zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Letzte Rettung

BERLIN .Zwanzig Jahre lang hat sich Gabriele Liemann mit Kabeln, Kameras und Kostümen herumgeschlagen - zuletzt als Aufnahmeleiterin beim Deutschen Fernsehfunk in Berlin-Adlershof.

BERLIN .Zwanzig Jahre lang hat sich Gabriele Liemann mit Kabeln, Kameras und Kostümen herumgeschlagen - zuletzt als Aufnahmeleiterin beim Deutschen Fernsehfunk in Berlin-Adlershof.Als die Gesellschaft vor acht Jahren aufgelöst wurde, mußte sie gehen: "Für die Älteren", sagt die heute 56jährige, "gab es keine Chance mehr, in dem Bereich unterzukommen".Wie für viele Menschen in den Neuen Bundesländern begann für sie eine schier endlose Odyssee durch den sogenannten zweiten Arbeitsmarkt, den Markt der Arbeitsbeschäftigungsmaßnahmen (ABM).

Seit Ende 1997 arbeitet sie in der "Schulstation" der Bouché-Grundschule in Berlin-Treptow.Das ist bereits ihre dritte ABM-Stelle: Zwei Jahre Arbeit in einem Kindergarten und genau so viele in einem Jugendheim hat sie bereits hinter sich.Einer festen Stelle ist sie dadurch nicht näher gekommen.

Das "Schulstation-Projekt" hat die Berliner Beschäftigungsgesellschaft "Tandem" vor vier Jahren aus der Taufe gehoben.In rund dreißig Berliner Grundschulen können seitdem Kinder, die besonders aggressiv oder unruhig sind, während der Unterrichtszeit auf der "Schulstation" betreut werden."Die Lehrer bringen die Kinder zu uns - wir reden dann mit ihnen, lassen sie aber auch in Ruhe, wenn sie erstmal nicht ansprechbar sind", erzählt Gabriele Lehmann.Wenn die Kinder sich dann beruhigt haben, wird mit ihnen der Unterrichtsstoff durchgegangen.Nach dem Unterricht kommen die Schüler dann freiwillig, bis drei Uhr nachmittags ist die Schulstation offen.

"Anders als mit ABM kann man sich ab fünfzig nicht mehr über Wasser halten", begründet Liemann ihre ABM-Reise.Ihre Kollegin aus Köpenick, Edith Nikolajew, sieht das ähnlich."Von den Frauen in unserem Alter finden höchstens zwei bis drei Prozent wieder Arbeit".Auch bei Tandem muß man zugeben, daß noch kein einziger Mitarbeiter des Projektes einen festen Arbeitsplatz gefunden hat.Und das, obwohl die Frauen geschult und weiterqualifiziert werden.

Für ABM-Stellen gibt die Bundesanstalt für Arbeit (BfA) jedes Jahr ein Vermögen aus.Allein für 1999 hat sie 27,4 Milliarden für Beschäftigungsmaßnahmen eingeplant.Wieviele Menschen nach einer ABM-Stelle einen festen Arbeitsplatz finden, weiß keiner.Weder die BfA noch die Senatsverwaltung in Berlin können Zahlen nennen.Das soll sich aber ändern.Laut Roland Schütz, Pressesprecher bei der BfA, soll von diesem Jahr an alle sechs Monate eine "Eingliederungsbilanz" erstellt werden.

Edith Nikolajew und Gabriele Lehmann machen sich jedenfalls keine Illusionen über ihre Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt.Ihnen bleibt nur noch die Hoffnung auf eine Verlängerung ihrer Stellen, richtig glauben tun sie allerdings auch daran nicht."Dabei sparen wir dem Staat doch Geld, denn wir verhindern Kriminalität", meint Edith Nikolajew."Ich fange die Kinder auf.Die haben geklaut, bevor Sie zu meiner Station kamen." Auch Schulleiter Tilo Rosenkranz ist nicht zufrieden mit der ungewissen Situation: "Die Kinder haben wirklich Fortschritte gemacht, Vertrauen gefaßt.Da können die Leute nicht jedes Jahr wechseln." "Das ist doch eine Schleuderbrettnummer", sagt auch Nikolajew."Ich neige wirklich nicht zu Depressionen, aber wenn man nie weiß wie es weitergeht ...".

KATHARINA VOSS

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false