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Lebensversicherungen: Stabilitätspakt für die Altersvorsorge

Die Regierung plant umfassende Reformen für die Lebensversicherungen. Betroffen sind alle: Aktionäre, Versicherte und Vertreter.

Mario Draghi lächelt meist freundlich, und mit seinem weichen italienischen Akzent taugt er eigentlich nicht als Feindbild. Trotzdem ist die Finanzbranche auf den Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) gar nicht gut zu sprechen. Seine Niedrigzinspolitik macht ihr das Leben schwer. Seit Dienstag haben vor allem die Versicherer einen Grund mehr, auf den Römer sauer zu sein. Denn die Bundesregierung plant tiefe Einschnitte in ihr Geschäft. „Das führt mit Sicherheit bei den Unternehmen nicht zu Beifallsstürmen“, sagte Michael Meister (CDU), Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, in Berlin. „Denen wird nichts gegeben.“

Treffen wird es vor allem die Aktionäre von Lebensversicherern. Sie werden in Zukunft keine Dividenden mehr bekommen, wenn ihre Gesellschaft die Garantieversprechen an die Kunden nicht mehr erfüllen kann. Außerdem sollen die Versicherten einen größeren Anteil an den Risikogewinnen erhalten, die die Lebensversicherer erzielen: Der Satz soll von 75 auf 90 Prozent steigen. 2012, so Meister, lagen die Risikogewinne der Unternehmen hierzulande bei 800 Millionen Euro. Diese Summe entspreche den Dividenden, die die Branche an ihre Anteilseigner ausgeschüttet habe. Um die Stabilität der Versicherungen zu sichern, soll nach dem Willen von SPD und Union zudem die Finanzaufsicht Bafin mehr Rechte bekommen. Im Falle einer drohenden Schieflage soll sie „vorausschauende Sanierungspläne“ von den Unternehmen verlangen können.

An einem entsprechenden Gesetzentwurf arbeite die Regierung derzeit, sagte Meister. Wann die Reform das Kabinett passieren werde, konnte er am Dienstag nicht sagen. „Die Maßnahmen sollen dazu dienen, dass die garantierten Anteile der Versicherungsnehmer langfristig gesichert sind“, befand Meister. Doch auch die Versicherten selber müssen sich auf Einschnitte einstellen: Der Bund denkt darüber nach, den Garantiezins für die Lebensversicherungspolicen zu senken – von derzeit 1,75 Prozent auf nur noch 1,25 Prozent. Das hatten Versicherungsmathematiker schon zu Beginn des Jahres gefordert. Damit würde die Lebensversicherung, mit 95 Millionen Verträgen eine der beliebtesten Formen der Geldanlage hierzulande, für Neukunden noch unattraktiver als in den vergangenen Jahren ohnehin.

Doch auch wer bereits eine Police hat, wird sich auf Veränderungen einstellen müssen. Die Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven bei festverzinslichen Wertpapieren wird geändert. „Es geht um eine Umverteilung innerhalb der Versichertengemeinschaft“, sagte Meister. Das Problem: Seit 2008 müssen die Versicherer Kunden, deren Vertrag ausläuft oder die ihre Police kündigen, zur Hälfte an den Bewertungsreserven beteiligen. Besonders ins Gewicht fällt das bei den festverzinslichen Wertpapieren, in denen der Löwenanteil der Kapitalanlagen steckt. Während die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere am Dienstag bei gerade einmal 1,32 Prozent lag, ist der Kurs älterer Wertpapiere mit höherem Nominalzins nach oben geschossen. Zwar löst sich dieser Buchgewinn wieder auf, wenn das Papier ausläuft. Das ändert aber nichts daran, dass Kunden, deren Vertrag vorher endet, an diesen Kursgewinnen profitieren. Bei kleinen Verträgen geht es um einige Hundert Euro, bei großen um mehrere Tausend Euro. Für die Versicherer stellen diese Auszahlungen eine enorme Last da. Sie haben im vergangenen Jahr jeden Monat knapp 300 Millionen Euro an Bewertungsreserven ausgeschüttet, berichtet der Branchenverband GDV. Geld, das den Versicherten entgeht, die bei der Stange bleiben.

Das will die Regierung auf Wunsch der Versicherungsbranche ändern. Bei Aktien und Immobilien soll alles beim Alten bleiben, bei festverzinslichen Wertpapieren nicht. Einzelheiten stehen aber noch nicht fest. Unklar ist daher noch, ob die Beteiligung an den Bewertungsreserven – vorübergehend – komplett aufgehoben oder nur eingeschränkt werden soll. Das gilt auch für die Frage, ob ein Stichtag eingeführt werden soll, ab dem die neuen Regeln greifen sollen. Das könnte etwa der Tag des Kabinettsbeschlusses im März oder April sein, an dem die Regierung das Reformpaket beschließt.

Dass die Reform damit in laufende Verträge eingreifen würde, ist nach Meinung von Verbraucherschützern durchaus zulässig. „Vor 2008 gab es gar keine Beteiligung an den Bewertungsreserven“, sagte Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, dem Tagesspiegel. Kunden sollten sich an ihren Versicherer wenden, um ausrechnen zu lassen, ob sie mit einer vorzeitigen Kündigung der Versicherung besser fahren als mit einer Fortsetzung des Vertrags, rät Grieble. Allerdings könnte die Zeit knapp werden. „Den Vertrag muss man zum Monatsende kündigen“, weiß der Verbraucherschützer. Wird die Neuregelung kurzfristig beschlossen, könnte das schwierig werden.

Einbußen muss nach den Plänen der Regierung auch eine weitere Gruppe hinnehmen: die Versicherungsvermittler. Deren Provisionen sollen begrenzt werden. Überdies sollen die Beträge, die an den Vermittler fließen, für den Kunden sichtbar sein, „auf Euro und Cent“, so Meister.

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