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Machtkampf um die Hoheit in der Geldpolitik: Donald Trump (l.) und Jerome Powell.

© REUTERS

Lockere Geldpolitik: Wie lange halten die Notenbanken dem Druck noch Stand?

Nicht nur Donald Trump will die Währungshüter benutzen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Selbst die Idee des Helikoptergeldes für jeden ist wieder im Gespräch.

Man hätte fast meinen können, Donald Trump hätte sein Pulver schon verschossen. Seit Monaten arbeitet sich der US-Präsident an der US-amerikanischen Notenbank Fed ab, gerne auch an deren Vorsitzenden Jerome Powell persönlich. Als „inkompetent“ hatte Trump die Notenbanker schon beschimpft; die Fed, so twitterte der Präsident zu Heiligabend, sei das „einzige Problem“ der US-Wirtschaft. Seither verging kaum eine Woche, in der Trump nicht vehement auf deutliche Zinssenkungen der Notenbank gepocht hat.

Nicht nur deshalb dürfte die Stimmung am heutigen Donnerstag in Jackson Hole angespannt sein. In dem beschaulichen 10.000-Einwohner-Ortschaft findet jährlich die wichtigste Notenbank-Konferenz der Welt statt. Doch nicht wenige Beobachter halten die diesjährige Tagung für wegweisend.

„Wir können nicht ausschließen, dass Jackson Hole in diesem Jahr einen fundamentalen Politik-Wechsel markiert“, schreiben etwa die Analysten der Schweizer Großbank UBS. Denn es ist nicht nur der US-Präsident, der an der wichtigsten Säule der Notenbanken rüttelt: ihrer Unabhängigkeit. Der Ruf nach politischer Einflussnahme kommt inzwischen aus vielen Richtungen.

Pünktlich zur Konferenz hat Trump deshalb noch einmal nachgelegt. Er forderte die Fed zu einer Senkung des Leitzins’ um einen Prozentpunkt auf. Erst Ende Juli hatte Powell den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte herabgesetzt. Begleitet werden könne eine neue Senkung von weiteren Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft („quantitative easing“), findet Trump und vermischt Geld- und Konjunkturpolitik dabei bewusst. „Wenn das passieren würde, würde es unserer Wirtschaft noch besser gehen, und die Weltwirtschaft würde deutlich und schnell verbessert werden – gut für alle“, so sein Resümee auf Twitter.

Auch Blackrock mischt sich ein

Für seinen Kurs hat Trump in der vergangenen Woche kapitalstarke Unterstützung erhalten. Der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock hat sich in einem Diskussionspapier im Vorfeld von Jackson Hole ebenfalls für eine stärkere Einmischung in die Geldpolitik der Notenbanken ausgesprochen. Darin schlagen die Autoren die Einsetzung eines Expertengremiums in den Notenbanken vor, das entscheidet, welche privaten und öffentlichen Investitionen gezielt mit Geld unterstützt werden.

Diese mit „Going direct“ umschriebene Strategie läuft auf eine direkte Förderung aus der Notenpresse hinaus. Als extreme Form von „Going Direct“ bringt Blackrock auch das sogenannte Helikoptergeld ins Gespräch; ein Instrument, das auf ein Gedankenexperiment des US-Ökonomen Milton Friedman zurückgeht, um die Konjunktur anzukurbeln. Dabei würde vereinfacht ausgedrückt jeder Bürger einmalig eine bestimmte Summe Geld von den Notenbanken geschenkt bekommen – ganz so, als würde man Geld aus einem Hubschrauber abwerfen.

Hinter all diesen Forderungen steht die Erkenntnis, dass die Notenbanken einer drohende Rezession mit ihren normalen Instrumenten machtlos gegenüber stehen würden. Denn üblicherweise begegnen die Währungshüter einer Krise mit der Senkung der Zinsen. Dieses Instrument will die Fed allerdings nicht voreilig einsetzen, schließlich wächst die US-Wirtschaft aktuell noch. Mit dem Handelskrieg steht das Risiko für einen Abschwung allerdings schon vor der Tür.

Führt sie seine Nullzins-Politik fort? Christine Lagarde und Mario Draghi.
Führt sie seine Nullzins-Politik fort? Christine Lagarde und Mario Draghi.

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In Europa ist das Pulver hingegen sogar schon verschossen. Denn während die Fed den Leitzins seit der Finanzkrise 2009 immerhin leicht auf 2,5 Prozent anheben konnte, blieben die Zinsen in Europa historisch niedrig, weil nach der Bankenkrise die Staatsschuldenkrise um Griechenland kam.

Dabei ist das Befeuern der Konjunktur ohnehin nur ein Nebeneffekt der Notenbank-Politik. Ihr eigentlicher Daseinszweck ist die Stabilisierung des Geldwerts. Deshalb schreibt in Europa der Maastricht-Vertrag den Zentralbanken der Länder Unabhängigkeit vor, die EZB wurde 1998 als unabhängige Notenbank für den Euro-Raum gegründet. Ihre Maßnahmen sollen dazu beitragen, das Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen, nicht die Wirtschaft anzukurbeln.

Lagarde war früher Politikerin

Doch genau das wünscht sich Trump. Schließlich kann er nichts weniger gebrauchen als eine Rezession pünktlich zum nächsten Wahlkampf. Damit verkörpert er ziemlich unverholen genau die Befürchtung vieler Notenbanker: eine Geldpolitik, die sich nicht an Preisstabilität, sondern Legislaturperioden orientiert. Die Folgen wären auch für Kleinanleger und Sparer spürbar. Denn eine kurzfristige Geldpolitik würde die Märkte und damit die Entwicklung des eigenen Kapitals volatil und weniger planbar machen.

Diese Sorge machen Kritiker auch an den Spitzenpersonalien der Fed und der EZB fest. Denn anders als bisher stehen mit Powell und der designierten EZB-Vorsitzenden Christine Lagarde keine Ökonomen an der Spitze der beiden wichtigsten Notenbanken. Beide haben ihre Wurzeln in der Politik. Powell begann seine Karriere im US-Finanzministerium, Lagarde war bis 2011 Wirtschaftsministerin in Frankreich. Beide könnten, so die Befürchtung, zu viel Verständnis für politische Forderungen aufbringen.

Ob diese Sorge berechtigt ist, wird sich in Jackson Hole zeigen. Beobachter halten es ebenso für möglich, dass die Fed angesichts von Trumps Attacken erst recht ihre Unabhängigkeit beweisen will. Schließlich hat sich Powell bislang als hartnäckiger Gegenspieler des US-Präsidenten bewiesen und erst im Juli gezeigt, dass er auch dem Druck der Märkte nicht nachzugeben gedenkt. Als die Kurse nach seiner nur leichten Zinssenkung im Juli einbrachen, weil mehr erwartet worden war, sagte er unbeeindruckt: „Das wird nicht der Auftakt einer jahrelangen Zinssenkungsphase.“

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