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Letzter Platz in Europa: Wohnungsbau: Tiefstand seit der Wiedervereinigung

Keiner will bauen: Experten rechnen vor, dass in Deutschland jährlich rund 100.000 Wohnungen mehr entstehen müssten.

Werden in Deutschland zu wenige Häuser und Wohnungen gebaut? Mit einer Neubauquote von zuletzt nur noch zwei neuen Wohneinheiten je 1000 Einwohner liegt die Bundesrepublik nach einer Untersuchung der Landesbausparkassen seit fünf Jahren auf dem letzten Platz in Europa. Zum Vergleich: In Spanien, wo die Immobilienblase im vergangenen Jahr besonders laut geplatzt ist, werden noch immer noch mehr als drei Mal so viele Wohnungen gebaut.

Seit Mitte der neunziger Jahre ist die Neubautätigkeit in Deutschland um mehr als zwei Drittel zurückgegangen. Auch im Vergleich mit ihren unmittelbaren Nachbarstaaten schneiden die Deutschen nicht allzu gut ab: In den Niederlanden, Belgien, Österreich, Dänemark, der Schweiz und Frankreich ist das Neubau-Niveau teilweise mehr als doppelt so hoch. Im vergangenen Jahr wurden in der Bundesrepublik nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nur noch 175000 Baugenehmigungen erteilt – der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung. Zum Vergleich: Im Rekordjahr 1994 entstanden in Deutschland mehr als 700 000 neue Wohneinheiten.

Nach einer Hochrechnung der Landesbausparkassen müssten wegen der steigenden Zahl der Haushalte, dem wachsenden Bedarf an Wohnfläche bei Mietern und Eigentümern und dem zunehmenden Verfall von Altbauten jedes Jahr mindestens 270 000 neue Wohneinheiten entstehen. Andernfalls, heißt es in der Studie, drohten vor allem in den großen Städten und deren Umland weitere Miet- und Preissteigerungen. Selbst wenn etliche Institute ihre Prognosen zuletzt nach unten korrigiert hätten, „liegt der Bedarf mit Sicherheit deutlich über der aktuellen Neubautätigkeit“. Danach verschwinden jedes Jahr allein zwischen 150 000 und 200 000 von insgesamt knapp 40 Millionen Wohnungen vom Markt, weil sich ihre Sanierung nicht mehr lohnt.

Nach einer Umfrage des Forsa-Institutes im Auftrag der privaten Bausparkassen gewinnen die eigenen vier Wände vor allem für junge Menschen wieder an Reiz: Danach wollen 15 Prozent aller Mieter zwischen 20 und 40 Jahren innerhalb der nächsten fünf Jahre ein neues Haus bauen oder eine neue Wohnung kaufen, in der Einkommensklasse von mehr als 3000 Euro netto sind es sogar 23 Prozent. Diese Werte seien „ein ermutigendes Signal“, betonte der Vorsitzende des Verbandes, Andreas J. Zehnder. Allerdings sei zwei Dritteln der Mieter die wirtschaftliche Lage im Moment zu unsicher, um sich eine eigene Immobilie anzuschaffen.

Wegen der Wirtschaftskrise und den steigenden Arbeitslosenzahlen rechnet auch der Hauptverband der deutschen Bauindustrie im dritten Jahr ohne Eigenheimzulage mit einem weiteren Rückgang. „Der Wohnungsneubau bleibt unser Sorgenkind“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer des Verbandes, Heiko Stiepelmann. Besonders stark ist in Deutschland zuletzt die Nachfrage nach Ein- und Zweifamilienhäusern gesunken: Hier fiel die Zahl der Baugenehmigungen im vergangenen Jahr nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden um 6,9 beziehungsweise um 6,0 Prozent.

Veronika Csizi

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