zum Hauptinhalt

Lidl: Darf ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter überwachen?

Der Lidl-Konzern sorgt wieder einmal für Schlagzeilen: Dieses Mal geht es nicht um schlechte Arbeitsbedingungen und Ausbeute, sondern um die Bespitzelung der eigenen Mitarbeiter. So lautet zumindest der Vorwurf. Darf ein Arbeitgeber das? Torsten Glinke, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln, bringt Licht in den rechtlichen Dschungel.

Lidl soll seine Mitarbeiter bespitzelt haben. Angeblich wurde genauestens dokumentiert, wie oft die Mitarbeiter auf Toilette gehen, wie fleißig sie arbeiten oder mit wem sie möglicherweise ein Techtelmechtel haben. Darf ein Arbeitgeber das?

Zuerst einmal müsste geklärt werden, ob die Mitarbeiter wussten, dass überall Kameras waren. Das ist bei Lidl nicht unwahrscheinlich, denn im Einzelhandel werden zumeist Kameras eingesetzt, um beispielsweise Ladendiebstähle aufzudecken. Geht man also davon aus, dass die Mitarbeiter von den Kameras gewusst haben, dann muss ihnen auch klar sein, dass sie durchgehend gefilmt werden könnten. Die nächste Frage ist dann, inwiefern die Kameraaufzeichnungen vom Arbeitgeber exzessiv ausgewertet wurden. Natürlich geht es einen Arbeitgeber eigentlich nichts an, mit wem seine Mitarbeiter flirten oder wann sie auf Toilette gehen. Moralisch ist das sicherlich nicht in Ordnung. Aber verboten ist es explizit nicht.

Gehen wir also davon aus, Mitarbeiter wissen von Kameras an ihrem Arbeitsplatz. Darf der Arbeitgeber die Videos, die ja eigentlich zur Verhinderung von Diebstählen etc. aufgenommen wurden, gegen seine Mitarbeiter einsetzen?

An dieser Stelle wird es interessant, denn es geht dann um das Video als Beweismittel. Sieht man auf dem Video beispielsweise, wie eine Kassiererin in die Kasse greift und stiehlt, kann das Video als Beweis genutzt werden. Auch, wenn ein Mitarbeiter alle zehn Minuten in den Hof geht, um eine Zigarette zu rauchen und er eigentlich nur alle zwei Stunden eine offizielle Raucherpause hat, kann das Video als Beweis gelten und der Mitarbeiter abgemahnt werden. In anderen Fällen wird es allerdings schwierig. Letztlich wird es vor Gericht immer eine Einzelfallentscheidung sein.

Wie sieht der Fall aber aus, wenn Mitarbeiter nicht wissen, dass sie von Kameras überwacht werden?

Der Arbeitgeber darf nicht einfach so seine Mitarbeiter per Kamera überwachen. Im Einzelhandel ist es wie gesagt üblich, den Laden mit Kameras auszustatten, aber das wissen die Mitarbeiter dann auch. Wer dann noch in die Kasse greift, ist selber Schuld. Eine weitere Möglichkeit für den Arbeitgeber ist es, sich mit dem Betriebsrat abzusprechen: Stimmt dieser der Überwachung der Arbeitsräume mit Kameras zu, ist es rechtens. Auch kann ein Arbeitgeber natürlich immer Vorgesetzte oder Kollegen auf einen Mitarbeiter ansetzten und sagen: „Behalte den mal im Auge.“ Aber sollte ein Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats und ohne Wissen der Mitarbeiter Kameras installieren, dann dürfen die Bilder später nicht als Beweismittel genutzt werden. Es gilt dann das Beweisverwertungsverbot.

Kann ich mich denn davor schützen, überwacht zu werden?

In bestimmten Berufsbereichen wird das schwierig. Dass in Kaufhäusern oder Supermärkten Kameras hängen, ist kein Geheimnis. Und wer dort arbeitet, muss sich wohl damit abfinden. In vielen Bereichen ist es jedoch nicht üblich. Und wenn dort trotzdem ohne Zustimmung des Betriebsrates, oder - falls es keinen Betriebsrat gibt – ohne in Kenntnis-Setzung der Mitarbeiter Kameras installiert werden, die den Arbeitsplatz überwachen, dann können diese Aufnahmen zumindest nicht gegen die Mitarbeiter eingesetzt werden. Außerdem bleibt dem Mitarbeiter noch die Möglichkeit, auf Unterlassung zu klagen.

Das Interview führte Simone Bartsch.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false