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Leihautos: Mieten statt kaufen

Verkehrsexperten aus aller Welt schauen neuerdings mit großem Interesse nach Ulm. Dort gibt es Mietautos zum Minutenpreis, die sich jeder Teilnehmer spontan ausleihen und ebenso spontan anderswo wieder abstellen kann.

Die Stadt an der Donau hat sich seit März dieses Jahres in einen Testparcours für die Mobilität von morgen verwandelt, und ihre Bewohner in Testpiloten. „Car2Go“ – Auto zum Mitnehmen – heißt das Pilotprojekt, mit dem der Autohersteller Daimler ein neues Geschäftsmodell für moderne Großstädte ausprobieren möchte: Mietautos zum Minutenpreis, die sich jeder Teilnehmer spontan ausleihen und ebenso spontan anderswo wieder abstellen kann.

Mieten statt kaufen – das Konzept ist Berlinern bereits seit Jahren von den Mietfahrrädern der Deutschen Bahn bekannt. Per Telefonanruf können Nutzer des „CallABike“-Angebots den Freischaltcode für das Fahrradschloss einholen und direkt losradeln. Abgerechnet wird zum Minutenpreis, für Vielfahrer lohnt sich eine Jahrespauschale.

Daimler hat das Konzept nun auf das Auto übertragen: Für 19 Cent die Minute können Ulmer sich einen von 200 im Stadtgebiet verteilten Smarts mieten, ohne Anmeldung, ohne festgelegte Mietdauer, inklusive Benzin und Steuern. Abstellen kann man den Kleinwagen auf jedem kostenlosen Parkplatz im Stadtgebiet, außerdem auf eigens angemieteten Parkplätzen vor dem Bahnhof oder in Parkhäusern. Die zufällig Verteilung macht möglich, dass meist ein Fahrzeug in fußläufiger Entfernung bereit steht. Im Internet und auf dem Handy kann man den Standort finden. „Car2Go ist als Ergänzung zum Carsharing und zum öffentlichen Nahverkehr gedacht“, sagt Projektleiter Robert Henrich. „Wir wollen Städte auf eine umweltfreundliche, flexible und praktische Weise mobil halten.“

Fragt man Verkehrsforscher wie Andreas Knie, dann liegt in solchen Mietsystemen der Schlüssel für die städtische Mobilität der Zukunft. „Wir müssen unsere Ressourcen in Zukunft viel effizienter nutzen“, sagt der Geschäftsführer des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel in Berlin. Parkplatzmiete, Benzin, Abgassteuern, City- Maut – das alles werde das Privatauto teurer machen. Zudem verliere das Auto als Statussymbol an Bedeutung, Mobilität geschehe spontaner und pragmatischer. „Die Autokonzerne müssen darum ihre Identität erweitern, vom Hersteller zum Mobilitätsdienstleister“, sagt der Verkehrsforscher.

Daimler scheint es ernst zu sein. Car2Go startet Mitte November auch im texanischen Austin. Eine „signifikante zweistellige Anzahl“ an Städten habe Interesse bekundet, sagt Robert Henrich. Als heißer Kandidat gilt auch Paris. Die französische Metropole hat ein flexibles Auto-Mietsystem mit insgesamt 4000 Fahrzeugen ausgeschrieben, nachdem sich in der Hauptstadt bereits 20 000 Mietfahrräder an mehr als tausend Stationen als Renner erwiesen haben. Doch während die Zweiräder zum Teil mit Werbung finanziert werden, müssen die Auto-Mietsysteme erst noch beweisen, dass sie für die Betreiber auch rentabel sind. 

Andreas Menn

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