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Die Branche leidet ebenso wie die Banken unter der Geldmengen- und Zinspolitik der EZB.

© Foto: Uwe Zucchi/dpa

Lebensversicherung: Bis zu einem Prozentpunkt weniger

Die Versicherungen geben die Verzinsung für 2017 bekannt. Experten sehen für die klassische Lebensversicherung kaum noch eine Perspektive.

Wer eine Lebensversicherung besitzt, muss sich auf weiter sinkende Erträge einstellen. Schätzungen zufolge werden Verträge im kommenden Jahr im Schnitt nur noch 2,6 Prozent abwerfen, das sind 0,3 Prozentpunkte weniger als 2016. Bisher hat etwa die Hälfte der 80 deutschen Lebensversicherer die Gesamtverzinsung für das kommende Jahr veröffentlicht. So senkt die Allianz Leben die Rendite für die klassische Lebensversicherung von 3,1 auf 2,8 Prozent. Ergo reduziert von 2,7 auf 2,25, die Gothaer von 2,5 auf 2,0 Prozent und die R+V von drei auf 2,7 Prozent. Während Kunden der deutschen Ärzteversicherung, der bayerischen Beamten und Lebensversicherung, der Europa oder auch der Ideal nur kleine Einbußen hinnehmen müssen und für 2017 drei Prozent erhalten, fällt die Bescherung für Versicherte der Nürnberger Beamten oder der Ösa unerfreulich aus: Sie erhalten bis zu einem kompletten Prozentpunkt weniger Rendite als 2016. Mit 1,75 Prozent liegt die Nürnberger Beamten als bisher einziger Anbieter unter zwei Prozent.

Der Garantiezins fällt auf 0,9 Prozent

Die laufende Verzinsung geben die Lebensversicherer am Ende eines Jahres für das Folgejahr bekannt. Sie setzt sich zusammen aus dem bei Vertragsabschluss für die gesamte Laufzeit verbindlich zugesagten Zins, dem Höchstrechnungszins, und der laufenden, freiwillig gezahlten Überschussbeteiligung. Hinzu kommt meist noch ein Schluss-Überschuss hinzu, den die Versicherer häufig in die Zahlen für 2017 hineinrechnen, der aber nur am Vertragsende gezahlt wird. Der gesetzlich festgelegte Höchstrechnungszins, meist Garantiezins genannt, ist seit dem Jahr 2000 von vier Prozent bis Anfang 2007 auf 2,25 gesunken und steht seit zwei Jahren bei 1,25 Prozent. Ab Januar 2017 schrumpft er weiter auf 0,9 Prozent. Das bedeutet: Neukunden darf der Versicherer dann für die komplette Laufzeit der Lebensversicherung maximal 0,9 Prozent garantieren. Da davon die Kosten des Versicherers abzuziehen sind, können laut Map-Report nur noch wenige Kunden damit rechnen, dass das eingezahlte Geld erhalten bleibt. Schon mit dem aktuellen Garantiezins könnten nur sieben von 29 untersuchten Versicherern dem Kunden garantieren, dass die Kosten seine Einzahlungen in einem 12-jährigen Vertrag ins Minus trieben, hat der Versicherungsdienst ausgerechnet. Einige Versicherer müssen sogar bei 30-jährigen Policen passen, so dass der Kunde auf künftige Überschussbeteiligungen hoffen muss, um überhaupt eine Rendite auf seine kompletten Beiträge zu erhalten. Mit dem sinkenden Garantiezins werde sich das Problem verschärfen.

Die Risiken für Altlasten kosten Milliarden

Bisherige Daten zeigten dennoch, „dass die Lebensversicherung bei weitem nicht so schlecht ist wie ihr Ruf“, sagt Lars Heermann, Analyse-Chef beim Versicherungs-Rater Assekurata in Köln. Angesichts der Zinsebbe sei klar, dass hohe Renditen immer schwerer zu erwirtschaften seien. Eine laufende Verzinsung von 2,6 Prozent erhalte man mit risikoarmer Anlage sonst nirgends. Rückblickend habe eine Police auch eine ordentliche Beitragsrendite abgeworfen. Ein von der Assekurata berechneter Musterkunde, dessen Vertrag 2015 ausgelaufen ist, konnte sein Geld in 25 Jahren nach Abzug der Kosten jedes Jahr um 2,6 Prozent mehren. Vor Kosten lag die Rendite bei 3,5 Prozent inklusive aller Überschüsse. Für die Zukunft ist jedoch auch Heermann skeptischer. Zwar seien die Garantien auf den Sparanteil „nirgends in Gefahr“. Es sei aber davon auszugehen, dass die Überschussbeteiligungen weiter fallen. Dies gelte auch für den Fall, dass die Zinsen, wie derzeit zu beobachten, weiter leicht anziehen. Denn Versicherer müssen langfristige Garantien geben, sich deshalb auch langfristig an die derzeit schlechten Zinskonditionen binden.

Im Schnitt gibt es 2017 2,6 Prozent

Ein Problem sei auch die so genannte Zins-Zusatz-Reserve, zu der der Gesetzgeber die Versicherer wegen der niedrigen Zinsen verpflichtet hat. Ende 2015 hatten die deutschen Versicherer insgesamt 32 Milliarden Euro in ihren Bilanzen für die Deckung alter Risiken aus Zeiten höherer Garantiezinsen vorgesehen. Ende 2016, sagt Heermann, liege diese Summe bei 46 Milliarden - und könnte bis 2025 auf 150 bis 240 Milliarden Euro wachsen. Das sei kaum zu stemmen, doch fehle vor der Bundestagswahl der politische Wille, die Lebensversicherung in Deutschland zukunftsfähig zu machen.

Die Zinszusatz-Reserve muss unter anderem deshalb steigen, weil auch die Zahl der Versicherten steigt, die im Zuge der sinkenden Überschussbeteiligungen in die Zinsgarantie rutschen. Da die Versicherer für 2017 im Schnitt 2,6 Prozent zugesagt haben, greift nun auch bei Kunden, die seit 2007 in eine Lebensversicherung sparen und damals eine Zusage von 2,75 Prozent pro Jahr erhielten, der Garantie-Modus. Sollten die Zinsen leicht anziehen, sagt Heermann, werde sich das Problem beschleunigen, denn dann würden ja ältere Anleihen mit höheren Zinskupons, von denen die Versicherer zehren, an Wert verlieren.

Policen mit voller Garantie sterben aus

Die klassische Lebensversicherung, glauben die meisten Branchen-Experten, sei deshalb ein Auslaufmodell. Heermann: „Die Zahl der Anbieter, die noch Policen mit der vollen Garantie anbieten, wird weiter fallen, auch wenn die Zinsen wieder steigen.“ So verkauft auch Marktführer Allianz inzwischen das „Perspektive“ genannte Modell mit abgespeckter Garantie öfter als die herkömmliche Variante. Auch hier fällt jedoch das Rendite-Versprechen für 2017 geringer aus, liegt aber mit 2,9 Prozent etwas höher als der Klassiker.

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