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Wirtschaft: Krankenkassen unter Kontrolle

Neues Kartellrecht: Kooperationen im Gesundheitswesen werden erschwert, freie Tankstellen und der Verbraucherschutz gestärkt.

Berlin - Das Kartellrecht soll künftig auch für gesetzliche Krankenkassen gelten. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstagabend gegen die Stimmen der Opposition eine Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Die Bundesregierung will damit sicherstellen, dass die Kassen durch Zusammenschlüsse oder Absprachen nicht zu mächtig werden. Zugleich werden die Hürden für Pressefusionen gesenkt und der Verbraucherschutz gestärkt.

Krankenkassen. Besonders weitreichend sind die Folgen der Novelle für die gesetzlichen Kassen. Mit ihrer Unterstellung unter das Kartellrecht soll verhindert werden, dass sie sich etwa bei dem Angebot von Wahltarifen oder der Erhebung von Zusatzbeiträgen abstimmen und ihren Mitgliedern damit keine Wahlfreiheit mehr lassen. Die Reform soll zum 1. Januar 2013 in Kraft treten. Sie war bis zuletzt umstritten. Die Krankenkassen hatten kritisiert, dass damit – kostensparende – Kooperationen untereinander gefährdet würden. In der Novelle wird nun klargestellt, dass freiwillige Kooperationen weiterhin möglich sein sollen. Dazu zählen etwa die Kooperationsgemeinschaft Mammographie-Screening oder die gemeinsamen Vertretungen der Ersatzkassen auf Länderebene. Auch in der CSU hatte es bis zuletzt Vorbehalte gegen die Pläne von Wirtschaftsminister Philipp Rösler und Gesundheitsminister Daniel Bahr (beide FDP) gegeben. In CSU-Kreisen hieß es am Freitag, man habe nur eingelenkt, weil man davon ausgehe, dass der Bundesrat diesen Teil der Novelle ohnehin stoppen werde.

Verlage. Kritik gab es am Freitag auch an der geplanten Erleichterung für Verlage, die sich künftig leichter zusammenschließen können. Nach der GWB-Reform sollen Verlagshäuser solche Vorhaben künftig erst bei einem gemeinsamen Umsatz von 62,5 Millionen Euro beim Kartellamt anmelden müssen. Bislang lag die Aufgreifschwelle bei 25 Millionen Euro. Zugleich wird eine spezielle Klausel für sogenannte Sanierungsfusionen eingeführt. Danach ist der Zusammenschluss angeschlagener Verlage künftig unter bestimmten Voraussetzung selbst dann möglich, wenn dadurch eine marktbeherrschende Stellung entsteht. Die Reaktionen sind gespalten: Während die Verleger die Reform begrüßten, warnte der Deutsche Journalisten-Verband vor einer Gefährdung der Medienvielfalt.

Tankstellen. Die Novelle stärkt die Stellung der freien Tankstellen und verbietet sogenannte Preis-Kosten-Scheren jetzt auf Dauer. Nach Erhebungen des Bundeskartellamts verkaufen die großen Mineralölkonzerne kleinen Mitbewerbern Kraftstoffe zu einem höheren Preis als an ihren eigenen Tankstellen. Das ist zwar schon heute verboten, das Verbot war aber bis zum Jahresende befristet. Nun soll eine solche Differenzierung dauerhaft untersagt werden.

Verbraucherschutz. Verbraucherverbände erhalten künftig die Möglichkeit, Unternehmen wegen eines Kartellrechts-Verstoßes für Schäden in Anspruch zu nehmen, die viele Verbraucher betreffen. Zudem sollen die Kartellbehörden Unternehmen – etwa Energie- oder Wasserversorgern – auferlegen dürfen, Verbrauchern kartellrechtswidrig erwirtschaftete Vorteile zu erstatten.

Gerd Billen, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, sieht dennoch kaum Verbesserungen für die Verbraucher. „Für eine effektive Entschädigung der Verbraucher, auf deren Kosten Millionengewinne erwirtschaftet werden, legt das Gesetz die Hürden viel zu hoch“, kritisierte der Verbraucherschützer am Freitag. Die Novelle ermögliche den Verbraucherverbänden zwar formal eine Klage zur Abschöpfung von Unrechtsgewinnen, die Firmen durch kartellrechtswidriges Verhalten erzielt haben. Die juristischen und finanziellen Voraussetzungen seien dabei aber so anspruchsvoll, dass die neuen Regelungen kaum Wirkung zeigen dürften, sagte Billen.Heike Jahberg

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