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Wirtschaft: Lafontaine fühlt sich von Zinsschritt bestätigt

BERLIN (Tsp/HB).Die Senkung der Leitzinsen in Europa ist von Politikern, Gewerkschaften und Verbänden in Deutschland durchweg positiv aufgenommen worden.

BERLIN (Tsp/HB).Die Senkung der Leitzinsen in Europa ist von Politikern, Gewerkschaften und Verbänden in Deutschland durchweg positiv aufgenommen worden.Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine (SPD) zeigte sich mit der Entscheidung zufrieden.Wichtig sei, daß die Arbeitslosigkeit abgebaut werde.Es müsse aber auch weiter auf Preisstabilität geachtet werden.Lafontaine hatte die Bundesbank mehrfach zu Zinssenkungen aufgefordert.

Nach Auffassung des Bundesverbandes deutscher Banken entspricht der Zinsbeschluß "den gegenwärtigen Marktgegebenheiten".Negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Preisniveaus seien nicht zu befürchten, erklärte der Verband in Köln.Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) müsse der Zinsbeschluß Signalcharakter für die Europäische Zentralbank haben.Der DGB forderte niedrige Zinsen für ganz Europa.Als vorbeugende Maßnahme gegen eine weitere Stimmungsverschlechterung in der Wirschaft bewertete der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken die Zinssenkungsaktion.Vor dem Hintergrund einer globalen Wachstumsabschwächung sei die geldpolitische Lockerung angemessen und stabilitätspolitisch vertretbar.

In einer abgestimmten Aktion haben alle elf Notenbanken der Euroländer ihre Leitzinsen gesenkt.Das Gros der Analysten führt die überraschende Entscheidung in erster Linie auf die absehbarer Konjunkturflaute in Europa und weniger auf politischen Druck zurück."Die Inflation ist sehr niedrig, die Unsicherheit über den Konjunkturverlauf in Europa sehr hoch - das sind die fundamentalen Gründe", sagte Rob Hayward von der Bank of America zu der Entscheidung der Notenbanken, ihre Geldpolitik zu lockern.Für Politiker wie Bundesfinanzminister Lafontaine habe es sich offenbar gelohnt, die Notenbanken in den vergangenen drei Wochen nicht weiter zu bedrängen.

In der Rückschau sei jetzt klar, daß der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, mit seinen öffentlichen Äußerungen der vergangenen Tage Signale für eine bevorstehende Zinssenkung gegeben habe, hieß es unter Währungsfachleuten am Donnerstag.Sie verwiesen dabei auf Duisenbergs Bemerkungen, die Notenbanken würden alles in ihren Möglichkeiten Stehende tun, um den Kampf gegen die "unakzeptabel hohe Arbeitslosigkeit" zu unterstützen.Wichtig sei vor allem gewesen, daß immer mehr Indikatoren auf ein nachlassendes Vertrauen der Unternehmen in die wirtschaftliche Entwicklung hingewiesen hätten, sagte David Brown von der Investmentbank Bear Stearns in London.

Zu der Zinsentscheidung habe aber auch beigetragen, daß Politiker wie Lafontaine offenbar ihre Lektion verstanden hätten,betonte Brown."Und diese Lektion lautet: Wenn ihr die Notenbanken nur unabhängig ihre Arbeit machen laßt, werden sie letztlich das tun, was Euren Wünschen entspricht." Lafontaine und andere sozialdemokratische Politiker hatten kurz nach dem Regierungswechsel in Bonn zunächst die europäischen Notenbanken bedrängt, die Zinsen zu senken.In den vergangenen zwei, drei Wochen und damit nach einem Treffen Lafontaines mit dem Zentralbankrat der Bundesbank waren diese Forderungen nicht mehr öffentlich wiederholt worden.

Tatsächlich sieht auch der deutsche Zentralbankrat mit Skepsis in die Zukunft.Die Sorge besteht, daß sich im europäischen Wirtschaftsraum in den nächsten Monaten die Konjunktur tatsächlich verschlechtern wird."Das internationale Umfeld birgt erhebliche Risiken", hieß es am Donnerstag in Frankfurt.Die Krisen in Rußland, Asien und in den Rohstoffländern seien noch längst nicht ausgestanden.

Insgesamt habe sich das Stimmungsbild in der Wirtschaft bereits deutlich eingetrübt, die Erwartungen für das Wachstum seien nach unten korrigiert worden."Eine Rezession sehe ich allerdings nicht." Die "eindeutig zu hohe" Arbeitslosigkeit, so der Bundesbank-Präsident, sei aber vor allem strukturell bedingt.Andererseits würden andere wichtige Faktoren eine Zinssenkung erleichtern: Der monetäre Rahmen und damit das Wachstum der Geldmenge seien stabil, es gebe keine Inflationsrisiken."Die Währungsunion startet ohne inflatorische Hypothek".

Insgesamt setzt Tietmeyer darauf, daß die "koordinierte Zinssenkung" dem Pessimismus in den Unternehmen begegnen und die Finanzmärkte beruhigen könnte."Aber man sollte damit auch keine übertriebenen Erwartungen verbinden." Die Notenbanken haben mit der letzten eigenständigen Zinssenkung nach Auffassung von Tietmeyer ihre Arbeit getan.Jetzt müsse die Politik in den einzelnen EWU-Staaten durch die strikte Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und damit durch ausgeglichene Etats oder Haushaltsüberschüsse, durch wachstumfördernde Steuerreformen ihren Beitrag für einen stabilen Euro leisten.Dort müßten sich auch die Tarifpartner mit einer moderaten und beschäftigungsfördernden Lohnpolitik einreihen.

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