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Genau hinschauen. 2500 Prüfer gibt es derzeit in ganz Deutschland.

© ddp

Lebensmittel: Es fehlt an allem

Mit dem eigenen Skianzug in die Kühlkammer: Lebensmittelkontrolleure schlagen Alarm. Es gibt zu wenig Personal und auch die Ausrüstung ist mangelhaft.

Berlin - Sie sollen verhindern, dass Futtermittelhersteller giftiges Dioxin ins Tierfutter mischen. In der Ehec-Krise haben sie zahllose Proben von Gurken, Tomaten, Salaten und Sprossen genommen, um die Quelle des gefährlichen Darmkeims zu finden. Und auch beim geplanten neuen Hygienesiegel für Restaurants sollen sie eine zentrale Rolle spielen – die deutschen Lebensmittelkontrolleure.

Doch jetzt schlagen die staatlichen Prüfer Alarm. Um die wachsenden Aufgaben erfüllen zu können, fehle es an Personal und an der nötigen Ausstattung, klagt Martin Müller, Chef des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure. „80 Prozent der Lebensmittelkontrolleure haben kein Frittierfettmessgerät“, sagte Müller am Montag in Berlin, wo sich die Lebensmittelkontrolleure zu ihrer jährlichen Arbeitstagung treffen. Das sei aber nötig, um altes, verbranntes Fett entdecken zu können, das oft krebserregende Stoffe enthält. Auch Kälteschutzkleidung haben die meisten Prüfer nicht. „Viele ziehen ihre privaten Skianzüge an, wenn sie die Kühlkammern der Fleischhersteller untersuchen“, berichtet Müller aus der Praxis.

Von moderner Technik ganz zu schweigen: Nur 15 Prozent der Prüfer haben ein Laptop, in das sie die Ergebnisse ihrer Prüfungen eintragen können. Selbst Kameras, mit denen die Betriebsbesichtigungen dokumentiert werden, müssen sich die Kontrolleure gelegentlich mit mehreren Kollegen teilen. Das hat eine Umfrage unter gut 1500 Lebensmittelkontrolleuren ergeben, die der Verband im Sommer durchgeführt hat.

Als Konsequenz aus den jüngsten Dioxin- und Ehec-Skandalen ist sich die Politik einig, dass Lebensmittel in Deutschland besser und schärfer kontrolliert werden müssen. Doch in der Praxis ist davon nicht viel zu merken. Weil die Länder kein Geld für neue Stellen ausgeben wollen, werden viele Betriebe so gut wie nie kontrolliert.

„Von den eine Million Lebensmittel verarbeitenden Betrieben werden im Jahr nur 550 000 überprüft“, berichtet Müller. Von „Flickschusterei“ und einer „Mogelpackung“ spricht der stellvertretende Verbandsvorsitzende, Harry Sauer. 2500 Lebensmittelkontrolleure gibt es in Deutschland, weitere 1200 wären nötig, um die anstehende Arbeit bewältigen zu können, hat der Verband ausgerechnet. Bei dieser Schätzung ist bereits berücksichtigt, dass die Prüfzeiträume von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sind. Wie oft der Kontrolleur kommt, hängt von den gesundheitlichen Risiken ab, die mit dem Betrieb verbunden sind, und von der jeweiligen Vorgeschichte. Während etwa Hackfleisch verarbeitende Betriebe täglich überprüft werden müssen, schaut beim Getränkemarkt nur alle Jubeljahre einmal ein Prüfer vorbei. Wer dabei erwischt worden ist, dass er gegen Hygienevorschriften verstößt, seine Ware falsch kennzeichnet oder panscht, wird dagegen regelmäßig kontrolliert.

Trotz der geringen Personaldecke machen sich die Lebensmittelkontrolleure für die Einführung eines bundesweit einheitlichen Restaurant-Hygienesiegels stark. Dieses soll den Gästen auf einen Blick zeigen, ob die Gaststätte die amtlichen Lebensmittelkontrollen ohne Beanstandungen passiert hat. Die Verbraucherminister der Länder wollen das mit einem Kontrollbalken in den Ampelfarben rot, gelb und grün erreichen. Eigentlich sollte dieser schon im nächsten Jahr eingeführt werden, doch jetzt ist unklar, ob es dazu kommen wird. Denn mit Blick auf die Gastronomie, die nicht an den Pranger gestellt werden will, haben die Wirtschaftsminister der Länder das Projekt kürzlich abgelehnt.

Müller, der selbst als Lebensmittelkontrolleur in Nordrhein-Westfalen arbeitet, kann das nicht verstehen: „80 Prozent der Restaurants in Deutschland sind sauber“, weiß er. „Ich verstehe nicht, warum man die Minderheit, bei der es Mängel gibt, schützen will“, kritisiert der Kontrolleur.

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