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Lebensversicherung: Ausstieg mit Gewinn

Lebensversicherungen sollen künftig weniger Geld an ihre Kunden ausschütten. Doch die geplante Reform liegt derzeit auf Eis. Für Kunden kann es sich daher lohnen, ihre Police jetzt zu kündigen. Die Zeit drängt.

Berlin - Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Der Dritte, das sind Menschen wie Michael Ulig. Der Berliner Arzt hat vor vielen Jahren bei der Axa eine Lebensversicherung abgeschlossen. Der Vertrag läuft bis Mai 2014, dann soll Ulig 48 000 Euro bekommen.

Doch vor kurzem hat der Mediziner die Lust an seiner Altersvorsorge verloren. Die Gewinnbeteiligung sinkt (siehe Tabelle), zudem will die Bundesregierung die Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven der Versicherer einschränken. „In meinem Fall wären das Einbußen von 2086 Euro gewesen“, berichtet der Arzt. Doch für eine Kündigung des Vertrags schien es zu spät zu sein. Schien. Denn weil der Bundesrat bei der geplanten Versicherungsreform nicht mitmachte, ist nun wieder alles offen. Verbraucherschützer raten Kunden, keine Zeit zu verlieren: „Es kann sich lohnen, seine Lebensversicherung jetzt noch zu kündigen“, sagte Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten, dem Tagesspiegel.

Es geht um eine Menge Geld. Seit 2008 müssen die Lebensversicherungen ihren Kunden nicht nur den – für die gesamte Laufzeit geltenden – Garantiezins und die jährlich neu festgelegten Überschüsse zahlen. Sie müssen sie auch anteilig an den Buchgewinnen der Kapitalanlagen beteiligen, die sie mit dem Geld der Versicherten gekauft haben.

Diese Kursgewinne sind besonders bei den festverzinslichen Wertpapieren, der Hauptanlage der Versicherer, enorm. Weil die Zinsen an den Kapitalmärkten seit Jahren extrem niedrig sind, sind die alten, höherverzinsten Papiere, die die Versicherer in ihren Depots haben, im Kurs kräftig gestiegen. Versicherte, die jetzt ausscheiden, werden an diesen Kursgewinnen – den Bewertungsreserven – zu 50 Prozent beteiligt. Das Problem für die Branche: Die Gewinne stehen meist nur auf dem Papier, da die Versicherer die Anlagen nicht verkaufen, sondern bis zum Ende der Laufzeit halten.

Um Schieflagen der Versicherer zu verhindern, hatte die Regierung daher beschlossen, dass Kunden nach dem 21. Dezember keinen Anteil mehr an den Bewertungsreserven von festverzinslichen Wertpapieren bekommen sollen. Bei Aktien und Immobilien sollte dagegen alles beim Alten bleiben. Doch die Pläne stießen auf Protest, selbst innerhalb der Union. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte daher eine Härtefallregelung an. Die Einbußen der Versicherten sollten – verglichen mit dem Status quo – per Verordnung auf durchschnittlich fünf Prozent begrenzt werden. Die Regelung sollte für alle Policen gelten, die 2013 oder 2014 auslaufen. Damit wollte Schäuble einer Kündigungswelle zuvorkommen und dem Bundesrat die Zustimmung zu seiner Reform abringen. Doch die Länderkammer machte nicht mit und erteilte den Plänen des Finanzministers am Freitag vergangener Woche eine Absage. Nun ist der Vermittlungsausschuss am Zug. Ein Termin steht noch nicht fest.

Versicherte wie Michael Ulig können von diesem Streit profitieren. Wenn Ulig kündigt, kann er sich wider Erwarten nun doch nach den alten Regeln auszahlen lassen. Dafür spricht: „Niemand weiß, was kommt“, gibt Kleinlein zu bedenken. Denn auch die Härtefallregelung ist nun erst einmal wieder vom Tisch.

Wer jetzt kündigt, profitiert von den stillen Reserven. Fünf Prozent der Versicherungssumme macht das nach Angaben des Ministeriums aus, Kleinlein spricht sogar von bis zu zehn Prozent: „Bei einer Versicherungssumme von 90 000 Euro sind das immerhin 9000 Euro.“ Hohe Ausschüttungen können vor allem diejenigen erwarten, die bereits viel eingezahlt haben und deren Verträge in den nächsten zwei Jahren auslaufen. „Diese Kunden sollten sich unbedingt von ihrer Versicherung ausrechnen lassen, wie hoch die Differenz zwischen dem alten und dem geplanten neuen Recht ist“, rät Kleinlein.

Kündigen kann man zum Ende der Versicherungsperiode. Wie lang diese ist, ist von Versicherer zu Versicherer unterschiedlich. Wer etwa beim Branchenprimus, der Allianz, seine Beiträge monatlich zahlt, kann zum Ende jedes Monats kündigen, bei jährlicher Zahlweise dagegen nur zum Ende des Vertragsjahres. Bei der Axa richten sich die Fristen nach dem jeweiligen Tarif und dem Produkt.

Vor einer Kündigung sollten sich Verbraucher aber auf jeden Fall beraten lassen – etwa bei einer Verbraucherzentrale. Denn wer kündigt, setzt möglicherweise Steuervorteile aufs Spiel. Auch wenn der Vertrag einen hohen Garantiezins hat, sollte man nicht vorschnell aussteigen. Denn ein Problem bleibt: „Wie lege ich mein Geld dann an?“, fragt Axa-Sprecherin Ursula Roeben. Bei den niedrigen Zinsen ist das keine leichte Frage.

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