zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Lieber Ich-AG als gar kein Geld

Die Hartz-IV-Reform hat dazu geführt, dass Arbeitslose zu Unternehmern werden – auf Staatskosten

Berlin - Ich-AGs haben in den vergangenen Monaten einen überraschenden Boom erlebt. Auslöser für die neue Gründerwelle ist die Hartz-IV-Reform: Arbeitslose deren Antrag auf das Arbeitslosengeld II abgelehnt worden ist, scheinen die Ich-AGs zu nutzen, um weiterhin finanzielle Unterstützung von der Bundesarbeitsagentur zu erhalten. „Wir haben es weniger mit einer ernsthaften Gründungswelle zu tun, als mit taktischen Maßnahmen, um eine doch recht üppige Förderung einzustreichen“, sagte Herbert Buscher, Arbeitsmarktexperte beim Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), dem Tagesspiegel. Der Verdacht, dass es um die Suche nach finanzieller Förderung gehe, sei durchaus begründet, meint auch Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW).

Registrierte die Bundesagentur für Arbeit im November vergangenen Jahres noch 14700 Neuzugänge bei den Ich- AGs, so waren es im Dezember schon 23200 und im Januar sogar 26900. Sowohl die Arbeitsagentur als auch Arbeitsmarktexperten bezeichnen diese Zahlen als ungewöhnlich hoch. „Typischerweise geht die Zahl der Neuzugänge beim Überbrückungsgeld und bei den Ich-AGs im Dezember aus saisonalen Gründen stark zurück“, sagte DIW-Präsident Zimmermann dem Tagesspiegel. Auch in Berlin verzeichnete die Arbeitsagentur erheblich mehr neue Ich-AGs: So stieg im Dezember die Zahl der Neugründungen um 3691 auf 17179. Das liegt weit über dem Berliner Durchschnitt von rund 1000 Neuzugängen pro Monat.

Bereits im Vorfeld der Einführung des ArbeitslosengeldsII hatte die Bundesregierung befürchtet, dass es einen Run auf die Ich-AGs geben werde. Denn Gewerkschaften und Verbraucherschützer hatten Arbeitslosen, die ab Januar kein ArbeitslosengeldII mehr erhalten – weil etwa das Einkommen ihres Lebenspartners zu hoch ist – empfohlen, eine Ich-AG zu gründen. Schließlich ist eine monatliche Förderung von 600 Euro im ersten Jahr (siehe Kasten) immer noch besser als gar keine Leistung – auch wenn von den 600 Euro Krankenkassen- und Rentenbeitrag bezahlt werden müssen.

Deshalb war die Regelung der Ich-AGs zum 1. November 2004 verschärft worden: Antragsteller müssen seitdem einen Businessplan, einen Finanzierungs- und Gewinnerwartungsplan vorlegen, der von externen Gutachtern, etwa den IHKs, geprüft werden muss. Gebracht hat das wenig. „Wenn die Motivlage zur Gründung einer Ich-AG vor allem darin besteht, weiterhin staatliche Transferleistungen zu erhalten, dann gibt es dazu genügend Möglichkeiten – trotz des verschärften Zulassungsverfahrens“, sagt Frank Wießner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Ein fertiger Businessplan kann beispielsweise aus dem Internet heruntergeladen werden. Zudem erhalten die externen Gutachter keine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit. „Da sollte man keine überzogenen Erwartungen haben, denn auch die Prüfstellen wollen möglichst kostengünstig arbeiten“, so Wießner.

Im Februar ist die Zahl der neu gegründeten Ich-AGs massiv gesunken – auf 5100. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Gründungsboom der Vormonate vor allem mit Hartz-IV zu tun hat: Arbeitslose, deren Antrag auf ArbeitslosengeldII abgelehnt worden ist, hatten nach Erhalt des Bescheids nur vier Wochen Zeit, um die Ich-AG-Förderung zu beantragen.

Dagmar Rosenfeld

Zur Startseite