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Ein Junge mit Dengue-Fieber in einem Hospital in Jemen.

© Abduljabbar Zeyad/ rtr

Kritik an der Bundesregierung: FDP fordert mehr Engagement gegen Tropenkrankheiten

Mehr als eine Milliarde Menschen leiden weltweit an vernachlässigten Tropenkrankheiten. Aus FDP-Sicht müsste sich Deutschland dagegen weit stärker engagieren.

Ob Lepra, Dengue-Fieber oder Schlafkrankheit: An vernachlässigten Tropenkrankheiten (NTGs) leiden weltweit mehr als 1,5 Milliarden Menschen. Die Bundesregierung hat sich zum Kampf gegen diese Erkrankungen verpflichtet. Doch aus der Sicht des FDP-Experten Andrew Ullmann müsste sie hier „dringend mehr Engagement zeigen“. Es handle sich dabei um „eine globale Herausforderung, an der die Bundesregierung scheitert“, sagte der Fraktionsobmann und Vize-Vorsitzende des Unterausschusses Globale Gesundheit im Bundestag dem Tagesspiegel Background. „Ihre Mini-Maßnahmen helfen keinem.“

Als vernachlässigte Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs) definiert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 20 armutsbedingte Erkrankungen, die meist infektiöse Ursachen haben und – anders als etwa Malaria, Tuberkulose oder HIV/ Aids – bislang nur wenig Beachtung in Forschung und Politik finden. Dazu gehören beispielsweise bodenübertragene Wurmerkrankungen, die Bilharziose, das Dengue-Fieber, die sogenannte Flussblindheit, Lepra oder Schlafkrankheit. Weltweit sind nach WHO-Schätzungen von solchen Erkrankungen mehr als 1,5 Milliarden Menschen betroffen. An ihren Folgen sterben jährlich rund 500.000 Menschen.

„Die Bundesregierung muss endlich mehr liefern“

Anlass für Ullmanns Kritik sind die Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP, die dem Tagesspiegel Background vorliegt. Darin werde zwar „ein Sammelsurium an Maßnahmen“ aufgelistet, die „irgendwie in Zusammenhang mit vernachlässigten Tropenkrankheiten“ stünden. „Schaut man sich aber die Zahlen genauer an, dann zeigt sich eindeutig eine Diskrepanz zwischen Gewichtung des Themas für die Weltgesundheit und tatsächlichem finanziellen Engagement“, kritisiert Ullmann. „Die Bundesregierung muss endlich mehr liefern“, fordert der FDP-Abgeordnete, der auch Professor für Infektiologie an der Universitätsklinik Würzburg ist. Mit Programmen gegen NTDs würden schließlich nicht nur einzelne Krankheiten bekämpft, sondern vor Ort auch Gesundheitsinfrastrukturen aufgebaut.

Tatsächlich verweist die Bundesregierung auf mehr als zwei eng bedruckten Seiten en detail auf zahlreiche Maßnahmen, die in den vergangenen acht Jahren über vier Ministerien (Entwicklung, Forschung, Gesundheit und Umwelt) zur Bekämpfung von NTDs ergriffen wurden. Durch die „seit 2012 angestrengten Bemühungen“ seien „beachtliche Erfolge“ erzielt worden, heißt es in der Antwort von Gesundheits-Staatsekretärin Maria Flachsbarth. So sei die Krankheitslast vieler dieser Krankheiten etwa durch die Entwicklung neuer Diagnostika und Therapiemöglichkeiten sowie durch Programme zu Massenbehandlungen „auf einem neuen Tiefstand angekommen“. Allerdings räumte die CDU-Politikerin auch „Hürden und Hindernisse“ ein. Als Beispiele dafür werden politische Instabilität, Flucht und Migration, Klimawandel, antimikrobielle Resistenzen, begrenzter Zugang armer Bevölkerungsteile zu finanzierbaren Gesundheitsdiensten sowie die Gefahr von Fehldiagnosen aufgrund begrenzter Diagnostikkapazitäten in abgelegenen ländlichen Gebieten genannt.  

Hohe Erwartungen an Gipfeltreffen im Juni

Bereits im Jahr 2017 haben sich die Regierungschefs der G7-Staaten unter deutscher Präsidentschaft im bayerischen Elmau dazu bekannt, die genannten Krankheiten nachhaltig zu bekämpfen. Und dieses Jahr, so betont Ullmann, würden dafür „die Weichen gestellt“. Die WHO will eine Roadmap zur Bekämpfung beschließen, die Verabschiedung des neuen Zielkatalogs soll bei einem hochrangigen Gipfeltreffen am 25. Juni 2020 in Kigali (Ruanda) erfolgen. Hier müsse Deutschland einen „ehrgeizigen Beitrag“ zusagen, um die Umsetzung zu beschleunigen, fordert der FDP-Experte. „In diesem entscheidenden Jahr muss die Bundesregierung mehr Engagement zeigen." Es könne nicht sein,„dass sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmal sagen kann, ob vernachlässigte Tropenkrankheiten einen Schwerpunkt der neuen Strategie der Bundesregierung zur Globalen Gesundheit, die bereits für Ende des vergangenen Jahres angekündigt war, bilden“.

Gleichzeitig wünscht sich Ullmann eine bessere Koordinierung der Bundesressorts bei globalen Gesundheitsthemen. „Schwächen in der Koordinierung und Kohärenz“ beträfen nicht nur den Kampf gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten, sagt der FDP-Politiker. Es handle es sich dabei vielmehr um „ein generelles Problem, das sich durch alle Bereiche der deutschen globalen Gesundheitspolitik zieht“. Nötig sei „endlich eine strategische Koordinierungsstelle im Kanzleramt“.

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