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Zufrieden mit der Entwicklung von Lanxess: Axel Heitmann.

© promo

Lanxess-Chef Axel Heitmann: „Das beste Jahr in der Konzerngeschichte“

Axel Heitmann, Chef des Chemiekonzerns Lanxess, spricht im Tagesspiegel-Interview über spritsparende Reifen, den Fachkräftemangel, die Stärken des Standorts Deutschland und Patente in China.

Herr Heitmann, wie groß ist Ihre Angst vor den Rohstoffpreisen?
Wir gehen davon aus, dass die Preise für unsere Rohstoffe auf den Weltmärkten 2011 weiter steigen werden. Das ist eine große Herausforderung für einen rohstoffintensiven Konzern. Aber wir sind stets in der Lage gewesen, die Erhöhung unserer Kosten auf der Rohstoffseite zügig an die Kunden weiterzugeben.

Und das beeinträchtigt nicht die Wettbewerbsfähigkeit?
Nein. Nicht nur unsere Preis-vor-Menge Strategie, sondern auch unser Fokus auf Innovation sichert unsere Wettbewerbsfähigkeit. Wir haben auch in der Krise unser Forschungsbudget erhöht. Mit unseren Produktinnovationen können wir auf den Weltmärkten punkten, Kunden sind mehr denn je bereit höhere Preise für unsere Premiumprodukte „Made in Germany“ zu zahlen.

Der Kostenvorteil zum Beispiel von chinesischen Konkurrenten stört also nicht weiter?
Wir haben die bessere Technologie! Wenn unsere Produkte nicht so hochwertig wären, hätten wir unser starkes Wachstum nie erzielen können. Zum Beispiel haben wir eine völlig neue Klasse von Hightech-Synthesekautschuken für Reifen entwickelt, mit denen es möglich ist, die Laufleistung zu erhöhen und 30 Prozent Kraftstoff zu sparen.

Für die Kautschukproduktion wird Öl gebraucht – auch das wird immer teurer.
Deshalb müssen wir uns um Alternativen bemühen. Für unseren Kautschuk Butyl etwa, der für die Reifenproduktion gebraucht wird, arbeiten wir an einer Lösung, den wichtigsten Rohstoff Isobutene künftig aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen. Aber auch die steigenden Energiekosten sehen wir mit Sorge.

Die Politik will damit das Klima schützen.
Wir unterstützten die Maßnahmen der Regierung zum Klimaschutz. Wichtig ist nur, dass sie nicht einseitig erfolgen. Die einzelnen Regierungen sollten von Alleingängen Abstand nehmen und stattdessen zu übergeordneten und internationalen Regelungen kommen. Ansonsten gefährden wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrien.

Kürzlich haben Sie in Argentinien ein Unternehmen übernommen, in Brasilien und Indien wurden Werke ausgebaut. Welche Regionen sind für Lanxess am reizvollsten?
Die BRIC-Länder – also Brasilien, Russland, Indien, China – sind die stärksten Wachstumsregionen. Das sind die Staaten, die zuerst aus der Krise gekommen sind und in denen wir unseren Umsatzanteil in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt haben. Das sind die Länder, die die historische Abhängigkeit der Weltwirtschaft von der US-Konjunktur überwinden helfen.

Aber diese Länder sind voller ökonomischer und politischer Risiken.
Wichtig ist, dass man die Risiken kennt und beherrscht. Ich habe selbst mehrere Jahre in China gelebt und gearbeitet. Sie können deshalb davon ausgehen, dass Lanxess mit den Herausforderungen dieser Region vertraut ist – etwa hinsichtlich der Einstellung zum fairen Wettbewerb oder zum Schutz des geistigen Eigentums. Die Chancen übersteigen die Risiken.

Wie schützen Sie sich?
Wir setzen zum Beispiel auf lokale Fachkräfte, die das Geschäft vor Ort auch in den kritischen Details bestens kennen. Und selbstverständlich müssen wir in China auf unser geistiges Eigentum ganz besonders achten. Dort steigt die Zahl der angemeldeten Patente in der Chemie sprunghaft. Wir müssen aufpassen, dass nicht unsere eigenen Produkte und Prozesse in China von Chinesen patentiert werden.

Als Lanxess 2005 an die Börse ging, war es die ungeliebte Sparte von Bayer. Wie ist Ihre Verbindung zu Bayer heute?
Unser Verhältnis ist ein gutes Geschäftsverhältnis. Der Konzern ist ein wichtiger Kunde, mit dem wir rund 400 Millionen Euro Umsatz machen. Wir pflegen gute Nachbarschaft.

Sie wollen aber weg aus Leverkusen und nach Köln ziehen?
Das hat überhaupt nichts mit Bayer zu tun. Wir wollen unsere wichtigen Verwaltungsbereiche in einem Gebäude zusammenführen und näher an einem Flughafen oder einen großen Hauptbahnhof. Zudem haben wir als Namensgeber einer der großen Veranstaltungshallen in Deutschland ein klares Bekenntnis zu diesem Standort abgegeben.
Sie wollen aber aus dem Schatten von Bayer treten.
Aus welchem Schatten? Bayer macht im wesentlichen Pflanzenschutz und Pharmageschäft, und wir machen Spezialchemie. Ich sehe nicht den geringsten Schatten von Bayer.

Sie eröffnen in dieser Woche ein Regionalbüro in Berlin. Geht es nicht ohne Lobbyarbeit in der Hauptstadt?
Wir wollen mehr Präsenz zeigen. Es ist wichtig, für einen großen Chemiekonzern, in Berlin präsent zu sein. Energiepolitik, Klimaschutz, grüne Mobilität – all diese großen Fragen, die Deutschland beschäftigen, werden in Berlin diskutiert. Wir wollen auch den Dialog mit der Politik stärken. Denn die Chemie ist neben der Automobil- und Elektroindustrie sowie dem Maschinenbau eine der vier Schlüsselindustrien des Landes. An ihr hängen hunderttausend hochwertige Arbeitsplätze und sie ist mitentscheidend für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.

In den vergangenen Jahren sind viele Arbeitsplätze in Deutschland verloren gegangen. Gibt es nun im Aufschwung einen Aufbau der Beschäftigung?
Wir werden die Standorte in Deutschland auch weiter ausbauen, allein in diesem Jahr wollen wir 160 Millionen Euro investieren: Wir werden unseren Hightech-Synthesekautschuk in Dormagen ausbauen und eine neue Formalin-Anlage in Krefeld-Uerdingen bauen.

Dann sind Sie also zufrieden mit den Rahmenbedingungen in Deutschland?

Ich wünsche mir von der Politik insgesamt ein klareres Bekenntnis zum Chemiestandort Deutschland. Nur wenn die Chemieindustrie unterstützt wird, kann Deutschland im Export und bei der Ressourceneffizienz ganz vorne mitspielen.

Wie sollte die Unterstützung aussehen?
Wir brauchen die besten Ingenieure, die besten Naturwissenschaftler und die besten Facharbeiter – ganz egal ob deutsche oder ausländische Experten. Die Politik muss dafür sorgen, dass die Schulausbildung deutlich verbessert wird und der Universitäts- und Ausbildungsstandort attraktiver wird für die besten Studenten aus aller Welt. Zum Beispiel, indem wir es Ausländern erleichtern, nach dem Studium hier weiterzuforschen. Der Anspruch muss aber sein: Wer einlädt, muss auch auswählen dürfen.

Gibt es bei Lanxess Fachkräftemangel?
Wir wünschen uns mehr gut ausgebildete Fachkräfte und tun ja dafür selbst Erhebliches, besonders in der Ausbildung. Viele Potenziale, zum Beispiel bei älteren Fachkräften und Frauen, sind noch gar nicht erschlossen.

Im vergangenen Jahr hat Lanxess von der höheren Nachfrage aus der Industrie profitiert. Haben Sie die Ziele erreicht?
Das Jahr 2010 wird mit Sicherheit das beste Jahr unserer Firmengeschichte. Wir werden es auf Rekordniveau abschließen. Natürlich wollen wir in 2011 noch besser werden. Wir sind auch für die Zukunft klar optimistisch und wollen in den nächsten fünf Jahren unser Ergebnis vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Sondereinflüssen pro Jahr auf 1,4 Milliarden Euro steigern.

Ist Lanxess nicht wegen der breiten Aktionärsstruktur ein Übernahmekandidat?
Eine herausragende Unternehmensleistung und eine gute Bewertung an der Börse sind der beste Übernahmeschutz. Ein Kauf lohnt sich ja nur, wenn der Käufer mehr aus dem Unternehmen herausholen zu können glaubt, als es allein zu leisten vermag. Wir fühlen uns gut geschützt und die Märkte scheinen diese Überzeugung durchaus zu teilen.

Lanxess hat sich besonders der Mobilität verschrieben. Ihre Produkte kommen in energieeffizienten Reifen, aber auch in Wind- und Photovoltaikanlagen und bei der Reinigung von Wasser zum Einsatz. Wo sehen Sie die größten Chancen?
Neben der Mobilität sehen wir Potenzial in der Agrochemie, weil eine immer größere Weltbevölkerung ernährt werden muss. Ein weiterer Megatrend ist die Wasseraufbereitung. Wir haben gerade ein neues Werk in Indien eröffnet und in Bitterfeld produzieren wir eine neue Filtertechnologie. Wir können in diesen Feldern überproportional wachsen.

Sie haben aus einer ungeliebten Sparte von Bayer ein erfolgreiches Unternehmen gemacht. Wie groß ist die Genugtuung?
Es macht mich stolz, mit meinem Team ein Unternehmen leiten zu dürfen, das einen neuen Namen und ganz neue Technologien auf den Märkten etabliert hat.

Das Gespräch führte Jahel Mielke

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