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Wirtschaft: Länderfinanzausgleich: In der Finanzpolitik schiebt sich der Nord-Süd-Gegensatz über den Ost-West-Konflikt (Kommentar)

Die entscheidende finanzpolitische Spaltungslinie in Deutschland verläuft nicht mehr zwischen Ost und West. Sie trennt heute Nord und Süd.

Die entscheidende finanzpolitische Spaltungslinie in Deutschland verläuft nicht mehr zwischen Ost und West. Sie trennt heute Nord und Süd. Im Süden liegen die reichen, die erfolgreichen Länder. Im Norden die strukturschwächeren und ärmeren. Der Süden aber ist es leid, über den Länderfinanzausgleich und den Solidarpakt - neben dem Bund - die ärmeren Verwandten weiter kräftig zu unterstützen. Bayern, Baden-Württemberg und Hessen wollen einen größeren Teil des bei ihnen erwirtschafteten Wohlstandes für sich behalten. Sie wollen mehr Wettbewerb unter den Ländern. Die Folge: größere Unterschiede als bislang.

Wenn Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) aus dem Sommerurlaub zurückkehrt, wird ihn das Thema zunehmend beschäftigen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss der Länderfinanzausgleich neu geregelt werden. Wie das in den Grundsätzen aussehen wird, soll bis 2002 in einem so genannten Maßstäbegesetz vereinbart werden. Gleichzeitig geht es darum, ob der Solidarpakt mit den ostdeutschen Ländern ab 2004 verlängert wird. Die Südländer tun sich schwer damit. Bald 15 Jahre wird die Wiedervereinigung dann zurückliegen. Muss man dann wirklich immer noch zwischen Ost und West unterscheiden?

Man muss. Es ist gewiss richtig, dass es in Sachsen oder in Thüringen bereits einzelne Inseln des Wohlstandes gibt, die besser dastehen als strukturschwache Landstriche in, sagen wir, Niedersachsen. Auch im Osten bildet sich, wie in der alten Bundesrepublik, ökonomisch ein Süd-Nord-Gefälle aus. Daraus ist aber nicht abzuleiten, man könne auf einen Solidarpakt II nun verzichten. Noch immer hängt der Osten als Ganzes weit zurück. Er bleibt trotz der erkennbaren Fortschritte noch über Jahre auf Hilfen bei Investitionen in die Infrastruktur angewiesen. Für die muss nicht der Bund allein aufkommen, die westlichen Bundesländer sollten sich nicht aus der Solidarität stehlen. Täten sie das, leisteten sie einer Entwicklung Vorschub, die die neuen Länder auf Dauer abkoppelt. In den strukturschwachen Regionen des Ostens würden sich Armenhäuser bilden, die niemals vom Tropf loskommen.

Richtig ist, dass die Förderung anders organisiert werden muss. Sie muss transparenter werden, soll sie im Westen weiter auf Akzeptanz stoßen. Und sie muss, stärker als bisher, dorthin fließen, wo sie gebraucht wird. So wird es auch kommen, denn Bund und Länder haben sich bereits darauf verständigt, dass die Aufbauhilfen nach 2004 fortgesetzt werden.

Die Regierungen in München, Stuttgart und Wiesbaden werden dennoch versuchen, im Finanzausgleich für die gesamte Bundesrepublik etwas mehr in ihren Kassen zu halten. Warum nicht das Niveau des gesamten Finanzausgleichs von derzeit 99,5 Prozent der durchschnittlichen Finanzkraft senken? Der Wettbewerb zwischen Ländern würde ihnen schließlich auch ein Stück Gestaltungsmacht zurückgeben, die sie verloren haben. Die Frage ist, wie weit das gehen darf und wann die Solidarität der Starken mit den Schwachen greifen muss.

Mit ihren weit gehenden Vorstellungen werden sich Hessen, Bayern und Baden-Württemberg nicht durchsetzen. Nicht weil Gerhard Schröder ein "Kanzler des Nordens" ist, wie Stuttgarts Finanzminister Gerhard Stratthaus unlängst zornig meinte. Sondern weil der Bund den Ausgleich sonst alleine zahlen muss. Schon die Kosten der Vereinigung haben die Westländer gerne auf den Bund abgeschoben.

Der Norden hat nun mal andere Interessen als der Süden. Das hat sich deutlich im Vermittlungsverfahren um die Steuerreform gezeigt. Die Strategie von CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz, die Reform im Bundesrat gegen die Wand fahren zu lassen, wurde von der Süd-Schiene der Union entwickelt. Die Interessen der Parteifreunde im Norden haben die Akteure dabei leichtfertig ausgeblendet. Das Ergebnis dieses Nord-Süd-Konflikts ist bekannt. Es gibt vieles, was für mehr Wettbewerb zwischen den Ländern spricht. Wenn die Südländer ihn durchsetzen wollen, sollten sie sich aber vor dem Eindruck hüten, ihr einziges Ziel sei es, sich aus der Solidarität zu flüchten.

Carsten Germis

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