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Eine Kundin geht durch einen Supermarkt in Straubing (Bayern).

© dpa

Lebensmittel: Mogelpackungen im Einkaufsregal

Nicht immer ist in Produkten das drin, was drauf steht. Ein Verbraucherportal will mehr Transparenz schaffen - und listet hunderte Artikel auf.

Der Cappuccino soll „ungesüßt“ sein, besteht aber zu 50 Prozent aus Zucker. Auf dem Pappkarton im Kühlregal steht „Mozzarella-Pizza“. Dabei ist sie vor allem mit Edamer belegt. Es sind nur zwei Beispiele, wie Hersteller bei den Etiketten ihrer Produkte gerne mal tricksen. Das Portal Lebensmittelklarheit.de hat in den letzten fünf Jahren hunderte dieser Mogelpackungen gelistet.

Seit 2011 können sich dort Verbraucherinnen und Verbraucher melden, wenn ein Produkt nicht das ist, was es vorgibt, zu sein. Dabei kann es um die Abbildung oder Beschreibung gehen. „Lebensmittelklarheit ist mit reichlich Gegenwind aus der Wirtschaft gestartet“, sagte Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), bei der Vorstellung der Bilanz am Mittwoch. „Umso mehr freut es uns, dass die Kritik der Verbraucher Gehör findet.“ Der Verband steht mit den Verbraucherzentralen hinter dem Projekt.

Ein Drittel änderte seine Etiketten

Seit Portalstart wurden rund 9000 Produkte gemeldet, wovon 788 nach Prüfung einer Fachredaktion auf der Internetseite bislang vorgestellt wurden. 51 Artikel waren in Ordnung. In 478 Fällen sahen die Verbraucherschützer einen nachvollziehbaren Täuschungsversuch und baten die Unternehmen um eine Stellungnahme, die gemeinsam mit der konkreten Beschwerde und Einschätzung der Verbraucherschützer veröffentlicht wird. Bei 259 Produkten reagierten die Firmen und änderten ihre Verpackungen.

Zwei Beispiele: Der Wurst- und Fleischhersteller Meister’s Bautzen musste in seiner Kennzeichnung angeben, dass seine Rindsknacker auch Schweinefleisch enthalten. In der Stellungnahme hieß es: „Gesetzliche Vorgaben für den Anteil an Rindfleisch in Rindsknackern existieren nicht“. Das Schweinefleisch werde zur geschmacklichen Abrundung zugegeben.

Milupa änderte seinen „Abendbrei Vollkorn- Früchte“ in „Gute Nacht Milchbrei“. Über die Hälfte der Zutaten hatte einen Milchanteil, was auf der Vorderseite aber nirgendwo erwähnt wurde. Ihre Erklärung: „Von den 27,5 Prozent Getreidemehlen im Abendbrei sind mehr als 90 Prozent Vollkorn, sodass das Produkt als Vollkorn bezeichnet wird.“

Die Arbeit des Portals zeigt Wirkung

Das Jahr 2014 sahen sich die Verbraucherschützer noch einmal genauer an, weil zum Ende des Jahres die Lebensmittelinformations-Verordnung umgesetzt werden musste. Weil die meisten Hersteller also ohnehin ihre Etiketten nachdrucken mussten, sahen die Verbraucherschützer darin einen Anlass, zu überprüfen, ob ihre Kritik umgesetzt wurde. In 30 von 124 Fällen wurden Verbesserungen vorgenommen und das Portal darüber informiert. Ein aktueller Marktcheck mit Testkäufen und Anfragen bei den Unternehmen zeigte, dass weitere 29 Hersteller ihre Kennzeichnungen ebenfalls angepasst hatten. Die Änderungsquote lag somit bei 47 Prozent.

Daraus schlussfolgert Müller, dass die Arbeit von Lebensmittelklarheit.de Wirkung zeige. Er sagte aber auch: Bei gut einem Drittel der Fälle wurden die Beschwerden ignoriert. „Hersteller nutzen den gesetzlichen Spielraum noch zu oft für ihre Marketingzwecke aus – zu Lasten einer wahren und klaren Information“, meinte er. Das schade den Kunden und Mitbewerbern. Die übrigen Artikel seien vom Markt genommen worden oder es habe sich nicht ermitteln lassen, ob das Etikett geändert wurde oder nicht

"Frisch verpackt" und "aus der Region"

Worüber sich die Käufer am meisten ärgern, sind irreführende Zutatenversprechen. So bestand ein Getränk von Alnatura – bis sich eine Verbraucherin beschwerte – hauptsächlich aus Apfelsaft, zu zwei Prozent aus Zitrone und zu 0,14 Prozent aus Grünteeextrakt. Es wurde aber als „Grüner Tee mit Zitrone“ bezeichnet.

Auch andere Kennzeichnungen beschreiben den Inhalt falsch („frisch verpackt“), gaukeln angebliche Traditionen in der Herstellung vor („traditionelle Rezeptur“), machen irreführende Herkunftsangaben („Sachsen-Milch“) oder werben mit Gesundheitsbotschaften („Wundermittel für die Schönheit“). Pro Woche melden Verbraucher durchschnittlich 13 Produkte.

Der vzbv fordert, dass wichtige Informationen zu einem Produkt – wie Name, realistische Abbildungen und die enthaltene Menge – stets auf der Vorderseite einer Verpackung angezeigt werden müssen. Das Gegenargument mancher Unternehmen, so überfrachte man die Verpackungen, wies der Verband zurück. Meist gebe es genug Fläche, um den Kunden korrekt aufzuklären. Außerdem müsse die Darstellung der Zutaten den tatsächlichen Inhalt widerspiegeln. „Was drauf steht, muss drin sein und was drin ist, muss drauf stehen“, sagte Müller.

Die Erkenntnisse des Portals sollen künftig in die Arbeit der Deutschen Lebensmittelbuchkommission (DMLBK) einfließen, die Leitsätze für die Bezeichnung von Lebensmitteln erarbeitet. Dadurch soll das Verbraucherverständnis stärker berücksichtigt werden.

Vorwurf: Hersteller werden vorgeführt

Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) sagte, das Portal rücke die Transparenz bei der Kennzeichnung weiter in den Fokus. Das Ministerium fördert das Projekt – in den Jahren 2016 bis 2018 mit 1,7 Millionen Euro. Der Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft BLL begrüßte zwar die Informationen auf dem Portal. Er warf Lebensmittelklarheit.de aber vor, korrekt gekennzeichnete Produkte wegen subjektiver Empfindungen Einzelner vorzuführen.

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