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Abwrack

© dpa

Krisenpolitik: "Umweltprämie? Das ist ein Witz"

Viele haben es schon vergessen, aber eigentlich heißt die Abwrackprämie Umweltprämie. Denn: Die Abwrackprämie tut der Umwelt Gutes - behaupten zumindest ihre Erfinder. In Wahrheit wird durch sie aber zusätzliches CO2 in die Luft geblasen, sagt Experte Dieter Teufel.

Herr Teufel, das Umwelt- und Prognose-Institut (UPI), dessen Leiter Sie sind, berechnet die Umweltwirkung von Gesetzen und erstellt CO2-Bilanzen. Wie bewerten Sie die Abwrackprämie aus ökologischer Sicht?

Ganz exakt kann man die CO2-Bilanz der Abwrackprämie nicht berechnen. Es gibt aber Anhaltspunkte, um sie zu bewerten. Klar ist: Durch sie wird auf keinen Fall Kohlendioxid eingespart. Sie "Umweltprämie" zu nennen, ist ein Witz.

Warum?

Nehmen wir einmal an, ein Autofahrer lässt sein altes Fahrzeug verschrotten und kauft mit Hilfe der Prämie das gleiche Modell in Form eines Neuwagens. Der verbraucht aber in der Regel mehr Treibstoff und setzt dadurch mehr CO2 frei als das zehn Jahre alte Vorgängermodell. Zwar sind die Motoren sparsamer geworden, aber die Wagen haben mehr Leistung, sind schwerer und viel aufwändiger ausgestattet. Man fährt mit Klimaanlage, hat auch tagsüber das Licht an, ist auf Autobahnen schneller unterwegs. Das macht die Einsparung zunichte. Wenn jemand seinen alten Wagen gegen ein höherklassiges Fahrzeug tauscht, ist die Bilanz natürlich noch schlechter.

Die Leute könnten ihre Autos auch gegen kleinere Modelle tauschen, die günstiger sind. Gibt es denn Daten, die belegen, dass sie das nicht tun?

Solch genaue Daten gibt es nicht. Aber selbst wenn die Konsumenten vermehrt günstige Autos kaufen, heißt das noch lange nicht, dass sie sparsamer sind. Zudem müsste der Spritverbrauch eines Autos 15 bis 20 Prozent unter dem seines Vorgängers liegen, damit der Wechsel von einem Fahrzeug zum anderen nur CO2-neutral wäre. Das wird nicht erreicht. Deshalb ist das Ergebnis jeder Rechnung auf alle Fälle: Die Abwrackprämie erhöht den Kohlendioxidausstoß auf Deutschlands Straßen.

Wie kommen Sie auf die hohe Differenz von 15 bis 20 Prozent?

Mit einem neun oder zehn Jahre alten Auto kann man normalerweise noch eine Weile fahren. Während seiner Herstellung ist CO2 freigeworden – durch den Abbau von Erzen, ihre Verhüttung, die Weiterverarbeitung in der Stahlindustrie. Die Produktion der Bauteile, Komponenten und der Autos selbst verursacht CO2. Der Transport der Wagen oder ihrer Teile ebenso. Einer Faustregel zufolge wird während der Herstellung eines Autos rund 20 Prozent der Menge an CO2 freigesetzt, die später während seiner ganzen Betriebsdauer anfällt. Wenn Sie dieses Auto jetzt verschrotten, obwohl es noch fahrtüchtig wäre, werfen Sie einen Teil dieser Produktionsenergie weg. Zugleich verursacht die Produktion des Neuwagens, den Sie sich stattdessen anschaffen, ebenso viel neues Kohlendioxid.

Warum schaffen es die Hersteller nicht, neue Autos sauberer zu bauen?

Rein technisch könnten sie viel mehr schaffen. Aber sie folgen ihren ökonomischen Interessen. Sie bauen, was der Kunde nachfragt. Als die Benzin- und Dieselpreise im vergangenen Jahr stark stiegen, ist der Spritverbrauch in Deutschland sofort deutlich gesunken. Die Leute fuhren weniger und defensiver. Wäre der Treibstoff langfristig auf diesem Niveau geblieben, hätte das sicher Auswirkungen auf die Modellpalette gehabt.

So schnell können die Konzerne doch gar nicht reagieren.

Nein, denn die Autoindustrie funktioniert in langfristigen Zyklen. Die Entwicklung neuer Modelle dauert Jahre und ist sehr kapitalintensiv. In der Krise fehlt der Industrie  erst recht das Geld, um zu investieren. Da liegen große Potenziale brach.

Müsste die Politik da nicht nachhelfen?

Sie hätte zum Beispiel den Rückgang der Energiepreise durch eine Steuer ausgleichen können. Dann wären Benzin und Diesel teuer geblieben, und die Konzerne hätten einen langfristigen Anreiz gehabt, in die Entwicklung sparsamerer Autos zu investieren. Mit dem Geld hätte der Staat die Lohnnebenkosten niedrig halten können, ähnlich wie er das mit der Ökosteuer schon einmal getan hat. Das hätte dem Arbeitsmarkt geholfen.

Aus ökonomischer Sicht wäre das effizienter gewesen, als dem CO2-Ausstoß von Neuwagen absolute Grenzwerte zu setzen: Der Staat gibt stabile Rahmenbedingungen vor, in diesem Fall durch den hohen Treibstoffpreis, und die Konzerne können dann selbst sehen, wie sie damit umgehen.  

Und was hätte der Staat tun können, damit aus der Abwrackprämie tatsächlich eine Umweltprämie wird?

Prinzipiell ist die Subvention einer Sparte ökonomisch nicht sinnvoll. Aber wenn man es schon macht, hätte der Staat die Prämie nur für den Kauf von Autos zahlen können, die unter einem bestimmten CO2-Wert bleiben und die relativ strengen Schadstoff-Vorgaben der Euronorm 5 erfüllen. Die gibt es ja schon. Stattdessen orientiert man sich an der weniger rigiden Euronorm 4, die jedes neue Fahrzeug sowieso erfüllen muss. Das ist pure Augenwischerei. (ZEIT ONLINE)

Dieter Teufel ist Biologe und Systemanalytiker. Er leitet das UPI in Heidelberg.

Interview von Alexandra Endres

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