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Lebensversicherungen: Weniger fürs Alter

Die Lebensversicherer senken die Zinsen. Betroffen sind Millionen Kunden. Sie bekommen jetzt weniger für ihre Versicherungsbeiträge

Berlin - Die Schuldenkrise kommt jetzt auch bei den Versicherungskunden an. Fast alle großen Gesellschaften werden ihren Versicherten 2012 niedrigere Zinsen für ihre Lebensversicherungen zahlen als im laufenden Jahr. Zudem drängt der Versicherungsverband GDV auf eine Änderung des Aufsichtsrechts und will weniger Rücklagen an die Kunden ausschütten. Betroffen sind Millionen Deutsche. 94 Millionen Lebensversicherungsverträge gibt es – statistisch gesehen hat damit jeder der 82 Millionen Einwohner mindestens eine Police.

Und die wirft künftig weniger Gewinn ab. Nach dem Branchenprimus Allianz haben inzwischen fast alle großen Versicherer verkündet, welche Zinsen sie ihren Kunden für das kommende Jahr versprechen. Die Tendenz ist klar: Es geht bergab – um 0,1 bis 0,25 Prozentpunkte.

Schuld sind die Kapitalmärkte. Den Großteil der Versichertengelder legt die Assekuranz in festverzinslichen Wertpapieren an, 87 Prozent sind es nach Angaben des GDV. Das Problem: Sichere Papiere werfen immer weniger Zinsen ab. So ist die Verzinsung zehnjähriger Bundesanleihen seit Anfang des Jahres von 2,9 auf 1,94 Prozent gesunken. „Die Anpassung der laufenden Verzinsung ist vor dem Hintergrund der veränderten Kapitalanlagewelt unvermeidlich“, sagt Maximilian Zimmerer, Vorstandschef der Allianz Leben. Verbraucherschützer warnen vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Denn Kunden, die ihren Vertrag in den 90er Jahren unterschrieben haben, haben Anspruch auf einen Garantiezins von vier Prozent. Der muss in jedem Fall bedient werden – so lange die Versicherung läuft. Notfalls auf Kosten derjenigen, die später zu einem niedrigeren Garantiezins eingestiegen sind. 2,25 Prozent sind es für aktuelle Policen, für Neuverträge, die nach dem Jahreswechsel abgeschlossen werden, sinkt der Garantiezins auf 1,75 Prozent. Fehlt das Geld, um allen Versicherten eine gleich hohe Überschussbeteiligung zu zahlen, gehen die Alt-Versicherten mit den hohen Garantien vor. „Der Rest bekommt notfalls weniger“, warnt Hajo Köster vom Bund der Versicherten.

Das kann geschehen, wenn die Verzinsung unter die Vier-Prozent-Marke sinkt. Wie bei der Ergo. Der zweitgrößte deutsche Versicherer reduziert die Überschussbeteiligung auf 3,8 Prozent. „Einzelne Abweichungen“, bei denen Versicherte weniger als 3,8 Prozent bekommen, seien möglich, räumt Ergo-Sprecher Robert Hirmer ein. Der GDV verspricht jedoch, dass unterm Strich alle Kunden gleich behandelt werden. Maßgeblich sei die Gesamtverzinsung und die liege fast überall jenseits der Vier-Prozent-Grenze, betont Sprecherin Simone Schuchert. Fragt sich nur, ob das so bleibt. Denn einen Bestandteil der Gesamtverzinsung möchte die Versicherungswirtschaft gern geändert sehen – nämlich die Beteiligung der Versicherten an den stillen Reserven. Die entstehen, wenn Aktien, Immobilien oder festverzinsliche Wertpapiere im Kurs steigen. 50 Prozent dieser Buchgewinne müssen die Versicherer per Gesetz an die Kunden ausschütten, deren Vertrag endet.

Bei den festverzinslichen Wertpapieren, dem Löwenanteil der Kapitalanlagen, wollen die Versicherer das jetzt ändern. Die Buchgewinne seien temporär und lösen sich wieder auf, wenn die Versicherer die Papiere bis zum Ende halten, gibt GDV-Präsident Rolf-Peter Hoenen zu bedenken. Die bestehende Regelung führe dazu, „dass die abgehenden Verträge gegenüber dem verbleibenden Kollektiv unangemessen hoch beteiligt werden“. Daher sollen Buchgewinne aus festverzinslichen Wertpapieren nach Meinung der Versicherer gar nicht mehr an die ausscheidenden Versicherten weitergegeben werden. Die Gespräche mit dem Bundesfinanzministerium über eine Gesetzesänderung laufen. Verbraucherschützer Köster ist empört. Er findet, die Kunden müssten auch weiterhin an den Buchgewinnen beteiligt werden. „Von wessen Geld sind die Papiere denn gekauft worden?“, fragt er.

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