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Erst der Mindestlohn, dann die Tarifeinheit und nun Werkverträge und Leiharbeit – Arbeitsministerin Andrea Nahles hat gut zu tun in dieser Legislaturperiode.

© W. Kumm/dpa

Leiharbeit und Werkverträge: Nahles kommt den Arbeitgebern entgegen

Der Gesetzentwurf der Arbeitsministerin gegen den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit enttäuscht die Gewerkschaften.

Im vergangenen November hat Angela Merkel die Richtung vorgegeben. Damals kritisierte die CDU-Bundeskanzlerin auf dem Arbeitgebertag die Bundesarbeitsministerin, da sie den Koalitionsvertrag zu weit ausgelegt habe. Andrea Nahles (SPD) hatte kurz zuvor Maßnahmen gegen den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit vorgelegt. Die Arbeitgeber waren vor allem empört über einen Kriterienkatalog, mit dem Nahles klarstellen wollte, ob jemand wirklich als Selbstständiger arbeitet oder ob er als Scheinselbstständiger abhängig beschäftigt ist. In dem Fall würde ein Arbeitsverhältnis bestehen und der Arbeitgeber müsste ganz normal Sozialbeiträge für den Arbeitnehmer zahlen. Dieser Kriterienkatalog ist jetzt weg. Nahles hat ihren Gesetzentwurf entschärft.

Ein neuer Paragraph definiert den Arbeitnehmer

Der Text sieht nun eine allgemeine Definition des Arbeitnehmerbegriffs in einem neuen Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch vor. „Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen“, heißt es im Gesetzentwurf. Und weiter: „Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.“

Die Arbeitsministerin zeigte sich am Freitag zuversichtlich, dass die Neuregelungen schnell kommen werden. Ein Kabinettsbeschluss dazu wird für die erste Märzhälfte angepeilt.

Equal Pay gilt nach neun Monaten

Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass Zeitarbeiter im Normalfall nur noch für maximal 18 Monate in einem Betrieb eingesetzt werden dürfen. Nach neun Monaten sollen Leiharbeitnehmer außerdem den gleichen Lohn erhalten wie die Stammbelegschaft („Equal Pay“). Abweichungen von der Höchstüberlassungsdauer und vom Equal Pay sollen dann möglich sein, wenn Gewerkschaften und Arbeitgeber entsprechende tarifvertragliche Vereinbarungen treffen. Diese Möglichkeit, die bereits im ersten Gesetzentwurf enthalten war, hat das Ministerium erweitert und auch für solche Unternehmen geöffnet, die sich nicht an Tarife halten. „Die jetzige Regelung zur Höchstüberlassungsdauer erlaubt abweichende Betriebsvereinbarungen aufgrund eines Tarifvertrages sowohl für tarifgebundene als auch tarifungebundene Unternehmen“, freute sich Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer.

Der DGB ist sauer

Eher säuerlich kommentierte dagegen der DGB den neuen Nahles-Entwurf. „Der Gesetzgeber würde damit weiterhin Dumping in den Betrieben zulassen“, ärgerte sich DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Die Kontrollen gegen den Missbrauch von Werkverträgen würden nicht erleichtert, das „Zweiklassensystem“ in den Betrieben bleibe bestehen. „Die Arbeitgeber wollen ihre unseriösen Praktiken bei Werkverträgen und Leiharbeit weiter fortführen“, meinte Buntenbach. Einen anderen Ton schlug Michael Vassiliadis an, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Der Gesetzentwurf sei „ausbalanciert und wirkungsfähig, es werden angemessene Grenzen zwischen notwendiger Flexibilität und Missbrauch von Zeitarbeit und Werkverträgen gezogen“, ließ sich Vassiliadis gemeinsam mit Margret Suckale vom Chemie-Arbeitgeberverband zitieren. Mit „Wenig Licht, viel Schatten“, überschrieb der Arbeitgeberverband der Personaldienstleister seine Stellungnahme. Die Definition von Equal Pay sei nicht hilfreich und provoziere Klagen von Zeitarbeitern.

Auch die IG Metall ist unzufrieden

Und aus Sicht der IG Metall bleibt Nahles „weit hinter den Notwendigkeiten zurück, einen Missbrauch von Werkverträgen zum Lohndumping zu verhindern“. Die größte deutsche Gewerkschaft hatte im vergangenen Herbst in einer Umfrage unter Betriebsräten ermittelt, dass in mehr als zwei Drittel aller Betriebe Aufträge über Werkverträge fremdvergeben werden. In 73 Prozent der Unternehmen gaben die Betriebsräte an, „dass die Beschäftigten in Werkvertragsfirmen zu schlechteren Arbeits- und Entgeltbedingungen arbeiten müssen“.

Im Koalitionsvertrag heißt es, „rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von Arbeitnehmern müssen verhindert werden“. Dazu sollen die „durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßem und missbräuchlichem Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt werden“. Ob das Nahles mit ihrem Gesetz gelingt, wird sich allerdings wohl erst in einigen Jahren zeigen.

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