wenn uns die Regierung zwingen würde, anderen Kassen beim Schuldenabbau zu helfen“, sagte Vorstandschef Ingo Kailuweit dem Tagesspiegel. „Wir würden unsere Versicherten unterstützen, wenn sie gegen diese Ungerechtigkeit vor Gericht ziehen wollen – auch wenn sie bis nach Karlsruhe gehen“, kündigte er an. „Bei einem Urteil in unserem Sinne würde die gesamte Reform in sich zusammenfallen“, beschreibt er das Kalkül der Krankenkasse.

Die KKH selber darf als Körperschaft öffentlichen Rechts nicht klagen, die Versicherten schon. Die Koalition will den rund 250 Krankenkassen hierzulande vorschreiben, zum Start des Gesundheitsfonds 2008 alle Verbindlichkeiten auf null gedrückt zu haben. Das ist für manche kaum zu schaffen. In den roten Zahlen stecken vor allem die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK). Die KKH, die viertgrößte Ersatzkasse, ist nach eigener Aussage indes schuldenfrei. Sollten die Regierungspläne Realität werden, „müssten unsere Beitragszahler für die unsolide Finanzpolitik anderer Kassen geradestehen“, monierte Kailuweit. „Wer zu wenig Geld hat, muss eben seinen Beitrag erhöhen“, verlangte er unpopuläre Maßnahmen vor allem von den AOKs. Überdies hätten es die jeweiligen Bundesländer versäumt, die Kassen stärker zum Schuldenabbau zu drängen.

Auch die geplante Zusatzprämie, die jede Kasse je nach Finanzbedarf erheben darf, stößt auf die Kritik des KKH-Vorstandschefs. „Die Zusatzprämie wird den Wettbewerb unter den Kassen verändern“, prognostizierte er. Die Leute würden wieder mehr auf den Preis, die Prämie also, schauen. Die Kassen würden bestrebt sein, sie möglichst niedrig zu halten und überall sparen, damit sie die gesunden, jungen Versicherten nicht verlieren. „Verzichtbare Leistungen, neue Versorgungsmodelle oder Präventionsangebote werden also gestrichen. Indem wir Wettbewerb um Gesunde betreiben, verlieren wir die Kranken aus dem Fokus“, sagte der KKH-Chef.

Ferner sind viele Details der Reform Kailuweit zufolge noch unklar. So müssten die Kassen in Zukunft gemäß den Standards des Handelsgesetzbuches (HGB) wirtschaften – das war bislang nicht der Fall. Unter den neuen Bedingungen seien sie aber dann auch verpflichtet, Rückstellungen zu bilden, etwa für Rentenansprüche, Altersteilzeit oder in das Folgejahr übertragenen Urlaub der Mitarbeiter. „Da kommen schnell ein paar Milliarden Euro zusammen – wer soll die zahlen?“, fragte der Kassenchef.

Kailuweit bekräftigte, dass ab 2007 die Beiträge zur Krankenversicherung stark steigen dürften. „Einige Kassen werden den Satz um bis zu einen Prozentpunkt anheben müssen.“ Im Schnitt werde es einen Aufschlag von 0,7 Punkten geben – derzeit liegt der Satz bei 14,2 Prozent. Die KKH selbst werde nicht so stark nach oben gehen müssen. „Die Koalition wollte stabilere Finanzen, eine gerechtere Lastenverteilung und eine bessere Versorgung. Mit der Reform erreicht sie aber genau das Gegenteil: Wir haben keine finanzielle Stabilität, und den Versicherten geht es immer mehr ans Portemonnaie“, kritisierte er und plädierte dafür, die Gesundheitsreform grundsätzlich zu überdenken. Für die Politik „wäre es ehrlicher zu sagen, wir bekommen mit den unterschiedlichen Interessen in der Koalition keine Reform hin und machen deshalb gar nichts“, sagte Kailuweit. „Das würden die Bürger eher akzeptieren als das derzeitige Reformchaos.“

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