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Last Minute: Kurzfristig die Koffer packen

Die Tourismusbranche spürt die Krise – Reisende warten erst mal ab. Tui kündigte bereits an, die Preise für die Wintersaison um fünf Prozent zu senken.

„Wir werden Reisen nicht verschleudern“, sagt Michael Blum, Sprecher des Reiseunternehmens Tui. Und doch wird der Konzern in Zeiten der Krise zum Rabattgeber. Am Freitag kündigte Tui an, die Preise für die Wintersaison um fünf Prozent zu senken. Auch für den Sommer seien punktuell noch Preissenkungen drin. Der Preis wird immer wichtiger: 30 Prozent der Deutschen wollen bei der Urlaubsbuchung verstärkt nach Sonderangeboten suchen, wie eine Studie zeigt (siehe Grafik). Die Krise trifft die Reisebranche. Allein Tui musste bis Mitte Juni einen Umsatzrückgang von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hinnehmen.

Im deutschen Gastgewerbe sieht es nicht besser aus. In den ersten vier Monaten des Jahres lag der Umsatzrückgang real bei sieben Prozent. Deutsche Hoteliers versuchen jetzt mit Preisnachlässen, die Bettenauslastung zu erhöhen. Solche Initiativen gibt es auch in anderen Ländern. Laut einer europaweiten Marktstudie waren die Preise für ein Hotelzimmer im April 2009 um 24 Prozent niedriger als im Vorjahresmonat.

Preisnachlässe als adäquates Mittel gegen Leere auf Hotelfluren? Stefanie Heckel vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) ist besorgt. „Unsere Branche kann nicht wie ein Discounter mit den Preisen punkten. Wenn die Preise erst gefallen sind, ist es schwer, sie wieder nach oben zu bekommen“, warnt sie ihre Verbandsmitglieder.

Was für das Gastgewerbe schlecht ist, kommt für die Deutschen zur rechten Zeit. Kurzarbeit, die Angst um den Arbeitsplatz oder überhaupt die Unsicherheit über die Entwicklung der Wirtschaft haben die Reiseweltmeister bisher zögern lassen. „Dieses Jahr wird kurzfristiger gebucht“, sagt Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband (DRV). Vor allem Familien warteten lieber erst mal ab, berichtet Blum von der Tui.

Diejenigen, die ihren Urlaub bereits gebucht haben, entschieden sich vor allem für All-inclusive-Angebote. Den Trend gebe es schon länger, die aktuelle Situation habe die Entwicklung aber noch verstärkt, weiß Blum. Der Vorteil: An- und Abreise, Unterkunft, Verpflegung und nicht selten auch die Sport- und Freizeitangebote sowie der Transfer von und zum Flughafen sind im Preis enthalten. „Die Kosten für den Urlaub bleiben dadurch überschaubar“, sagt Blum. Deshalb wird die Türkei wieder beliebter. Sie liegt am Mittelmeer und bietet viele All-inclusive-Angebote.

Doch auch Inlandsreisen erfreuen sich in diesem Jahr großer Beliebtheit. Laut Marktforschungsinstitut GfK wollen 18,9 Millionen Bundesbürger ihren Sommerurlaub in Deutschland verbringen – ein Anstieg um 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Reise mit dem eigenen Auto kostet weniger als mit dem Flugzeug – so das Kalkül vieler Heimaturlauber. Diese Rechnung muss – mit Blick auf die Angebote der Billigflieger – nicht unbedingt aufgehen. Der Trend, im eigenen Land zu reisen, lässt sich aber auch mit der kurzfristigen Buchung erklären, sagt Blum. Wenn die Menschen weniger Zeit für Reisevorbereitungen hätten, würden sie eher bekannte Ziele wählen. Da profitierten dann zum Beispiel die Balearen oder eben das eigene Land.

Eigentlich eine positive Entwicklung für das inländische Tourismusgewerbe. Doch für den Hotelverband Dehoga ist 2009 schon fast gelaufen. „Das Jahr werden wir mit einem Minus abschließen“, ist sich Heckel sicher. Der Einbruch bei den Geschäftsreisen sei zu stark gewesen, als dass eine gute Feriensaison die Verluste noch auffangen könnte. „Früher wurden Kongressanfragen Jahre im Voraus gestellt, heute sind es zwei Wochen“, sagt Thomas Lengfelder, der Hauptgeschäftsführer des Dehoga Berlin. Statt fünf Tage dauerten solche Veranstaltungen nur noch drei Tage, statt 500 Teilnehmern würden nur noch 50 übernachten. Dennoch stehe Berlin vergleichsweise gut da. Nach dem schwachen ersten Quartal 2009 konnte die Hauptstadt im April trotz eines Einbruchs bei den Geschäftsreisen ein kleines Plus bei den Gästezahlen von 0,7 Prozent verzeichnen.

Besonders bei ausländischen Touristen ist die Metropole beliebt. Das bestätigt Christian Tänzler vom Berlin Tourismus Marketing (BTM): „Berlin hat eine wahnsinnige Ausstrahlung.“ Dazu trügen in erheblichem Maße Veranstaltungen wie die Feiern zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik oder Klassik-OpenAir-Konzerte bei. Darüber hinaus böte Berlin seinen Besuchern nach wie vor ein einmaliges Preis-Leistungs-Verhältnis.

Angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit dürfte das Jahr 2010 für die deutsche Tourismusindustrie insgesamt jedoch schlecht aussehen. Die Bundesagentur für Arbeit hält 4,5 Millionen Arbeitslose im Schnitt für realistisch, eine Million mehr als in diesem Jahr. Einschränkungen im Konsumverhalten sind programmiert. „Unsere Branche ist sehr konjunktursensibel“, sagt Heckel. Sollte die Wirtschaft nicht anziehen, könnten 100 000 Beschäftigte im Gastgewerbe ihre Arbeit verlieren, so eine Hochrechnung des Dehoga. Der DRV hingegen wagt zumindest offiziell keinen Blick in die Zukunft. Man müsse abwarten. Tänzler vom BTM hingegen resümiert kurz und knapp: „Wenn die Leute kein Geld haben, können sie nicht verreisen.“

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