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Wirtschaft: Langweiliger Name und gar nicht hip - aber jetzt wird die Aktie des Walldorfer Unternehmens wieder im Aufind gesehen

SAP ist die Abkürzung für "Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung". Eine nüchterne Bezeichnung für ein aufregendes Unternehmen, das in Walldorf, mitten in der deutschen Provinz, sitzt.

SAP ist die Abkürzung für "Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung". Eine nüchterne Bezeichnung für ein aufregendes Unternehmen, das in Walldorf, mitten in der deutschen Provinz, sitzt. SAP entwickelte sich seit der Gründung 1972 von einer kleinen Softwareschmiede zum heute weltweit führenden Anbieter von betriebswirtschaftlicher Anwendungssoftware mit einem Marktanteil von rund 33 Prozent. Wachstumsraten von 50 bis 60 Prozent sowohl für Umsatz wie für Ertrag waren in den vergangenen Jahren durchaus üblich. Deutschlands erfolgreiches Vorzeigeunternehmen wurde zum Renner auf deutschem und seit 1998 New Yorker Börsenparkett: Dem steilen Aufstieg der Vorzugsaktie bis knapp 680 Euro im vergangenen Jahr folgte jedoch der Absturz auf unter 260 Euro. Die hochgesteckten Umsatz- und Ertragserwartungen der Anleger wurden von der Realität überholt. Konjunkturelle Einbrüche speziell in Asien, aber auch in den USA und Europa führten zu Nachfrageausfällen. Hinzu kam der Sondereffekt "Jahr-2000". Obwohl gerade das eigene Produkt SAP/R3 als "Jahr-2000-fest" gilt, führte die Unsicherheit über das Ausmaß des "Millenniumproblems" bei vielen Kunden dazu, ihre EDV-Budgets zu blockieren beziehungsweise die knappe Personalkapazität auf die Überprüfung bestehender Systeme statt auf die Installation neuer Programme zu konzentrieren. Dämpfend wirkte darüber hinaus die Auffassung, SAP habe den Anschluss an die Internet-Entwicklung verloren.

Diese Sondereffekte, verbunden mit der allgemeinen Korrektur am Aktienmarkt, führten dazu, dass viele Anleger, um ihre Verluste zu begrenzen, zu Tiefstpreisen verkauften. Wer die Nerven behalten hatte und sich nicht von diesem Wert trennte, konnte im Laufe dieses Jahres einen Wiederanstieg bis auf knapp 430 Euro beobachten. Inzwischen liegt der Kurs bei 400 Euro - mit hohen täglichen Schwankungen. Doch es sollen bessere Zeiten kommen. Vorstandssprecher Hasso Plattner verkündete auf der Fachmesse Sapphire in Nizza "einen grundlegenden Wechsel unserer Strategie", verbunden mit dem Einstieg ins Internet-Zeitalter. Mit der Einführung von "MySAP.com" habe man der Tatsache Rechnung getragen, dass das bisherige Standardprodukt SAP/R3 nicht mehr alle Anwender zufrieden stelle.

Alfred Schöngraf vom Bankhaus Delbrück & Co. sieht mit dieser stärkeren Hinwendung zum Internet die Lücke in der Produktausrichtung geschlossen. Er vertraut darauf, dass auf Grund der bisherigen Marktführerschaft auch weiter niemand an SAP vorbeikomme. "Das Jahr-2000-Problem ist in der Industrie abgeschlossen", erläutert er und sieht Wachstumspotenzial bei der Produktfamilie R/3 und bei den Entwicklungen von branchenspezifischen Lösungen. Nischenmärkte, die bisher vorwiegend von kleineren Anbietern beackert werden, würden zunehmend von "den Großen" geschluckt. Schöngraf empfiehlt, die Aktie überzugewichten, und sieht noch Kursspielraum nach oben, wobei er nicht an alte Höchststände denkt.

Ganz anders die Einschätzung der Analysten der WestLB, die das Papier nach Veröffentlichung der Halbjahreszahlen Ende Juli auf "Underperformer" (unterdurchschnittlich) herabstuften. Sowohl die operativen Ergebnisse als auch die neue Fokussierung der Geschäfte ließen Zweifel daran aufkommen, dass die von SAP selbst vorgegebenen Ziele realisiert werden könnten.

Genauso kritisch ist M.M.Warburg Investment, dessen Verkaufsempfehlung sich hauptsächlich auf die im Vorfeld des Jahrtausendwechsels schwachen Umsätze im R/3-Lizenzgeschäft stützt. "Zu spät und zu teuer", kommentierten einige Analysten auch die Ankündigung, "MySAP.com" erst im dritten Quartal 99 einzuführen.

Andere sehen die Situation gelassener: Alexander Blaich von der Banque Nationale de Paris setzt auf Wachstumschancen von SAP sowohl mit Standardprodukten als auch mit "New Dimension"-Produkten. Potenzial böten auch die strategischen Allianzen bzw. Kooperationen mit IBM, HP, UUNET und anderen großen Unternehmen. Blaich erwartet zwar über die kommenden Monate eine instabile Seitwärtsbewegung beim Kurs. Er rät den Anlegern deshalb abzuwarten, bis sich gute Kaufgelegenheiten bieten. Der Kurs werde aber kaum unter 350 Euro fallen. Auf längere Sicht werde sich die Aktie sogar überdurchschnittlich entwickeln. Der Gewinn je Aktie wird von ihm mit 6,2 Euro für 1999, 8,1 Euro für 2000 und 10,6 Euro für 2001 vorhergesagt.

Auch andere Experten sind optimistisch: So gaben die Analsyten des Investmenthauses Lehman Brothers kürzlich eine klare Kaufempfehlung ab. Fazit: SAP bleibt langfristig eine hochinteressante Aktie. Aber eine Rückkehr zu den alten, übersteigerten Kursfantasien sei vorerst nicht zu erwarten.

Susanne Lawrene

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