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Lebensversicherungen: Karlsruhe setzt auf Transparenz und Kontrolle

Mit dem Urteil zu Kapitallebensversicherungen hat das Bundesverfassungsgericht den Verbrauchern kräftig den Rücken gestärkt. Doch was der Erfolg am Ende in barer Münze wert ist, dazu wagen auch Experten noch keine Prognose.

Karlsruhe (26.07.2005, 16:12 Uhr) - Zwar können zumindest in Zukunft Millionen von Menschen, die per Lebensversicherung fürs Alter vorsorgen, wohl mit etwas höheren Ausschüttungen rechnen. Vor allem aber setzt Karlsruhe auf Transparenz und Kontrolle: Der Kunde muss durchschauen können, was die Versicherungsunternehmen mit seinen monatlichen Prämien eigentlich anstellen.

Davor steht erst einmal ein Gesetzgebungsverfahren. Der Gesetzgeber hat bis Ende 2007 Zeit für eine Neuregelung; die Bundesregierung, die ohnehin an einer Reform des Versicherungsvertragsrechts arbeitet, kündigte am Dienstag eine zügige Umsetzung des Urteils an. Ob freilich die schon laufenden Verträge in den Genuss des gestärkten Verbraucherschutzes kommen, bleibt dem - dann voraussichtlich neu zusammengesetzten - Bundestag überlassen.

In Zukunft dürften die Versicherten am Ende der Vertragslaufzeit von den Karlsruher Vorgaben zu den «stillen Reserven» profitieren. Dieser Teil des Unternehmensvermögens, der sich aus der Differenz zwischen Buch- und Marktwert beispielsweise von Kapitalanlagen oder Immobilien ergibt, fließt bisher gar nicht in die Berechnung der Überschüsse ein. Hier haben die Verfassungsrichter eine Korrektur angemahnt: Die Kunden müssen an diesen Reserven, soweit sie aus ihren Prämien gebildet worden sind, «angemessen» beteiligt werden.

Dennoch gilt, was Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier schon bei der mündlichen Verhandlung im Oktober des vergangenen Jahres gesagt hatte: Für den Einzelnen geht es wohl nicht um riesige Beträge. Zumal auch gewisse Reserven zulässig bleiben dürften, schon deshalb, weil sie den Unternehmen als Puffer gegen Kapitalmarktschwankungen dienen.

Transparenz und Kontrolle: Das sind die Instrumente, mit denen Karlsruhe den Wettbewerb im Lebensversicherungswesen ankurbeln will. Denn der Verbraucher, der in Zeiten unsicherer Renten auf private Altersvorsorge setzt, ist in einer schwachen Position, wie Papier deutlich machte: Die Verträge seien «praktisch nicht verhandelbar» und der Ausstieg aus einem laufenden Vertrag sei «keine wirtschaftlich sinnvolle Option» - weil vor allem zu Beginn der Laufzeit die Ausschüttungen durch hohe Verwaltungskosten weitgehend auffressen werden.

Ein besonderes Augenmerk richtet das Gericht auf die staatliche Kontrolle - mit folgendem Hintergedanken: Wenn der Staat seine Bürger zunehmend auf die private Altersvorsorge verweist, dann muss er im Gegenzug den Verbraucherschutz stärken. Bisher geht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zwar gegen grobe Missstände im Versicherungswesen vor - doch weder sie noch die Zivilgerichte prüfen im Einzelnen, ob die Belange der Verbraucher bei der Berechnung der Überschüsse hinreichend gewahrt sind.

Zwar hält sich der Senat mit konkreten Vorgaben zurück, gibt dem Gesetzgeber aber zumindest ein paar Stichworte an die Hand: Größere Transparenz bei der Entwicklung der Überschüsse, mehr Informationen über Abschluss- und Verwaltungskosten, Aufklärung über vermögensmindernde «Querverrechnungen», leichterer Ausstieg aus Verträgen - das sind die groben Umrisse einer verfassungsgemäßen Reform.

Sollte freilich das Bild der Karlsruher Verhandlung kennzeichnend sein, dann müssen die Gesetzgeber sich nun auf vehemente Lobbyarbeit einstellen: Die Versicherungsbranche war im Oktober mit einer ganzen Heerschar von Vorstandsvorsitzenden, Chefjuristen, Wirtschaftsexperten und Anwälten vors Verfassungsgericht gezogen. (Von Wolfgang Janisch, dpa)

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