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Der deutsche Steuerzahler fürchtet, dass er wegen der Euro-Krise noch tief in die Tasche greifen muss.

© dpa

Langzeitstudie: Was die Deutschen fürchten

Eine Langzeitstudie zeigt, dass in diesem Jahr nur eine Angst den deutschen Steuerzahler mehr schreckt als Terror und Naturkatastrophen: mögliche Folgekosten der Euro-Krise.

Von Ronja Ringelstein

Fast zwei Drittel der Bundesbürger befürchten, dass die Euro-Schuldenkrise für den deutschen Steuerzahler teuer werden könnte. So lautet ein Ergebnis der diesjährigen repräsentativen Umfrage, die die R+V Versicherung von Anfang Juni bis Mitte Juli dieses Jahres durchgeführt hat. Seit 1992 befragt das R+V Infocenter Wiesbaden in einer Langzeitstudie jährlich rund 2400 Bundesbürger ab 14 Jahren zu ihren größten wirtschaftlichen, politischen und persönlichen Ängsten. Vor fünf Jahren wurde der Fragenkatalog um einen Komplex zur Schuldenkrise in der Eurozone erweitert.

Jeder Zweite befürchtet, die Schuldenkrise gefährde den Euro

64 Prozent der Befragten fürchten demnach mögliche Folgekosten der Eurokrise – dieser finanzielle Aspekt ist damit derzeit die größte Sorge der Deutschen. Zwischen 2012 und 2014 hatte diese Angst dagegen kontinuierlich abgenommen. Jeder Zweite hat außerdem die Befürchtung, dass die Schuldenkrise den Euro als Währung gefährdet.

„Den nach finanzieller Sicherheit strebenden Deutschen sitzt die Angst ums liebe Geld seit jeher im Nacken“, sagte Manfred Schmidt, Politologe an der Universität Heidelberg und Berater des R+V Infocenters, der die Ergebnisse der Studie am Donnerstag in Berlin vorstellte.

Bezüglich der wirtschaftlichen Lage Deutschlands sind die Deutschen entspannter

Bei vorangegangenen Umfragen hätten andere wirtschaftliche Sorgen wie eine Wirtschaftsflaute Deutschlands überwogen. Hier seien die Deutschen in der vergangenen Zeit entspannter geworden. Die positiven Konjunkturprognosen und die sinkende Arbeitslosenquote würden sich in den aktuellen Zahlen widerspiegeln. Noch nie seien die Befragten mit Blick auf die wirtschaftliche Lage so optimistisch gewesen wie in diesem Jahr. Immerhin sind es aber doch noch 40 Prozent der Befragten, denen die ökonomische Entwicklung Sorgen bereitet.

Es gibt Unterschiede zwischen West und Ost

Auf dem niedrigsten Stand seit der ersten Umfrage 1992 sind auch die Ängste um die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Nur 32 Prozent gaben an, sich um den Verlust ihres Jobs zu sorgen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen Ost und West: Während in den neuen Bundesländern 39 Prozent der Bevölkerung um den eigenen Arbeitsplatz bangen, sind es in Westdeutschland nur 30 Prozent. Diese Tendenz sei aber nicht überraschend und damit zu erklären, dass die Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern mit neun Prozent höher sei als im Westen, wo sie bei knapp sechs Prozent liegt.

Berlins größte Sorge sind steigende Lebenshaltungskosten

Eine Sorge, die die Deutschen in den vergangenen 20 Jahren immer sehr beschäftigte, war jene um steigende Lebenshaltungskosten – sie sank in diesem Jahr um zehn Prozentpunkte auf ein Rekordtief von 48 Prozent. Allerdings nur im Bundesdurchschnitt. In Berlin rangiert genau diese Angst ganz oben. 56 Prozent der Berliner Befragten fürchten steigende Kosten. Das sei allerdings eine typische „Großstadtangst“, erklärte Rita Jakali, Leiterin des R+V Infocenters.

Deutsche haben vor allem Angst vor Bedrohung von außen

An den Zahlen der Studie lässt sich ablesen, dass die Deutschen wachsende Angst vor Bedrohungen haben, die von außen kommen. Neben den Befürchtungen in Bezug auf die Euro-Schuldenkrise spielen Angst vor Naturkatastrophen, Terror und Krieg eine größere Rolle als in den vergangenen Jahren. Und: „Jeder zweite Bundesbürger hat Angst vor Konflikten durch Zuwanderung und politischen Extremismus“, sagte Jakali. Der größte Flüchtlingsstrom seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges löse bei vielen Ängste aus. 50 Prozent der Befragten hätten Sorgen, dass es durch einen Zuzug von Ausländern zu Spannungen komme und dass die Zahl der Asylbewerber die Behörden überfordere.

Dass Befragte aus den neuen Bundesländern mehr Angst haben als die aus dem Westen Deutschlands, zeigt sich besonders bei diesen Themen. Spannungen durch den Zuzug von Ausländern befürchten im Osten 55 Prozent, im Westen hingegen 47 Prozent. „Viele Ostdeutsche glauben, sie erhielten keinen gerechten Anteil am Wohlstand des Landes. Und diese empfinden Zuwanderung als eine Zumutung“, suchte Schmidt eine Erklärung für das Phänomen. Allerdings sei das durchschnittliche Angstniveau insgesamt im Osten um fünf Prozent höher als im Westen, nicht nur in Bezug auf das Thema Migration.

Frauen werden mutiger, Männer ängstlicher

Auffallend ist bei der diesjährigen Umfrage, dass Frauen im Bundesdurchschnitt immer mutiger und Männer immer ängstlicher werden. Seit Beginn der Studie waren die Ängste bei Frauen größer und sie sind es auch noch – Tendenz allerdings fallend. Männer fürchten häufiger Terrorismus, Krieg mit deutscher Beteiligung und Spannungen durch den Zuzug von Ausländern. Die Angst vor einer schlechten Wirtschaftslage beispielsweise sank bei Frauen um drei Prozent, bei Männern stieg sie um zwei Prozent. Eine Erklärung für die wachsende Angst der Männer gibt es nicht, nur eine Vermutung: Da Männer schließlich diejenigen seien, die im Krieg überwiegend kämpfen müssten, stehe diese Angst bei ihnen im Fokus. Außerdem sei Statusangst bei Männern viel ausgeprägter als bei Frauen, meint Schmidt. Die Befürchtung, im höheren Alter ein Pflegefall zu werden, ist hingegen bei Frauen größer. Sie liegt im Bundesdurchschnitt auf Platz fünf der deutschen Ängste in diesem Jahr.

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