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Abschluss für die Metaller. Wer als Leiharbeiter länger als sechs Wochen im selben Betrieb eingesetzt wird, bekommt 15 Prozent mehr, nach neun Monaten sind es 50 Prozent.

© dpa

Leiharbeit: Ursula von der Leyen bleibt im Spiel

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – der Konflikt um die Bezahlung von Leiharbeitern ist nicht gelöst.

Wenn ein Arbeitgeber das Gehalt seiner Leute um 50 Prozent erhöhen muss, dann tut das richtig weh. Und doch wird in diesem Fall der Schmerz hingenommen: besser mehr zahlen, als sich vom Gesetzgeber die Löhne diktieren lassen. Nach diesem Motto bewerten die Leiharbeitsfirmen die vor einer Woche mit der IG Metall vereinbarten Branchenzuschläge: In mehreren Stufen wird vom kommenden November an das Gehalt der rund 240.000 in der Metall- und Elektroindustrie tätigen Zeitarbeitskräfte angehoben. Wer länger als sechs Wochen in demselben Betrieb eingesetzt wird, bekommt einen Aufschlag um 15 Prozent. Nach neun Monaten tritt dann die letzte Stufe in Kraft, jetzt gibt es 50 Prozent mehr Geld für den Leiharbeiter.

„Dieses Beispiel muss jetzt Schule machen und auf alle Branchen, die Zeitarbeit nutzen, übertragen werden“, freute sich Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) über die Metallindustrie, in der rund ein Viertel der 850.000 Leiharbeitnehmer beschäftigt ist. Dass es einen Stufenplan Richtung Equal Pay gibt, liegt auch an von der Leyen. Die Ministerin hatte angedroht, der Leiharbeitsbranche Equal Pay, also gleichen Lohn für gleiche Arbeit, zu verordnen, sofern es keine Verständigung der Tarifparteien gebe. Die gibt es jetzt – aber erst mal nur für die Metaller. Anfang Juni wollen sich die Arbeitgeber der Zeitarbeit mit der IG BCE auf eine ähnliche Stufenlösung für die Chemie einigen. Dann sind die großen Industriebereiche abgedeckt. Aber was ist mit den Dienstleistungen? Von der Leyen will in den kommenden Monaten das Geschehen rund um die Leiharbeit „aufmerksam begleiten und prüfen, ob und in welchem Umfang noch Handlungsbedarf für den Gesetzgeber besteht“.

Darauf setzt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, in deren Organisationsbereich sich schätzungsweise 200.000 Leiharbeiter verdingen. So wie die IG Metall werde man auf keinen Fall einen Vertrag mit den Leiharbeitgebern machen, sagt Verdi-Sprecher Christoph Schmitz, denn „viele gucken in die Röhre“. Er meint die Zeitarbeiter, die weniger als sechs Wochen in einem Betrieb arbeiten und keinen Zuschlag bekommen. Und das sind Verdi zufolge viele. In den Dienstleistungsbereichen würden die Arbeitskräfte oft alle paar Wochen von einer Firma zur nächsten gereicht. Und überhaupt arbeiteten viele Leihkräfte im Handel oder im Nahverkehr, im Gesundheitswesen oder der Druckindustrie unterhalb der Sechs-Wochen-Stufe. Mindestens die Hälfte aller Leihkräfte sei weniger als drei Monate im Betrieb. „Deshalb beharren wir auf gleichem Lohn für gleiche Arbeit vom ersten Tag an“, bekräftigt Schmitz.

Verdi will, dass "die Politik was tut".

Das klingt gut, aber wie will Verdi das durchsetzen, wenn schon die viel stärkere IG Metall für die ersten sechs Wochen keinen zusätzlichen Cent herausgeholt hat? „Wir erwarten, dass die Politik was tut“, sagt Schmitz. Die mit 2,1 Millionen Mitgliedern zweitgrößte deutsche Gewerkschaft ruft weiter nach Ursula von der Leyen. Aber die kann sich jetzt hinter den Stufenplänen in der Industrie verstecken und ihrerseits Verdi auffordern, ähnlich zu verfahren wie IG Metall und IG BCE.

An dieser Stelle zeigt sich ein grundsätzlicher Dissens zwischen den Industriegewerkschaften und Verdi. Bereits in der Auseinandersetzung um einem gesetzlichen Mindestlohn waren die unterschiedlichen Standpunkte deutlich: Metaller und Chemiker verwiesen auf Tarifautonomie und eigene Tarifmacht und wollten Untergrenzen selbst festlegen; die Kraft dazu haben sie. Verdis Truppen sind dagegen schwach. In vielen Branchen – Handel, Hotel, Gastronomie, Pflegedienstleistungen, Verkehr – hat die Dienstleistungsgewerkschaft so wenige Mitglieder, dass keine ordentlichen Tarife durchgesetzt werden. Also ruft Verdi-Chef Frank Bsirske seit Jahren nach einem gesetzlichen Mindestlohn – und nach Equal Pay für Leiharbeiter, vom ersten Tag an.

Aber wie sinnvoll ist das? Oder wie gefährlich? Die Arbeitgeber hätten am liebsten in der Metallindustrie den ersten Zuschlag erst nach drei Monaten gezahlt oder zumindest eine Sonderregelung für die unteren Entgeltgruppen getroffen. Denn rund ein Drittel der Leihkräfte hat keine Berufsausbildung und kommt deshalb nur für schlecht bezahlte Einsätze in Betracht. Wenn diese Arbeitskräfte viel teurer werden, will sie keiner mehr.

Und dann gibt es noch ein anderes Phänomen. Weil Leiharbeit an Attraktivität verliert, weichen Firmen auf Werkverträge aus. Eine Art von Scheinselbstständigkeit, wie sie vor allem in der Ernährungsindustrie verbreitet ist. In Schlachthöfen arbeiten bis zu 90 Prozent der Belegschaft auf dieser Basis. Alles in allem sind in der Ernährungsindustrie schon mehr Werkvertrags- als Leiharbeiter unterwegs – für sechs Euro weniger als die Stammkräfte. Die Schlussfolgerung der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten: Von der Leyen soll einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro einführen.

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