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Wirtschaft: Krisenstimmung unter Versicherungskunden

Börsenflaute berührt auch private Krankenkassen – Lebensversicherungen feilen an Rettungsgesellschaft

Berlin/München (hej/nad). Die privaten Krankenversicherer (PKV) haben vor Panik gewarnt. Der PKV-Verband bestätigte am Montag zwar, dass der Verband eine Kommission einrichten wolle, die sich mit den Konsequenzen der Börsenkrise für die Krankenversicherungsunternehmen beschäftigen soll. Es gebe aber derzeit kein Unternehmen, das seine bestehenden Verpflichtungen nicht erfüllen könne. Damit dementierten die Versicherer einen Bericht des Magazins „Capital“, dass einige private Kassen durch die Kursverluste an den Aktienmärkten in ihrer Existenz bedroht seien.

Auch die Allianz-Tochter Vereinte Krankenversicherung hat am Montag Entwarnung gegeben. „Anders als bei den Lebensversicherern sind Kapitalanlagen bei uns nur das I-Tüpfelchen", sagt Sprecherin Kathrin Ehrig. Der drittgrößte private Krankenversicherer will sich aber an den Beratungsgesprächen über eine Auffanglösung für finanziell angeschlagene Unternehmen beteiligen. Ihre Beitragssteigerungen will die Vereinte im Durchschnitt deutlich unter zehn Prozent halten. Für einige Versicherte werde es sogar gar keine Erhöhungen geben, versicherte Vorstandschef Ulrich Rumm.

Bei den Lebensversicherungen wird die Auffanggesellschaft für Kunden insolventer Unternehmen „noch einige Wochen“ dauern. Wie der Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Bernd Michaels, in einem Gespräch mit dieser Zeitung sagte, seien zunächst noch komplizierte Abstimmungsprozesse mit der Aufsichtsbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin), nötig. Aber: „Ich bin nicht sicher, ob es überhaupt einen Kandidaten für die Auffanggesellschaft geben wird“, beteuert Michaels. Auch bei der Aufsichtsbehörde sieht man „keinen akuten Handlungsbedarf“, betont BAFin-Sprecherin Sabine Lautenschläger-Peiter. Vertreter des BAFin und der Versicherungswirtschaft hatten in der vergangenen Woche die Einsetzung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe vereinbart, die die Details der neuen Auffanggesellschaft ausarbeiten sollen. Wenn klar ist, wie die Versicherung aussehen soll und welche Gesellschaften sich beteiligen, muss das Gemeinschaftsunternehmen auch bei den Wettbewerbsbehörden angemeldet werden. Noch ist offen, ob die EU-Kommission oder das Bundeskartellamt zuständig sind. Zudem müssen auch noch steuerrechtliche Fragen gelöst werden.

Fest steht dagegen bereits, dass der neue Notversicherer keine echte Firmengründung sein wird, sondern den Mantel einer bereits bestehenden, aber nicht mehr aktiven Lebensversicherung bekommen wird. Dieser Lebensversicherer soll im Notfall den Versicherungsbestand – Kunden und Kapitalanlagen – der Unternehmen übernehmen, die ihren Versicherten nicht mehr den gesetzlich vorgeschriebenen Garantiezins von 3,25 Prozent zahlen können und damit insolvent sind. Von den gut 120 Lebensversicherern, die es in Deutschland gibt, seien jedoch nur wenige gefährdet. „Die Zahl liegt im niedrigen einstelligen Bereich“, betonte der Verbandschef.

Nur wenige Gesellschaften gefährdet

Die neue Auffanggesellschaft wird ihren Zwangskunden in jedem Fall den Garantiezins zahlen. Nach einiger Zeit seien aber auch wieder höhere Überschussbeteiligungen möglich, sagte Michaels. Wenn die Börse wieder anzieht, könne das Unternehmen steigende Gewinne erwirtschaften. Zugleich seien die Kosten gering. Da der Notversicherer kein Neugeschäft betreiben wird, fallen keine kostspieligen Vertreterprovisionen oder sonstigen Vertriebskosten an.

Für angeschlagene Lebensversicherungsgesellschaften dürfte spätestens zum Jahresende die Stunde der Wahrheit schlagen. Denn rund die Hälfte der Unternehmen hat von einer neuen Bilanzierungsvorschrift Gebrauch gemacht, die sich jetzt als Bumerang erweisen könnte – Paragraf 341 des Handelsgesetzbuchs. Um die Märkte vor einer Verkaufswelle der Versicherer zu bewahren, brauchen die Gesellschaften vorübergehende Kursverluste in ihrer Bilanz nicht zu berücksichtigen. Fällt der Wert einer Aktie unter den Einkaufspreis, kann eine Abschreibung unterbleiben, wenn der Verlust nur temporär ist. Angesichts der desolaten Börsenverfassung dürften jedoch viele Wirtschaftsprüfer bei ihrem diesjährigen Abschlusstestat darauf pochen, dass die Lebensversicherer ihre Börsenverluste nun in ihre Bilanzen einstellen.

Die Kandidaten für den Notversicherer dürften spätestens dann feststehen. Bis es soweit kommt, könnten die Versicherungsgesellschaften allerdings noch Reserven mobilisieren, meint der Verbandschef. So gebe es noch finanzielle Puffer in der Rückstellung für Beitragsrückerstattung und beim Schlussüberschussanteilfonds (siehe Lexikon). Außerdem könnten zumindest die konzerngebundenen Lebensversicherer noch weitere Geldquellen auftun: durch Zuschüsse ihrer Muttergesellschaften oder Kapitalerhöhungen ihrer Aktionäre.

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