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Lufthansa-Streik: Warum streiken die gut verdienenden Piloten?

Bei der größten deutschen Airline streiken die Piloten seit Mitternacht - sie wollen den Arbeitskampf drei Tage durchziehen. 425.000 Passagiere müssen deswegen warten. Dabei verdienen die Piloten ausgesprochen gut. Was sind Ursache und Folgen dieses beispiellosen Streiks?

Es ist der größte Streik der Lufthansa-Geschichte. Die 5400 Piloten der Lufthansa und von Germanwings beginnen in der Nacht zum Mittwoch um Punkt 0 Uhr einen beispiellosen dreitägigen Arbeitskampf. Dem fallen fast 4000 Flüge zum Opfer, was 425000 Passagiere trifft. Ohne Pilot kann kein Jet abheben, also muss die Lufthansa, ein Konzern mit mehr als 100000 Mitarbeitern, für drei Tage den Flugbetrieb praktisch komplett einstellen.

Wieso wird gestreikt?

Die Übergangsversorgung und nicht etwa die Gehaltsforderung der Piloten ist Anlass für den Arbeitskampf, hat die Pilotenvereinigung Cockpit (VC) am Dienstag noch einmal betont. Sie fordert die Beibehaltung der bestehenden Regelung: Danach können Lufthansa-Piloten mit 55 Jahren ausscheiden. Dafür erhalten sie vom Unternehmen je nach Berufsjahren bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze bis zu 60 Prozent des letzten Gehaltes. In der Spitze können das 124.000 Euro sein. VC fordert, dass diese Regelung auch für Piloten und Pilotinnen gelten soll, die 2014 beginnen und dann möglicherweise 2050 ausscheiden.

Dabei rechnet VC vor, dass die Regelung, für die Lufthansa eine Milliarde Euro zurückgestellt hat, „fast kostenneutral“ sei. Schließlich würden für die älteren Piloten jüngere, niedriger bezahlte Flugzeugführer eingestellt. „Das senkt die Kosten pro Durchschnittspilot und somit die Cockpit-Personalkosten deutlich“, sagt VC-Sprecher Jörg Handwerg. Er wirft der Lufthansa vor, dass Piloten künftig bis 63 arbeiten müssten und nicht schon mit 55 ausscheiden könnten. Das sei ein Angriff auf die Versorgungssysteme, das Unternehmen fahre einen „aggressiven, gegen das Personal gerichteten Profitmaximierungskurs“.

Unter welchen Zwängen steht Lufthansa?

Bei der Lufthansa dürfte man über solche Rechnungen, Argumente und den Tonfall den Kopf schütteln. Personalchefin Bettina Volkens hält die Übergangsversorgung auf Dauer nicht mehr für finanzierbar. Der Vorstand hat den Vertrag gekündigt, aber den Piloten Bestandsschutz zugesagt. Sie können demnach weiter mit 55 ausscheiden. Allerdings soll es Abstriche für neu eingestellte Flugzeugführer geben. Für Jürgen Pieper, Branchenkenner beim Bankhaus Metzler, ist eine Neuregelung mehr als nachvollziehbar. „Die Piloten genießen einen Komfort, der einfach nicht mehr passt.“ Zudem könne kein für das gesamte Unternehmen verantwortlicher Finanzchef, auch angesichts der derzeit niedrigen Zinsen, heute langfristige Zusagen für einzelne Berufsgruppen machen.

Ohnehin gehören Lufthansa-Piloten zur Gruppe der gut bis sehr gut bezahlten Angestellten in Deutschland. Die Anfangsgehälter liegen mit Zulagen bei 73000 Euro, am Ende können es bis zu 260000 Euro sein. Und dies bei durchschnittlich 88 Flugstunden im Monat. Es gibt, im Gegensatz zu anderen Branchen, einen festen jährlichen Aufschlag von drei Prozent. Darauf fordert VC jetzt zehn Prozent mehr, die Lufthansa bietet 5,2 Prozent und eine Einmalzahlung von 2000 Euro. Weit liegen beide Seiten nicht auseinander, gibt auch Cockpit zu.

Der Gehaltsaufschlag würde zu neuen Belastungen für Lufthansa in einem immer schärferen Wettbewerb führen. Analyst Pieper verweist vor allem auf die staatlich gestützten, aggressiven Wettbewerber vom arabischen Golf wie Emirates, Etihad oder Qatar Airways. Aber auch auf Singapur Airlines, die europäischen Wettbewerber, die US-Konkurrenten und die Billigflieger wie Ryanair oder Easyjet.

Für die Lufthansa wird der Streik richtig teuer

Welche wirtschaftlichen Folgen hat der Streik?

Der Streik wird teuer für Lufthansa. Pieper rechnet mit einem täglichen Gewinnausfall von bis zu 20 Millionen Euro, beim Umsatz dürfte es bedeutend mehr sein. Der letzte Pilotenstreik vor vier Jahren führte zu einer Ergebniseinbuße von rund 70 Millionen Euro. Am Dienstag schon hat Lufthansa wegen des Streiks Passagiere verloren, am Samstag wird dies auch der Fall sein. Auch beim Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport rechnet man mit täglichen Einbußen in niedriger einstelliger Millionenhöhe. „Gebühren für Starts und Landungen fallen weg, ebenso für die Sicherheitskontrollen und die Nutzung der Terminals. Auch Geschäfte, Restaurants und Cafés werden spüren, dass weniger Passagiere da sind“, sagt Fraport-Sprecher Christopher Holschier. An deren Umsätzen ist Fraport beteiligt. In Frankfurt entfielen „gut die Hälfte“ aller täglichen Starts und Landungen auf die Lufthansa. Schließlich ist es neben München Heimatflughafen der Airline.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) spricht von „immensem volkswirtschaftlichen Schaden“, weil Urlaubs- und Geschäftsreisen storniert werden müssten, Hotelzimmer und Mietwagen nicht genutzt, Kongresse abgesagt würden und sogar Geschäftsabschlüsse platzen könnten. „Der dreitägige Ausstand ist völlig überzogen und ohne jegliches Maß“, poltert DRV-Manager Stefan Vondran.

Wie stark wird Berlin-Tegel betroffen sein?

Auf dem chronisch überlasteten Berliner Flughafen Tegel dürfte es während des Streiks deutlich ruhiger zugehen als gewohnt: Nach Auskunft von Flughafensprecher Lars Wagner sind von den täglich etwa 60000 Passagieren während des Sommerflugplans rund 15000 mit Lufthansa oder Germanwings unterwegs. Ein Blick auf die Abflugtafel vom Mittwoch zeigte schon vorab, dass deren Flüge ganz überwiegend ausfallen. Auch die meisten Germanwings-Flüge waren am Dienstag bereits als gestrichen aufgelistet; nur bei wenigen fehlte die Statusmeldung noch. Mit rund 130 Flugbewegungen pro Tag im Sommerflugplan ist Lufthansa mit der Tochter Germanwings laut Wagner in Tegel der zweitgrößte Kunde hinter Air Berlin. Zu den finanziellen Folgen für die Flughafengesellschaft, etwa durch entgangene Gebühren, wollte sich Wagner nicht äußern. Am zweiten in Betrieb befindlichen Berliner Flughafen in Schönefeld sind weder Lufthansa noch Germanwings aktiv.

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