zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Länder verlangen eigenen Ladenschluss – sofort

Hamburg und Schwerin wünschen sich längere Öffnungszeiten spätestens zum Weihnachtsgeschäft / Streit in der SPD

Berlin – Im Streit um die weitere Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten drücken die Länder aufs Tempo. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) wünsche sich bereits eine Lösung zum nächsten Weihnachtsgeschäft, sagte der Sprecher der Hamburger Wirtschaftsbehörde, Christian Saadhoff. Eine schnelle Einigung fordert auch Mecklenburg-Vorpommern. „Jetzt hilft nur massiver Druck auf Clement“, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Schwerin. Auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) drängt auf eine „zügige“ Reform. Dennoch dürfte mit neuen Ladenschlussgesetzen auf Länderebene nicht vor Herbst 2005 zu rechnen sein.

Am Mittwoch hatte das Bundesverfassungsgericht das bestehende Bundesgesetz zum Ladenschluss zwar für verfassungsgemäß erklärt, zugleich aber darauf hingewiesen, dass eine grundlegende Neuregelung der Ladenöffnungszeiten künftig Ländersache ist. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) will jetzt mit den Bundesländern in der Förderalismuskommission (siehe Kasten), die sich mit einer Änderung des Grundgesetzes beschäftigt, über eine Übertragung der Gesetzgebungsbefugnis an die Länder sprechen. Dieses soll so „schnell wie möglich“ erfolgen, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums.

Der Bund könnte jedoch auch außerhalb der Verfassungsreform das bestehende Ladenschlussgesetz aufheben und die Länder mit der Neuregelung beauftragen. Allerdings müsste Clement dann die politische Initiative ergreifen – und mit seiner eigenen Fraktion streiten. Denn anders als Clement hält der wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, nichts von einer Verlängerung der Ladenöffnungszeiten. „Die SPD-Bundestagsfraktion sieht sich bestätigt, das bestehende Gesetz so zu lassen wie es ist“, sagte Brandner. Auch der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, der SPD-Politiker Rainer Wend, „spürt keinen Handlungsdruck“. Allerdings will sich Wend Wünschen der Länder, den Ladenschluss auf Länderebene zu reformieren, nicht verschließen.

Die Gewerkschaft Verdi geht dagegen davon aus, dass der Bundestag eine weitere Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten durch neue Ländergesetze verhindern wird. „Das bestehende Gesetz ist verfassungskonform und kann weiter in Kraft bleiben“, sagte das für den Handel zuständige Verdi-Vorstandsmitglied Franziska Wiethold dem Tagesspiegel. Die Länder dürften erst neue Gesetze beschließen, wenn der Bundestag ihnen die Gesetzgebungskompetenz übertrage. Wiethold appellierte an die Abgeordneten, im Interesse der Beschäftigten an der aktuellen Regelung nichts zu ändern.

Das sehen viele Länder-Politiker anders. Fast alle Länder streben eine Ausdehnung der Öffnungszeiten bis hin zu einer völligen Freigabe des Ladenschlusses an Werktagen an. Dagegen sollen die Läden am Sonntag geschlossen bleiben. „Wenn die Länder eigenständig entscheiden können, wird Hessen den Sonntag schützen“, sagte etwa der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Nur Mecklenburg-Vorpommern will längere Öffnungszeiten auch am Sonntag prüfen, weil sich das Land einen Aufschwung für die touristischen Zentren des Küstenstaates erhofft. In einem Punkt sind sich aber alle Länder einig: Sie wollen das Thema Ladenschluss künftig selbst entscheiden.

In der Förderalismuskommission, die über eine Neuverteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern diskutiert, steht der Ladenschluss schon seit längerem auf der Tagesordnung. In der Kommission ist das Thema kaum strittig. Sollte der Ladenschluss also per Verfassungsreform Ländersache werden, müsste kein eigenes Bundesgesetz mehr erlassen werden, das die Materie an die Länder delegiert. Doch das dauert: Die Kommission arbeitet noch mindestens bis zum Jahresende. Konkrete Beschlüsse wird es bis dahin nicht geben, die Umsetzung der Verfassungsreform in Bundestag und Bundesrat dürfte dann noch einmal Monate dauern. Bis zur Umsetzung in Landesrecht würde dann wohl noch einmal ein halbes Jahr vergehen. Vor Herbst 2005 ist also mit regionalen Ladenschlussgesetzen nicht zu rechnen.

Unterstützung erhalten die Länder von den Grünen. Grundsätzlich sei es richtig, die Entscheidung über Öffnungszeiten auf die Länderebene zu verlagern, sagte die Fraktionsvorsitzende Krista Sager. Der grüne Mittelstandspolitiker Hubert Ulrich regte an, über ein „City-Privileg" zu diskutieren. Die Einkaufszentren auf der grünen Wiese sollten früher schließen müssen als die Läden in der Innenstadt. „So kann man die Innenstädte stärken", sagte Ulrich dem Tagesspiegel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false