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Logistik: Bremsen fürs Wachstum

Die weltweiten Ströme von Gütern und Dienstleistungen nehmen zu, doch der Infrastrukturausbau lahmt.

Leere Regale in den Supermärkten, Stillstand in den Fabriken, weil der Nachschub für die Produktion fehlt. Ein Horrorszenario für die Volkswirtschaft, das so ähnlich hätte eintreten können, wenn die Lokführer der Deutschen Bahn am vergangenen Freitag auch den Güterverkehr bestreikt hätten. Zwar wurde dieser untersagt. Das Szenario macht aber deutlich, wie wichtig diejenigen sind, die tagtäglich für den Material- und Warenfluss sorgen: die Logistiker. Die Branche trifft sich in der kommenden Woche zu ihrem jährlichen Kongress in Berlin.

Die Logistik, zu der der Transport, die Lagerhaltung, aber auch das Zeitmanagement gehören, hat enorm an Bedeutung gewonnen. Mit einem jährlichen Umsatzvolumen von 180 Milliarden Euro und 2,6 Millionen Beschäftigten ist sie inzwischen die drittgrößte Branche in Deutschland.

Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) schätzt, dass das Wachstum auch in Zukunft bei durchschnittlich sechs Prozent liegen wird, auch wenn die Weltwirtschaft mal wieder etwas schwächer wird. „Die Logistik spürt ein Abflachen der Konjunktur immer nur unterproportional“, sagt Frank Straube, Direktor des Instituts für Technologie und Management an der TU Berlin. „In schlechteren Zeiten sorgt die Logistik dafür, alles noch wirtschaftlicher zu gestalten als vorher und profitiert davon.“

Ursache für die in den vergangenen Jahren deutlich gestiegene Bedeutung der Branche sei vor allem eine stärkere Arbeitsteilung der Unternehmen weltweit und dem damit ebenfalls verbundenen wachsenden Güterverkehr, erklärt Straube, der auch stellvertretender Vorsitzender der BVL ist. „Bis beispielsweise ein Computer im Laden landet, sind so gesehen all seine Einzelteile vorher etwa zweimal um die Welt gereist.“ Doch das enorme Wachstum hat auch Schattenseiten: Ein Problem ist die Infrastruktur, die dem steigenden Verkehrsaufkommen kaum noch gewachsen ist. „Im Moment ist alles ganz furchtbar eng“, sagt Barbara Rauch, Sprecherin des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV). Die Straßen seien vollkommen überfüllt. „Was da an Geld verpulvert wird, kann man nicht ermessen“, sagt sie. Es räche sich jetzt, dass in den vergangenen Jahren kaum Geld in den Straßenbau gesteckt wurde. Und auch an den Flug-, Bahn- und Seehäfen seien die Kapazitäten völlig ausgeschöpft. Prognosen der EU besagen, dass der Güterverkehr bis zum Jahr 2020 um 45 Prozent zunehmen wird.

Die Branchenverbände DSLV und BVL fordern daher, einen bundesweiten Versuch mit dem als Gigaliner bekannt gewordenen Großtransporter zu starten, um mehr Güter in weniger Kraftfahrzeugen transportieren zu können. „Damit hätte man immerhin einen kleinen Beitrag zur Lösung der Probleme“, sagt DSLV-Sprecherin Rauch. Bisher sind die 25 Meter langen und 60 Tonnen schweren Lkw nur in einigen skandinavischen Ländern erlaubt. In Deutschland laufen mehrere Modellversuche, die Verkehrsminister von Bund und Ländern sprachen sich jedoch noch Anfang dieser Woche mehrheitlich gegen eine Zulassung aus.

Mittlerweile widme sich die Politik aber verstärkt den Problemen der Branche, sagt Logistikexperte Straube. Auslöser dafür sei auch die aktuelle Klimadebatte. So erarbeitet das Bundesverkehrsministerium gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden einen Masterplan Güterverkehr und Logistik, der Perspektiven für mehr Effizienz aufzeigen und Abhilfe bei den drängenden Problemen schaffen soll. Erste Ergebnisse werden frühestens gegen Ende dieses Jahres erwartet.

Aber nicht nur verstopfte Straßen und Nachhaltigkeit sind Herausforderungen für die Branche. Laut Straube fehlt es schon heute an Fachkräften in der Logistik. „Es besteht jährlich ein Bedarf an 11 000 Leuten, aber nur 3000 verlassen die Universitäten. Das kann noch zur Gefahr werden.“ Eine Konzentration auf die Ausbildung sei daher erforderlich.

Und nicht zuletzt hat die Logistiksparte in diesen Tagen auch noch einen Imageverlust zu befürchten. Am vergangenen Mittwoch hatten Kartellermittler große Speditionen in Europa und in den USA wegen des Verdachts auf wettbewerbswidrige Absprachen durchsucht. Ziele der Razzien waren unter anderen der zur Deutschen Bahn gehörende Spediteur Schenker (siehe Interview) sowie die Schweizer Firmen Kühne & Nagel und Panalpina. Die Ermittlungen dauern an.

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