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Eine Ölverteilerstation von Wintershall in Libyen

© dpa

Libyen: Unruhen könnten deutsche Firmen länger abschrecken

Nach Ägypten kehren die Mitarbeiter deutscher Unternehmen inzwischen zurück. Dass dies auch im Fall Libyens so schnell geschehen könnte, halten Experten für fraglich.

Es beginnt mit einem Missverständnis. Auf der Suche nach Stimmen, wie deutsche und libysche Unternehmen mit den dramatischen politischen Ereignissen in dem nordafrikanischen Staat umgehen, fällt dieser Termin ins Auge: Am 19. Februar, verkündet die Homepage der Libyan-German-Chamber of Industry and Commerce (LGC), fand der gemeinsame Wirtschaftstag in Berlin statt. Unter den Vortragenden waren ein Mitarbeiter des libyschen Gesundheitsministeriums, Vertreter der Deutschen Bank, des Ölförderers Wintershall und des Baukonzerns Bilfinger-Berger.

Dann die Enttäuschung. „Nein, diese Veranstaltung hat nicht in diesem Jahr stattgefunden“, sagt die freundliche Frau am anderen Ende der Telefonleitung. Der Eintrag auf der Webseite ist bereits ein Jahr alt, die Jahreszahl fehlte. Ein offizieller Vertreter der LGC ist nicht zu sprechen. „In diesem Moment geht es nicht um die wirtschaftliche Beziehung beider Länder, es geht vielmehr um die katastrophalen Zustände in Libyen“, heißt es in einer kurz nach dem Telefonat verschickten Erklärung des LGC-Vorsitzenden Bernd Roll.

Für deutsche Unternehmen, die in Libyen tätig sind, trifft diese Aussage ebenfalls zu, allerdings bezogen darauf, dass sie ihre eigenen Mitarbeiter in Sicherheit bringen und ihre Produktionsstätten schützen müssen. Zwar sei lediglich eine Handvoll deutscher Unternehmen mit eigenen Niederlassungen in Libyen aktiv, sagt Felix Neugart, Nordafrika-Experte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Er geht davon aus, dass inzwischen die meisten von ihnen ihre Mitarbeiter zurückgeholt haben. Doch die Lage in dem Land sei „sehr unübersichtlich“.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind in den vergangenen Tagen viele der rund 400 Deutschen und ihre Angehörigen ausgeflogen worden. Weitere Sondermaschinen werden eingesetzt.

Für die deutsche Wirtschaft hat Libyen vor allem für die Energieversorgung Bedeutung. Es ist der fünftgrößte Rohöllieferant, im vergangenen Jahr wurde Öl im Wert von rund drei Milliarden aus dem nordafrikanischen Staat importiert. Konzerne wie BASF mit seiner Tochter Wintershall oder RWE mit Dea machen vor Ort mit dem Rohstoff Geschäfte. Hinzu kommen Mittelstandsunternehmen. „Deutsche Mittelständler, die sich in Libyen engagieren, sind beispielsweise Baufirmen, Architektur- und Ingenieurbüros sowie Zulieferer für Infrastrukturprojekte und der Ölindustrie“, sagt Neugart.

Nach Kenntnis der IHK Berlin arbeiten 15 Unternehmen aus der deutschen Hauptstadt mit Firmen in Libyen zusammen. Öffentlich äußern will sich derzeit keines der Berliner Unternehmen. Zuletzt seien Waren im Wert von 15,6 Millionen Euro dorthin ausgeliefert worden. Als Exportmarkt ist Libyen für die deutsche Wirtschaft weniger wichtig als etwa Ägypten. 2009 führten deutsche Unternehmen Waren und Dienstleistungen im Wert von gut einer Milliarde Euro in den Gaddafi-Staat aus. Das Importvolumen war etwa dreimal so groß.

Den Vorwurf mit einem diktatorischen System Handel zu betreiben, wollen deutsche Unternehmen nicht gelten lassen. Man liefere vorwiegend Maschinen, Autos und Lebensmittel nach Libyen. „Ich sehe daran nichts Verwerfliches“, sagt Katrin Laskowski vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft im Gespräch mit DRadio-Kultur. Sie sehe jedoch durchaus, dass auf die Führung in Tripolis auch wirtschaftlicher Druck ausgeübt werden müsse. „Da müssen Sanktionen her.“

Wie sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Libyen und Deutschland in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln, will momentan niemand beurteilen. „Aus der derzeitigen Lage in Libyen heraus Prognosen über die künftige Entwicklung zu treffen, gleicht einem Blick in die Kristallkugel“, urteilt Neugart.

Nach Ägypten sind die Angehörigen deutscher Firmen inzwischen zurückgekehrt. „Dort herrschte aber unserer Einschätzung auch nie Gefahr für Leib und Leben“, sagt Harald Bock von der Deutsch-Arabischen-Gesellschaft in Berlin. Das sei in Libyen definitiv anders. Hinzu kommen kulturelle Unterschiede, die Rückschlüsse nahezu unmöglich machen. „Jedes Land in Nordafrika ist anders strukturiert – in Libyen spielen beispielsweise Stämme eine größere Rolle als in Ägypten oder Tunesien“, gibt DIHK-Experte Neugart zu bedenken.

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