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Gefährlich belastend. Beschäftigte in Krankenhäusern und Heimen fallen häufiger aus als andere Arbeitnehmer. Gründe dafür sind die körperlichen Strapazen und die unzureichende Personalausstattung in den Pflegeeinrichtungen.

© picture-alliance/ dpa

Krankenstand in Berlin-Brandenburg: Pflegen macht krank

In Berlin und Brandenburg fallen die Beschäftigten häufiger aus als im Bundesdurchschnitt. Das kostet 4,3 Milliarden Euro im Jahr.

Stechende Rücken- und Nackenschmerzen, ständige wiederkehrende Infekte oder Depressionen: Arbeitnehmer in Berlin und Brandenburg sind im Schnitt 20,1 Tage pro Jahr krankgeschrieben und stehen ihren Unternehmen dann nicht zur Verfügung. Mit Blick auf die mehr als zwei Millionen Beschäftigten der Region entspricht das einem Krankenstand von 5,5 Prozent – was ein Prozent mehr ist als der bundesweite Durchschnitt. Die Zahlen stammen aus dem vierten länderübergreifenden Gesundheitsbericht Berlin-Brandenburg, den das Cluster Gesundheitswirtschaft am Mittwoch vorstellte.

Die meisten Kranken in Marzahn

Die meisten kranken Erwerbstätigen gibt es in der Hauptstadt in Marzahn-Hellersdorf, gefolgt Reinickendorf und Spandau. Mit jeweils mehr als sechs Prozent ist der Anteil in diesen Bezirken am höchsten. Im Mittelfeld mit jeweils um die vier Prozent liegen Charlottenburg- Wilmersdorf, Mitte, Pankow und Steglitz-Zehlendorf. Der vor allem bei Studierenden und Kreativen beliebte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg schneidet am besten ab. Hier liegt die Quote bei 3,9 Prozent. In den Landkreisen und kreisfreien Städten in Brandenburg wiederum gab es in der Ostprignitz-Ruppin (6,6 Prozent) und in der Prignitz (6,6 Prozent) vergleichsweise viele Fehltage. Vergleichsweise niedrige Krankenstände verzeichneten die Statistiker in Potsdam (5,1 Prozent), Cottbus (5,5 Prozent), und Spree-Neiße (5,6 Prozent).

Erwerbsunfähig wegen psychischer Störung

„Diese Zahlen sind eindeutige Alarmzeichen. Wir müssen in allen Branchen klare Präventionsmaßnahmen tätigen.“, sagte Diana Golze (Linke), Ministerin für Arbeit Gesundheit und Soziales in Brandenburg, bei der Vorstellung des Berichts. Die Zunahme von psychischen Belastungen über sämtliche Branchen hinweg sei ein ernstes Thema. Zwar kommt es nach wie vor am häufigsten zu Muskel-Skelett-Erkrankungen, aber die Behandlung von Belastungsstörungen oder Depressionen dauert weitaus länger. Für eine Erwerbsminderungsrente sind psychische Störungen mittlerweile sogar in mehr als der Hälfte der Fälle der Auslöser, deutlich vor Krebserkrankungen mit 11,3 Prozent.

Altenpflege belastet besonders

Der vorgelegte Gesundheitsbericht beleuchtet die Fehlzeiten von rund zwei Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Region. Grundlage dafür sind die Daten der gesetzlichen Krankenkassen sowie der Unfall- und Rentenversicherungen. In diesem Jahr schauten sich die Autoren besonders die Gesundheitsbranche an, in der zehn Prozent der Arbeitnehmer beschäftigt sind. Besonders auffällig sind die Zahlen in der Altenpflege: So betrug der Krankenstand in dieser Berufsgruppe bei den Frauen in Berlin 9,2 Prozent und 9,1 Prozent in Brandenburg. Bei den Männern waren es 6,7 (6,4) Prozent. „Der Bericht macht deutlich, dass wir uns insbesondere mit der gesundheitlichen Situation von in Pflegeheimen und Krankenhäusern tätigen Pflegekräften beschäftigen müssen“, sagte Boris Velter, Staatssekretär in der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit.

Zu wenig Personal im Krankenhaus

Auf Grund des Personalmangels in Kliniken und Heimen sei die Arbeitsbelastung enorm. Kai Uwe Bindseil, der sich bei der Wirtschaftsförderung Berlin Partner um das Gesundheitscluster kümmert, sprach von „besonders besorgniserregenden“ Zuständen im Pflegebereich. Ansonsten fallen die Bereiche Wasserversorgung, Abwasser und Abfallentsorgung sowie die Öffentliche Verwaltung mit hohen Fehlzeiten auf. Eher weniger krank sind Beschäftigte im Baugewerbe, bei Finanz- und Versicherungsdienstleistungen und im Handel.

Die Arbeitnehmer in der Region fallen am Arbeitsplatz nicht nur überdurchschnittlich häufig aus, sondern haben mit zunehmendem Alter auch mit chronischen Leiden zu kämpfen – also Krankheiten, die sich über Monate oder Jahre hinziehen können. Für die Unternehmen ist das ein Problem, denn Krankschreibungen bedeuten Ausfälle und Kosten. In Berlin und Brandenburg verursachte der Krankenstand im Jahr 2016 Kosten in Höhe von rund 4,3 Milliarden Euro. „Moderne Informations- und Kommunikationstechniken machen das Arbeiten flexibler – sie führen aber auch zu mehr Arbeitsverdichtung, ständiger Erreichbarkeit und wechselnden Arbeitszeiten. Diese neue Freiheit darf nicht zulasten der Gesundheit gehen“, mahnte Ministerin Golze. Ihrer Meinung nach sollten die Betriebe noch mehr in das betriebliche Gesundheitsmanagement investieren.

Johanna Palla

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