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Hühner

© Rückeis

Landwirtschaft: Alle müssen Federn lassen

Die alten Käfige sind jetzt verboten. Das macht den Haltern Probleme, und den Hennen bringt es nichts.

Roggosen - „Sehen Sie, da ist noch nicht mal Rost dran – die Käfige sind niegelnagelneu“, sagt Egon Ehlenberger, Geschäftsführer des Ehlego Landhofs in Roggosen bei Cottbus. Etwa achtzig Meter lang ist der Gang, in dem wir stehen. Ein leises Gurren liegt in der Luft, und rechts und links reihen sich auf vier Stockwerken die Käfige mit den Legehennen. Jeder ist ein Meter lang. Und in jedem finden neun Tiere Platz und machen große Augen bei so viel Besuch. Wobei der Begriff „Platz“ nicht so recht passt: Die Hennen stehen auf Gittern, sie können sich bewegen und die Plätze tauschen – aber mit den Flügeln schlagen oder gar Umherrennen, das geht nicht.

Anfang der 90er hat Egon Ehlenberger den Betrieb übernommen und beschäftigt seither 100 Mitarbeiter. Rund 1,4 Millionen Legehennen leben hier in zehn großen Legebereichen. 30 Millionen Euro hat die Umrüstung auf die modernen Käfiganlagen gekostet. Ende des Jahres sind diese abbezahlt – und wertlos. Denn seit Anfang dieses Jahres gilt in Deutschland eine neue Legehennenverordnung, die die herkömmliche Käfighaltung verbietet. Bisher musste eine Henne bei der Käfighaltung mindestens 550 Quadratzentimeter Platz haben. Das ist weniger als ein DIN-A4-Blatt. Jetzt müssen Käfighennen in sogenannten Kleingruppen gehalten werden. 40 bis 60 Tiere leben dann in einer Voliere zusammen. Jedes Huhn bekommt einen Lebensraum von etwa 800 Quadratzentimetern, das ist verglichen mit der alten Ordnung ein halbes DIN-A4-Blatt mehr. Tierschützern ist das noch immer viel zu wenig. Egon Ehlenberger hat mit den Käfigen kein Problem: Man rede hier von Massennutztierhaltung. Für Bauernhofromantik ist er nicht zu haben.

Ein Jahr Übergangszeit haben viele Hühnerhalter für den Umbau. Doch die meisten werden diese Zeit anders nutzen, sagt der Zentralverband der Geflügelwirtschaft (ZDG). Sie stellen auf Bodenhaltung um. Das will auch Egon Ehlenberger tun, wenn er weiß, wie er den erneuten Umbau finanzieren soll.

44 Millionen Euro würde die Umstellung kosten. Mit dem Geld will Ehlenberger pro Legebereich zwei Volieren bauen. In jeder Voliere könnten dann etwa 45 000 Hühner zusammenleben. Aber 44 Millionen Euro sind für den Hühnerhalter eine Menge Geld, auch wenn das Land Brandenburg 25 Prozent übernimmt. Nur fünf Prozent Eigenkapital kann der Betrieb selbst aufbringen. Der Löwenanteil fehlt, und die Wirtschaftskrise macht die Finanzierung über Bankkredite schwierig. Seit etwa einem Jahr führt der Geschäftsführer mit den Banken Gespräche. Die wenigen, die nicht gleich abgewunken haben, verlangen einen Eigenkapitalanteil von mindestens 50 Prozent. „Noch vor wenigen Jahren hätten 30 Prozent ausgereicht“, meint Ehlenberger. Mit dem Geld vom Ministerium und dem, was er noch hat, hätte das gereicht. Doch jetzt sind die Zeiten anders. Zwar legen seine Hennen jeden Tag eine Million Eier, aber die Eierpreise schwanken, und die Schulden der letzten Jahre mussten beglichen werden. „Ich bin kein Millionär“, sagt Ehlenberger. Dennoch müsste der Umbau bald beginnen: „Sonst müssen wir dichtmachen.“

Andere Länder lassen ihren Hühnerbaronen mehr Zeit. Etwa in Frankreich, Spanien oder Italien dürfen die alten Käfige noch bis zum Jahr 2012 benutzt werden. Deren Käfig-Eier sind dann billiger als die deutschen. Der Anteil deutscher Eier am Gesamtverkauf wird von 78 Prozent auf etwa 35 Prozent sinken, fürchtet der ZDG.

Wirklich? Aldi, Lidl, Edeka oder Rewe haben nämlich bereits angekündigt, langfristig auf den Verkauf von Eiern aus Käfig- und Kleingruppenhaltung zu verzichten. Sie wollen sich auf Boden- und Freilandhaltung beschränken – weil viele Verbraucher keine Käfig- Eier mehr wollen.

In einem Teststall von zehn Metern Länge betreibt Ehlenberger bereits Bodenhaltung. Rund 1000 Hühner bewegen sich hier frei auf dem Boden und auf erhöhten Ebenen, in denen sich auch die abgeschirmten Nester befinden. Aber „frei“ sind auch sie nicht. Stattdessen stehen sie dicht an dicht. Der Kot fällt auf den Boden, Infektionskrankheiten drohen. Überall riecht es nach Ammoniak, nicht auszudenken, was erst los ist, wenn einmal 45 000 Hühner zusammenleben. Viel mehr Impfungen sind dann nötig, sagt Ehlenberger. Zudem werden die Verletzungen zunehmen, weil man aggressive Tiere schlechter aussondern kann. Bodenhaltung – das mögen viele Verbraucher für einen Fortschritt halten. Für Ehlenberger ist das ein Rückschritt.

Miriam Braun

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