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Wirtschaft: Lawrence B. Lindsey: Der notorische Schwarzseher

Wer Macht hat, aber keine Ahnung, der braucht Berater. "Es wäre zu schön", raunte der texanische Gouverneur George W.

Wer Macht hat, aber keine Ahnung, der braucht Berater. "Es wäre zu schön", raunte der texanische Gouverneur George W. Bush vor ungefähr zwei Jahren einem Freund zu, "wenn ich jemanden kennenlernen könnte, der etwas von Wirtschaft versteht. Vielleicht könnte der mir einiges beibringen, falls ich für die Präsidentschaft kandidiere." Der Freund half aus und machte Bush mit einem großen, schweren Mann bekannt, der zwar als notorischer Pessimist verschrieen war, aber zumindest freundlich lächelte - Lawrence B. Lindsey. Der wiederum setzte Bush sofort einen Floh in Ohr: Nur ein gigantisches Steuerentlastungsprogramm, das größte in der amerikanischen Geschichte, wird die Nation vor den schlimmsten Folgen der kommenden Rezession bewahren.

Seit vergangenen Mittwoch ist Lindsey der oberste Wirtschaftsberater des künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Manche nennen ihn bereits ehrfürchtig den "Guru". So ist das wohl oft in Wirtschaftsdingen: Wer lange genug durchhält, wie Kassandra zu tönen, wird irgendwann unweigerlich als Prophet gefeiert. Und Lindsey warnt nicht erst seit zwei, sondern bereits seit nahezu zehn Jahren vor dem angeblich kommenden Crash. Im allgemeinen Trend der boomenden Clinton-Jahre spielte er den permanenten Schwarzseher: Der Verbraucher gibt mehr aus, als er hat; die amerikanische Gesellschaft lebt über ihre Verhältnisse und verlässt sich zu stark auf den Zustrom ausländischer Investitionen; der Markt wird komplett überbewertet. Konsequenterweise verkaufte Lindsey vor einigen Jahren alle seine Aktien. "Ich will wieder ruhig schlafen", sagte der enge Freund von Alan Greenspan, dem obersten Währungshüter von der Federal Reserve.

Die politische Prägung des heute 46-Jährigen begann früh. Nicht einmal 20 Jahre alt war Lindsey, als er an seinem College in Maine Veranstaltungen für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten George McGovern organisierte. Doch schon wenige Jahre später wechselte er die Partei und lief zu den Republikanern über. Der Grund war einfach und recht menschlich: Um seine Studiengebühren bezahlen zu können, wollte Lindsey gemeinsam mit einem Freund Hot-Dogs in Maine verkaufen. Das allerdings war nicht so leicht, denn es gab in der Stadt schon einen Hot-Dog-Stand. Und dessen Besitzer nutzte seine politischen Verbindungen - im wesentlichen zu demokratischen Politikern -, um die Konkurrenz zu verhindern. Lindsey verlor den Kampf. Schließlich mussten er, sein Freund und die Hot-Dogs in eine Nachbarstadt ausweichen. "Das war eine gute Erfahrung", sagt Lindsey heute. Jedenfalls war es eine Erfahrung, die ihn zum Regulierungsgegner gemacht hat und zu einem Verfechter der Prinzipien des freien Marktes.

Dem College folgte ein Studium in Harvard, wo Lindsey seinen späteren Mentor Martin Feldstein kennenlernte. Wirtschaftsprofessor Feldstein wiederum wurde in dieser Zeit der oberste Wirtschaftsberater von Präsident Ronald Reagan und holte Lindsey für drei Jahre in sein Team nach Washington. In einem Buch, das Lindsey 1990 schrieb ("Das Wachstums-Experiment"), verteidigt er die Reagansche Steuerpolitik. Die drastische Reduzierung der Steuersätze, so Lindsey, habe die amerikanische Wirtschaft revolutioniert. Seitdem gilt Lindsey nicht nur unter konservativen Ökonomen als einer der klügsten Köpfe unter den so genannten Reaganomics, und als ein führender Spezialist in Sachen Steuerpolitik.

Ein dogmatischer Verfechter seiner Vorstellungen allerdings sei Lindsey nicht, sagen seine ehemalige Kollegen über ihn, sondern flexibel und durchaus offen für neue Ideen. Auch die Clinton-Regierung hat er schon in Detailfragen beraten. Von seinem Glauben an die positive Wirkung von Steuererleichterungen ist er freilich nie abgerückt. Und jetzt hat er endlich jemanden gefunden, der diesen Glauben teilt - der künftige Präsident der Vereinigten Staaten.

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