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Städtereisen waren mit einem Anteil von 19 Prozent im vergangenen Jahr die Nummer eins beim Urlaub im Inland, auch viele Auslandsziele sind beliebt.

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Lieber kürzer, aber öfter: Wie sich die Reisegewohnheiten der Deutschen ändern

Schnell mal weg: Nur ein großer Urlaub im Jahr genügt den Leuten nicht mehr. Der Trend geht zu Zweit- und Drittferien. Warum das so ist und wer davon profitiert.

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Malaysia stellt sich vor. Myanmar will sich entdecken lassen. Masuren ist dabei. Und natürlich lockt Mexiko, als Partnerland, mit Maya-Tempeln, Sonne und Strand. „Wir zeigen Dir die schönsten Reiseziele der Welt“, werben die Macher der Messe ITB, die kommende Woche unter dem Funkturm startet. Eigentlich interessiert die meisten Urlauber aber vor allem das, was vor ihrer Haustür liegt: Jeder vierte Bundesbürger plant Ferien im eigenen Land. Und das nicht nur einmal: Viele gönnen sich gleich mehrmals im Jahr eine Auszeit – die dann dafür kürzer ist. Palmen, exotische Kulturen, andere Bräuche und Sitten stehen nicht an erster Stelle.

Der Trend ist beständig: Haben die Deutschen 1980 im Schnitt noch 18,2 Tage an ihrem Ferienort verbracht, sind es heute nur noch 12,1 Tage. „Aus den schönsten Wochen des Jahres sind zunehmend die schönsten Tage des Jahres geworden“, sagt Ulrich Reinhardt. Er erforscht Reisetrends für die Stiftung für Zukunftsfragen. „Früher haben sich Familien einen Jahresurlaub im Jahr geleistet, das war’s“, berichtet er. Heute sparen die Menschen dagegen am Sommerurlaub, um zusätzlich ein bis zwei weitere, dafür aber kürzere Reisen zu unternehmen. Die schönste Zeit des Jahres wird immer mehr dosiert – und die Verbraucher wollen nicht mehr ein ganzes Jahr auf die nächste Reise warten. Jeder fünfte Deutsche ist im vergangenen Jahr gleich mehrfach verreist.

Die Reiseabsichten der Deutschen 2014.
Die Reiseabsichten der Deutschen 2014.

© Tsp/Pieper-Meyer

Der Trend sorgt für Verschiebungen in der Branche. Vor allem Städte stehen bei Ex-und-Hopp-Urlaubern hoch im Kurs. Nicht nur in Berlin sind die Besucherzahlen in den vergangenen Jahren dramatisch in die Höhe geschnellt – auch wegen Billigfliegern und Fernbus-Linien. Daneben sind Ziele beliebt, die mit dem Auto gut zu erreichen sind – neben den Niederlanden und Österreich sei Polens Ostseeküste im Kommen, berichtet Susanne Stünckel vom Reisekonzern Tui.

Das Leben ist rastlos geworden

In die Berge und ans Die Leute verreisen auch deshalb mehr, weil sie es können – der Wohlstand ist beständig gestiegen, zugleich sitzt das Geld angesichts der dauerhaft niedrigen Zinsen sehr locker. „Gerade kürzere Reisen und Städtetrips sind etwas, das man sich zusätzlich gönnt“, sagt Martin Lohmann, Berater bei der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen. „Der typische Berlin-Tourist war in diesem Jahr bereits Skilaufen, und er fährt im Sommer auch noch für zwei Wochen ans Meer.“ Auch Menschen, die sich früher gar keinen Urlaub hätten leisten können, seien dazu mittlerweile in der Lage – deren Auszeiten seien gleichwohl entsprechend kürzer.

Ohnehin sind die Deutschen Urlaubs-Experten – hier haben die Arbeitnehmer so viele freie Tage wie in kaum einem anderen Land. Der gesetzliche Anspruch liegt bei 20 Tagen, die meisten Unternehmen gewähren 30 Tage. Amerikaner kommen dagegen im Minimum nur auf 14 Tage, Japaner sogar nur auf acht.

Doch auch die beschleunigte moderne Arbeitswelt steht hinter dem Wunsch nach der schnellen Auszeit. Eine „Rastlosigkeit des modernen Lebens“ hat Anja Kirig ausgemacht. Sie ist Trendforscherin am Münchener Zukunftsinstitut von Matthias Horx. Nach „Ruheinseln“ suchten die gestressten Arbeitsmenschen daher immer häufiger. „Die findet man, indem man sich an einen anderen Ort begibt.“ Früher habe ein dreiwöchiger Urlaub gereicht, um sich zu erholen, findet Kirig. „Heute sind mehrere kleine Pausen nötig, um den hektischen Alltag zu überstehen.“ Der Trend zum Kurzurlaub werde daher eher noch zunehmen. „Wer richtig lange verreisen will, der macht gleich ein Sabbatical.“

Wer von den veränderten Reisegewohnheiten profitiert

Zu den größten Nutznießern des Trends zur Kurzreise gehören die Bahn, Fluggesellschaften und neuerdings Fernbus-Anbieter. Sie verzeichnen eine steigende Nachfrage – so hat die Zahl der Flugbewegungen hierzulande in den vergangenen 20 Jahren um ein Drittel zugenommen, auch die Auslastung von ICEs und ICs steigt. Zwar kann kein Betreiber exakt messen, welcher Fahrgast geschäftlich reist und wer als Tourist unterwegs ist. Aber ohne das Segment der Billigflieger, von Easyjet bis Ryanair, gäbe es den Trend zum schnellen Urlaub vielerorts womöglich gar nicht. Auch Air Berlin ist hier unterwegs; bei Städtereisen ab Berlin und Düsseldorf sei man europaweit die Nummer eins, berichtet das Unternehmen. Die Bahn will nicht nachstehen: Kombi-Angebote ihrer Reisetochter Ameropa zum Musical-Besuch in großen Städten oder zum Wellnessurlaub auf dem Land seien sehr beliebt, berichtet ein Bahn-Sprecher.

Hotels sind die großen Gewinner

Der Trend zum Kurzurlaub, gerade in Städten, nützt vor allem Hotels. In Berlin etwa gehören die Herbergen mittlerweile zu den wichtigsten Arbeitgebern. Ein „sensationelles Preis-Leistungsverhältnis“ spreche für die Hotels der Hauptstadt, sagt Christopher Lück vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. Vor allem im mittleren Preissegment expandieren die großen Ketten immer weiter, das Potenzial scheint unerschöpflich. Bettenanbieter fernab der Städte müssen indes aufpassen, dass sie nicht unter die Räder geraten. „Eine schlichte Fünf-Zimmer-Pension auf dem Land hat es schwer heutzutage“, berichtet Lück. Nur wer ein Alleinstellungsmerkmal findet, habe eine Zukunft – etwa Wellness-Angebote, eine besonders gute Lage oder eine herausragende Gastronomie.

Stadt, Land – alles im Fluss

Städte gewinnen, Urlaub auf dem Land interessiert niemanden mehr? Falsch. Zwar haben Berlin oder Hamburg in den vergangenen Jahren im großen Stil Gäste hinzugewonnen. Das heißt aber nicht, dass niemand mehr ins nördliche Saarland, in die Niederlausitz oder in den Hainach (Thüringen) fährt. Diese Regionen verzeichneten laut Statistischem Bundesamt 2013 die stärksten Besucher-Zuwächse. „Städte haben eine hohe Erlebnisdichte, auf dem Land passiert aber auch etwas“, sagt Claudia Gilles, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Tourismus-Verbandes. Entscheidend sei, was sich die jeweiligen Regionen einfallen ließen, um die Leute anzulocken. Im Saarland, berichtet Gilles, sei etwa ein neuer Ferienpark der Magnet. Der Bayerische Wald, das Waldecker Land oder die Lüneburger Heide sind aber anfälliger für das Wetter – bei Regen bleiben die Leute lieber zu Hause.

Fakten zur Messe ITB

10 000 Aussteller aus 180 Ländern und Regionen wollen auf der ITB über Trends und neue Produkte auf dem Reisemarkt informieren. Die Messe Berlin rechnet mit etwa 170 000 Besuchern. Alle wichtigen Akteure aus der Branche sind vertreten – Reiseveranstalter, Regionen, Fluggesellschaften, Autovermieter und Hotels. Bei vielen lässt sich der nächste Urlaub schon direkt auf der Messe buchen. Ab dem 5. März ist das weltgrößte Branchentreffen zunächst für Fachbesucher reserviert, am 8. und 9. März dürfen auch Privatleute durch die 26 Hallen unter dem Funkturm schlendern. Geöffnet ist die Messe stets zwischen 10 und 18 Uhr. Wer bei der BVG, der S-Bahn oder unter www.itb-berlin.de/eintrittskarten Tickets erwirbt, zahlt nur zwölf Euro, an der Tageskasse werden 14,50 Euro fällig. Kinder unter 14 Jahren haben in Begleitung eines Erwachsenen freien Einritt. Schüler und Studenten erhalten ein ermäßigtes Tagesticket für acht Euro. Wer seinen Rundgang schon zu Hause planen will, kann dies unter www.itb.de/publikum tun. Besonders ausführlich informiert dieses Jahr das Partnerland Mexiko. „Erleb es, um es zu glauben“, appelliert das amerikanische Land an potenzielle Touristen.

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