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Wirtschaft: Lebensmittelriese Rewe: "Wir stecken in einer Sackgasse"

Hans Reischl (60) steht seit 23 Jahren an der Spitze der Rewe-Handelsgruppe, Köln, die er von einem genossenschaftlichen Einkaufsverbund zum größten Lebensmittelhandelskonzern Deutschlands ausbaute. Rewe erzielt inzwischen mit ihren Einzelhandelsläden (Minimal, Stüssgen), Discountern (Penny), Drogerie-, Elektro- und Baumärkten (Sconti, Toom, Stinnes) und ihren Tourismusaktivitäten (ITS, DER) einen Umsatz von 67 Milliarden Mark.

Hans Reischl (60) steht seit 23 Jahren an der Spitze der Rewe-Handelsgruppe, Köln, die er von einem genossenschaftlichen Einkaufsverbund zum größten Lebensmittelhandelskonzern Deutschlands ausbaute. Rewe erzielt inzwischen mit ihren Einzelhandelsläden (Minimal, Stüssgen), Discountern (Penny), Drogerie-, Elektro- und Baumärkten (Sconti, Toom, Stinnes) und ihren Tourismusaktivitäten (ITS, DER) einen Umsatz von 67 Milliarden Mark. Vor zwei Monaten landete der aus einer kinderreichen Bauernfamilie stammende Bayer einen weiteren Coup: Mit der Übernahme der Düsseldorfer LTU-Gruppe rückt die Rewe nun auch zum zweitgrößten Touristikkonzern nach der Preussag auf.

Herr Reischl, in den letzten Wochen sind einige Waren in den Rewe-Märkten wieder teurer geworden. Ist der Preiskrieg vorbei?

Noch lange nicht. Wir müssen in dem einen oder anderen Fall jetzt selber für unseren Einkauf mehr zahlen und das, wo das möglich ist, an die Kunden weitergeben. An unserem Konzept der Dauerniedrigpreise halten wir fest. Der Preiskampf geht weiter.

Hat es nichts gebracht, dass das Kartellamt Wal-Mart und Aldi den Verkauf unter Einstandspreis untersagt hat?

Doch. Aber das reicht nicht aus. Auch der Verkauf zum Einstandspreis deckt noch lange nicht die Gesamtkosten. Von einer Entspannung im Lebensmittelhandel kann nicht die Rede sein. Die Gewinnsituation der Händler ist miserabel.

Grenzt das nicht an kollektiven Selbstmord?

Mit einer Entspannung rechne ich erst in zwei bis drei Jahren. Wir haben in Deutschland noch zu viel Verkaufsfläche. Je 1000 Einwohner gibt es 293 Quadratmeter. In Frankreich sind es 160 Quadratmeter, in England 130 Quadratmeter. Wir werden noch Läden schließen müssen, um zu einträglicheren Strukturen im deutschen Lebensmittelhandel insgesamt zu kommen.

Warum reagieren die deutschen Händler immer nur mit Dumpingpreisen auf den Wettbewerb, statt stärker auf Service und Qualität zu setzen?

Weil deutsche Verbraucher nur auf den Preis schauen. Wenn die H-Milch zwei Pfennig mehr kostet, heißt es gleich: Ihr seid zu teuer. Offenbar wollen die Deutschen nur Aldis haben.

Sie haben die Kunden aber auch zu Pfennigfuchsern erzogen. In Frankreich oder Großbritannien zahlen die Verbraucher mehr für Lebensmittel und bekommen dafür auch mehr Service.

Wir können uns nicht mit den Briten vergleichen. Die britischen Supermärkte sind viel größer. Hätten die deutschen Supermärkte jeweils 2000 bis 4000 Quadratmeter zur Verfügung, könnten sie auch mehr bieten. Ohne Sondergenehmigung werden in Deutschland im Nahbereich aber keine Flächen von mehr als 700 Quadratmetern bewilligt - so schreibt es die Baunutzungsverordnung vor. Das reicht für Discounter wie Aldi oder Lidl, die nur ein begrenztes Sortiment anbieten, aber nicht für einen guten Supermarkt. Wenn wir mehr größere Flächen hätten, gäbe es auch eine andere Verkaufskultur - der Kunde wäre eher bereit, für Lebensmittel mehr auszugeben.

Wollen Sie noch mehr Flächen bauen?

Wir brauchen eine einträglichere Struktur im Lebensmitteleinzelhandel. Es gibt zu viele Discountläden und zu wenig Supermärkte mit einer entsprechend vernünftigen Fläche für ein Vollsortiment. Durch unsere Baunutzungsverordnung haben wir den Discountern einen so großen Raum gegeben, dass sie sich überdurchschnittlich ausgedehnt haben. Sie haben einen Anteil von mehr als 30 Prozent. Jetzt stecken wir in der Sackgasse.

Service, für den der Kunde auch mehr zahlen würde, ist doch nicht nur eine Frage der Ladengröße. Warum setzen Sie nicht auf Lieferservice und Internet?

Das lohnt nicht. Schon unser Bestellservice ist unrentabel. Im Schnitt gibt man hier zu Lande zwischen 29 und 60 Mark für einen Einkauf im Supermarkt aus. Bei Zustellung für fünf Mark sind das rund zehn Prozent Aufpreis. Unsere Kunden sind nicht bereit, solche Zuschläge zu zahlen. Und zum Thema Internet: Ich bin überzeugt, dass keiner den Lebensmittelhandel per Internet jemals rentabel betreiben wird. Selbst Webvan, der weltweit größte Internet-Anbieter, hat, wie ich höre, Probleme.

Berufstätige und die zunehmend älter werdende Bevölkerung werden diesen Service zu schätzen wissen.

Das sollte man nicht überschätzen. Viele alte Leute werden trotz großer Mühen auch weiter in den Supermarkt gehen, weil das für manchen noch der einzige soziale Kontakt ist. Außerdem wollen die Kunden meist sehen, wie frisch die Waren sind.

In Frankreich und Großbritannien sind Kundenkarten auch im Lebensmittelhandel weit verbreitet. Warum gibt es das nicht bei uns?

Auch das ist eine Frage der Preisspanne. Sollen wir die Preise erhöhen, um dem Verbraucher anschließend Rabatt zu geben? Wir könnten heute ganz legal drei Prozent Rabatt gewähren - und tun es nicht, weil unsere Gewinnspannen das nicht mehr hergeben. Daran wird auch eine Aufhebung des Rabattgesetzes nichts ändern. Unser Problem ist ein anderes. Wir müssen wieder mehr verdienen.

Warum sind Sie nicht stärker im Ausland aktiv? Dort würden Sie mehr verdienen.

Das tun wir ja. In Österreich und in Osteuropa haben wir eine starke Präsenz. Aber das wird uns noch viel Kraft kosten. In Polen wird es in zehn Jahren den härtesten Wettbewerb im Lebensmittelhandel überhaupt geben, schlimmer noch, als es in Ostdeutschland der Fall war.

Um mehr zu verdienen, haben Sie das zweite Standbein der Rewe - die Tourismussparte - durch den Kauf von LTU gestärkt. Welche Bedeutung hat der Tourismus?

Eine Große. Wäre unser Unternehmen keine Genossenschaft, von der die selbstständigen Einzelhändler leben, würden wir den Lebensmittelanteil sicher zu Gunsten der Touristiksparte reduzieren. Der Tourismus ist nicht annähernd so wettbewerbsintensiv wie der Lebensmitteleinzelhandel.

Verdienen Sie im Tourismus gut?

Der Tourismus ist kein Selbstläufer. Aber es gibt nicht so viele Hasardeure im Markt. Die Preussag will Geld verdienen, und wir wollen das auch.

Wie viel hat der Kauf von LTU gekostet?

Das sage ich nicht. Es ist bekannt, dass LTU Schwierigkeiten hatte. Teuer war sie nicht.

Ihr Interesse galt den Veranstaltern der LTU. Wollen Sie auch die finanziell angeschlagene Airline behalten?

Ja. Wir haben nicht die Absicht, uns vom LTU-Carrier zu verabschieden. Die Fluggesellschaft hat einen guten Namen und sie kann in unserem Verbund profitieren. In der Auslastung macht sich das bereits bemerkbar. Alles in allem ist die Sanierung auf gutem Weg. Die Flottenumstellung läuft. Allerdings ist Rewe nur mit 40 Prozent an LTU beteiligt. Swissair hat mit 49,9 Prozent die Kapitalmehrheit. Die wirtschaftliche Entwicklung ist daher im Wesentlichen nicht unsere Angelegenheit, sondern die der Schweizer.

Wie lange noch?

Wir haben mit den Verkäufern eine Vereinbarung getroffen. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt muss der Carrier wirtschaftlich gut dastehen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Wollen Sie die 10,1 Prozent LTU-Beteiligung der WestLB kaufen?

Das ist für mich völlig unwichtig. Wir wollen kein Machtpotenzial aufbauen. Wir wollen eine gesunde, leistungsfähige Airline.

Wollen Sie auch alle Veranstalter der LTU behalten?

Warum nicht? Die verfügen doch alle über einen interessanten Kundenstamm. Die großen, führenden Marken von LTU werden wir

jedenfalls nicht verkaufen. Und in zwei, drei Jahren wollen wir in diesem Bereich schwarze Zahlen schreiben. Das wirduns bis dahin rund 150 Millionen Mark kosten.

Wann sind die nächsten Akquisitionen im Tourismus geplant?

Frühestens in zwei, drei Jahren. Wir brauchen jetzt alle Kraft, das Unternehmen richtig zu sanieren und die Aktivitäten in der Gruppe zu integrieren.

Wie werden Sie all das finanzieren? Müssen Sie nicht an die Börse gehen?

Warum? Wir haben anständige Reserven. Im Geschäftsbericht sind gut zwei Milliarden Mark ausgewiesen. Hinzu kommen noch stille Reserven.

C & N, die Tourismustochter von Karstadt und Lufthansa, will an die Börse. Warum nicht auch Rewe-Touristik?

Das ist nicht unser aktuelles Ziel. Wir wollen uns aber so aufstellen, dass wir in rund vier Jahren börsenreif sind und die Verantwortlichen die Pläne dann umsetzen könnten.

Sie stehen seit 23 Jahren an der Spitze der Rewe, Ihr Vertrag läuft Ende 2004 aus. Wer wird danach verantwortlich sein?

Ich habe meine personellen Vorschläge auf einem Zettel vermerkt - für den Fall, dass mir etwas zustößt. Seien sie unbesorgt: Es gibt ausgezeichnete Kandidaten.

Herr Reischl[in den letzten Wochen sind einige Wa]

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