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Wirtschaft: Logische Lösungen finden

Seminare helfen, Trugschlüsse im Arbeitsalltag zu erkennen. Wer sich darin übt, kann besser auf Probleme in komplexen Situationen reagieren – und seiner Firma oft hohe Kosten ersparen.

Als Bauingenieurin in einer kleinen Baufirma stand Barbara Walther immer wieder vor der gleichen Situation: sie suchte die Lösung für ein Problem, arbeitete gemeinsam mit Kollegen auch über einen längeren Zeitraum darauf hin, verbesserte ihre Kommunikation und kam dann doch nicht weiter: Ein Jahr lang bemühte sie sich gemeinsam mit Kollegen um eine vierte Arbeitskraft für die Firma, um die sich aufstauenden Aufträge besser bewältigen zu können – und setzte sich mit dieser Forderung schließlich bei ihrem Chef durch. Doch mit der vierten Arbeitskraft, sagte der Chef, müsse man jetzt auch mehr Aufträge reinholen. Barbara Walther merkte, dass ihr Problem gar nicht war, dass es zu wenige Arbeitskräfte in der Firma gab. Sondern, dass es vielmehr darum ging, wer wann bestimmt, ob diese Arbeitskräfte ausgelastet sind. Sie erkannte, dass die die vierte Arbeitskraft nicht die logische Lösung für ihr Problem war. Es war vielmehr eine Scheinlösung.

„Logisches Denken“ wird häufig gefordert, etwa im Anforderungsprofil für eine Ausbildung als IT-Kaufmann, auch in Eignungstests wird es abgefragt. Aber auch logisch scheinbar korrekte Schlüsse können uns in einer komplexen, sich schnell ändernden Welt als Scheinlösungen zu schaffen machen. Die Schritte, die wir in felsenfester Überzeugung logisch zu handeln, tun, können auch ins Leere laufen. Die Probleme kommen wieder oder treten an anderer Stelle umso drastischer auf. Hinter dem Problem steckt dann ein anderes: wie wir Probleme betrachten und denken daraus nötige Schritte zur Lösung folgern zu können. Seminare zu logischem und auch vernetztem Denken helfen diese weit verbreiteten Denkfehler und Trugschlüsse zu erkennen, um anders auf Probleme zu reagieren.

„Wenn ein Problem nach 14 Tagen wiederkommt, ist das ein guter Indikator für eine Scheinlösung“, sagt Barbara Walther, die mittlerweile als Trainerin und Coach im kommunalen Bildungswerk und an Berliner Volkshochschulen unterrichtet, wie man durch systemisches Denken zu anderen Ansätzen kommen kann. Ein erster Schritt sei dabei von der Frage wegzukommen, wie sich das Problem schnell lösen lässt. Hin zu der Frage: „Wie funktioniert das System?“ Teilnehmer lernen die Symptome eines Problems von den Ursachen zu unterscheiden. Und sie erkennen, dass es sich auch bei einer scheinbaren Ursache um das Symptom eines anderen, dahinter liegenden Problems handeln kann.

Einer der klassischen Denkfehler, die ihr immer wieder begegnen, sei Lösungen nur im Umfeld des Problems zu suchen und zu kurzfristig zu denken, sagt Barbara Walther. Ein Problem soll schnellst möglich gelöst werden, die längerfristigen Konsequenzen bleiben außer Acht. So kann ein Betrieb einen Engpass in der Produktion zum Beispiel vielleicht einmal ganz gut durch Überstunden der Mitarbeiter auffangen. Gibt es aber chronisch Engpässe und müssen regelmäßig Überstunden geschoben werden, werden die Mitarbeiter krank und es fehlt letztendlich an noch mehr Personal.

Das lineare analytische Denken von Problem zur Lösung, das in einem übersichtlichen und stabilen Umfeld gut funktioniert, führe in komplexeren Konstellationen in die Irre, sagt Walther. Systemisches Denken sei zuerst aufwendiger, bringe aber in turbulenten, sich schnell verändernden Zusammenhängen bessere Ergebnisse. Aber wie beginnt man damit? Trainer und Coach Armin Kutscher aus Tübingen lädt die Teilnehmer seines Seminars zu logischem und vernetzten Denken beim Anbieter Integrata zu einem imaginären Helikopterflug ein. Er fragt sie nach der Infrastruktur der darunter liegenden Landschaft, in der ihr Problem angesiedelt ist. Wo gibt es häufig Staus? Wo besteht Unfallgefahr? Wie ist das Wetterrisiko? Wer sind die handelnden Personen, auch die hinter der Bühne? So sollen die Teilnehmer ihre eigenen Probleme neu betrachten lernen. Warum zum Beispiel kommt eine Personalabteilung im Sommer immer gut durch, im September und Oktober herrscht aber immer Ressourcenmangel?

Seine Kursteilnehmer sind häufig Menschen, die als Sachbearbeiter, Ingenieure oder Projektmanager schnell strategische Entscheidungen treffen müssen. Sie kommen zum Beispiel aus der technischen Produktion, von Energielieferanten oder aus Versicherungen. In der Unübersichtlichkeit ihrer verdichteten Arbeitswelt führe sie ein linearer Lösungsweg, in dem ein absehbarer Schritt auf den anderen folgt, oft in eine Sackgasse, so Kutscher. Sie planen Schritt eins, zwei und drei. Doch während sie Schritt drei ausführen, haben sich die Rahmenbedingungen schon wieder geändert und Schritt eins und zwei werden hinfällig.

Wer in ein Projekt startet, sollte sich laut Kutscher deshalb nicht nur überlegen, was planbar, sondern auch was nicht planbar ist. Vorsicht sei immer bei Lösungen aus dem Lehrbuch geraten, die versprechen immer zu funktionieren. Ein einmal erfolgreich gewesener Lösungsansatz könne unter Umständen auch unter veränderten Rahmenbedingungen drei Jahre später wieder funktionieren. „Das ist dann aber Zufall, nicht Planung“, sagt Kutscher.

Es gebe keine Allheilmethode, um die Komplexität der Welt auszutricksen, sagt er. Gerade schwierige Sachverhalte wie etwa die Entwicklung des Ölpreises müsse man längerfristig betrachten. Dann könne man verstehen, warum durch die Politik in Syrien oder das Budget der USA der Benzinpreis für einen Fuhrpark von 150 Wagen plötzlich um 20 Cent teurer sei. Im eigentlichen Sinne tun kann man in solchen Situationen als Einzelner vielleicht wenig bis nichts, meint Kutscher, aber man kann sich darauf einstellen. Man kann planen, dass mehrere unbekannte Faktoren auf einen zukommen. Zu guter Planung gehöre in komplexen Systemen deshalb immer auch ein Plan B.

Menschen, die sich lange mit einer Sache beschäftigen, die 10 000 Stunden und mehr in einem bestimmten Bereich tätig waren, entwickeln häufig selbst entsprechende Handlungsweisen. Sie verlassen sich dabei weniger auf das klassische logische Denken, sondern mehr auf eine Intuition, hinter der Erfahrungswissen steckt. Aus vielen verschiedenen Situationen haben sie Muster abgeleitet, die Spielraum für flexibles Handeln bei neuen Herausforderungen lassen. Probleme und Lösung so anders zu denken, sei nicht nur eine Aufgabe für die berufliche Weiterbildung, meint Kutscher. Sie sollte seiner Meinung nach auch in Schulen und in der Ausbildung wieder viel stärker gefördert werden. „Logisches und vernetztes Denken verändert die Art und Weise mit dem Leben umzugehen“, sagt er.

Ob es in einzelnen Firmen oder Organisationen aber auch die Rahmenbedingungen gibt, um neu erkannte Probleme zu äußern und andere Lösungswege einzuschlagen, das ist laut Kutscher eine andere Frage. Häufig fehle es an Strukturen, andere Meinungen ohne Angst vor beruflichen Nachteilen äußern zu können. Ja, auch das ist ein systemisches Problem.

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